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KITA

Kita in Coronazeiten

Trotz Pandemie bleiben die Kitas offen. Dabei stellt die Organisation des Alltags die Erzieher*innen vor große Herausforderungen.

Kinder bei Puppentheater im Kindergarten
Foto: Adobe Stock

Am 20. November wurden in Berlin knapp hundert Kitas komplett geschlossen gemeldet. Mehr als hundert weitere Einrichtungen mussten einzelne Gruppen schließen. Insgesamt waren das ungefähr sieben Prozent der Einrichtungen. Von Komplettschließungen sind vor allem kleine Einrichtungen betroffen. Die Corona-KiTa-Studie des Deutschen Jugendinstituts und des Robert Koch-Instituts stellt fest, dass zunehmend nur einzelne Gruppen geschlossen werden. So soll der Regelbetrieb so gut wie möglich aufrechterhalten werden.

Abstand unmöglich

Doch was heißt das für das Personal? Während derzeit fast überall Abstandsgebote gelten, wurde das Abstandsgebot zwischen Beschäftigten und den Kindern in den Tageseinrichtungen für Kinder und in der Kindertagespflege gemäß § 1, Abs. 2, Satz 2 der Infektionsschutzverordnung vom 23. Juni 2020 aufgehoben. Denn es ist unrealistisch, bei der Betreuung von Kindern konsequent den Mindestabstand einzuhalten. Hinzu kommt, dass Körperkontakt vor allem bei sehr kleinen Kindern in Pflege- und Anziehsituationen unumgänglich ist. Beziehungs- und Bindungsarbeit erfordert Nähe und Kinder benötigen zum Verstehen von Kommunikation Körpersprache und Mimik, was durch das Tragen von Masken erschwert wird. Deshalb sollen die Einrichtungen oder das Personal selbst entscheiden können, ob im direkten Umgang mit den Kindern Masken getragen werden. Verpflichtend sind diese nur bei Begegnungen zwischen Erwachsenen. Da die Einrichtungen vielfältig sind und die Gegebenheiten sehr unterschiedlich, obliegt es den Einrichtungen, eigene Hygienekonzepte und -pläne zu verfassen und umzusetzen.

Restriktive Gruppenkonzepte

Um das Personal dennoch zu schützen und zu unterstützen, hat die Senatsverwaltung einen Musterhygieneplan zur Verfügung gestellt, der die folgenden Empfehlungen gibt: So soll die Betreuung in festen Gruppen und Räumen und am besten mit festem Personal stattfinden; offene Gruppenarbeit soll vermieden werden. Dem kommen viele Einrichtungen nach. Die Corona-KiTa-Studie stellt fest, dass etwa die Hälfte der Einrichtungen mit teilweise offenem oder offenem Konzept mittlerweile ein restriktiveres Gruppenkonzept haben.

Handkontaktflächen, wie Tischoberflächen, Stühle, offene Regale, Fenstergriffe, Türklinken und im Krippenbereich auch die Fußböden sollen mehrmals täglich gereinigt werden. In Schlafräumen gilt das Abstandsgebot von mindestens 1,50 m der Matten zueinander. Es empfiehlt sich, die Kinder möglichst häufig und lange im Außenbereich der Kindertageseinrichtung zu betreuen. Bewegungsspiele, Sportangebote sollen mit dem erforderlichen Abstand nur im Freien angeboten werden. Die Nutzung der Außenbereiche soll nur gruppenweise und möglichst zeitversetzt erfolgen. Es soll nur Spielzeug eingesetzt werden, das leicht zu reinigen ist. Kinder sollen aktuell kein Spielzeug von zu Hause mit in die Kita oder Kindertagespflegestelle bringen und umgekehrt. Eltern sollen, wenn möglich, draußen bleiben. Dass das alles gar nicht so einfach umzusetzen ist, zeigen Stimmen aus der Praxis.

Zu viele Eltern halten die Regeln nicht ein

Viele Kitas sind dazu übergegangen, die Kinder am Tor oder Eingang entgegenzunehmen. Das führt dazu, dass das Ausziehen nicht mehr von den Eltern übernommen werden kann, sondern eine weitere Aufgabe für das Personal darstellt. In Einrichtungen, in denen Eltern ihre Kinder noch schnell bringen dürfen, wird beklagt, dass die Eltern die vorgeschriebenen Wege mitunter nicht einhalten oder Maskenmuffel sind. Sollten sich Eltern nicht an das Maskenverbot halten, kann der Träger zwar nach mehrmaliger mündlicher Unterlassungsaufforderung und dem Angebot von alternativen Übergabeszenarien ein Hausverbot aussprechen. Das fördert jedoch sicherlich nicht die gemeinsame Arbeit am Kind, weshalb die meisten Einrichtungen versuchen, Maskenmuffeln mit einer Engelsgeduld zu begegnen.

Leider gibt es auch Einrichtungen, in denen sich die Beschäftigten nicht ernst genommen fühlen, wenn sie ihre Maske auf dem Flur oder bei Teambegegnungen tragen. In den meisten Kitas jedoch haben sich die Mitarbeiter*innen daran gemacht, trotz widrigster Umstände Hygienemaßnahmen zu ergreifen und mit den Eltern gemeinsam zu überlegen, wie alle am besten geschützt werden können. Der 19. Trägerinformation des Bildungssenats vom 6. November 2020 zufolge muss mehrmals täglich, aber mindestens zweimal pro Stunde eine Stoßlüftung in den Räumen erfolgen, was Raumwechsel oder ständiges An- und Ausziehen zur Folge hat. Für Raumwechsel fehlen die Räume und überhaupt stellt es viele Einrichtungen vor Herausforderungen, den Mindestabstand der Matten beim Schlafen oder beim Essen zu gewährleisten. Feste Pläne für feste Gruppen im Außenbereich sind im Kitaalltag mitunter stressig für die Beteiligten, da alle Kinder ganz pünktlich angezogen und wieder hereingebracht werden müssen. Wenn es während des Zeitfensters regnet, können einige Gruppen nicht an die frische Luft.

Im Grunde muss auch alles ständig desinfiziert werden und nach jedem Kinderniesen sollten die Händchen gemeinsam gewaschen werden. Aber wie soll das bei der dünnen Personaldecke umsetzbar sein? Die Abstandsregeln zwischen Erwachsenen verhindern größere Teamsitzungen vor Ort, und das Weitererzählen scheitert am stressigen Alltag. Digitale Geräte für Kolleg*innen im Homeoffice gibt es meistens nicht. Die Dokumentation, wer wann wo mit wem war, um mögliche Kontaktketten nachverfolgen zu können, kostet zusätzliche Zeit.

Hoher Krankenstand

Viele Einrichtungen haben einen zunehmend hohen Krankenstand. Mitarbeiter*innen sind in Quarantäne und eine Umsetzung der normalen Öffnungszeiten wird immer schwieriger. Der Druck der Eltern und der Träger, den Regelbetrieb so gut wie möglich aufrechtzuerhalten, geht zu Lasten der Mitarbeiter*innen, die die vielen Aufgaben und langen Öffnungszeiten aufgrund von Personalmangel kaum noch auffangen können. Eine Reduzierung der Öffnungszeiten wird unumgänglich und führt wiederum zu mehr Stress für die Eltern. Eltern, die arbeiten müssen, bringen ihre Kinder in die Kita, obwohl diese sich eigentlich in Quarantäne befinden sollten. Das führt dazu, dass bei einem positiven Testergebnis auch andere Kinder und Eltern in Quarantäne müssen und Einrichtungen teilweise schließen müssen oder gezwungen sind, die Öffnungszeiten zu reduzieren, wie etwa die Kindergärten NordOst.

Mehr als 30 Träger fordern Rückendeckung der Politik

Mehr als 30 Kitaträger fordern aufgrund der steigenden Krankheitsausfälle eine Rückendeckung der Politik für einen offenen Regelbetrieb. Sie fordern die Vergrößerung oder Auflösung getrennter Gruppen, die Einschränkung der Öffnungszeiten und die zeitlich befristete Verkürzung der Betreuungszeiten. Ohne Flexibilität könnten die Einrichtungen schwer geöffnet bleiben. Viele Einrichtungen sehen sich schon jetzt aufgrund von Personalmangel und Krankheitsausfällen gezwungen, Gruppen durch Zusammenlegungen zu vergrößern.

Der 19. Trägerinformation zufolge können zur Sicherstellung der Aufsichtspflicht in Corona-Zeiten nun Eltern oder Mitglieder des erweiterten Familienkreises des Kindes zur Betreuung hinzugezogen werden. Auch weitere Nicht-Fachkräfte, die der Gruppe oder dem Träger bekannt sind, können zur Überbrückung dringender Personalengpässe eingesetzt werden. Studien zeigen allerdings, dass diese Möglichkeit kaum genutzt wird, macht es doch oft zusätzliche Arbeit, nichtpädagogische Kräfte einzuarbeiten.

Sollten bei Mitarbeitenden für SARS-CoV-2-Infektionen typische Symptome auftreten, sollen sich diese, am besten telefonisch, an ihren Hausarzt beziehungsweise ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden. Das ist aber oft nicht gut zu erreichen, und Kinderärzte testen mitunter keine Kinder, selbst bei positiv getesteten Eltern, weil die Testkapazitäten nicht ausreichen.

Seit dem 20. Juli 2020 können sich alle Beschäftigten der Berliner Kitas auch ohne Corona-Symptome an fünf Berliner Standorten kostenfrei auf das Virus testen lassen. Aber wer hat bei der momentanen Arbeitsbelastung noch Lust und Zeit, quer durch die Stadt zu fahren?

Obwohl man sich allerorts bemüht, die steigenden Infektionszahlen zu senken, kann von Entwarnung keine Rede sein. Eine Schließung der Kitas soll weiterhin vermieden werden. Auch wenn viele Pädagog*innen kreativ gewesen sind und ihre Kinder und Eltern mit Bastelanleitungen, Videos, Ausmalbildern, Blumensamen, Briefen ausgestattet haben, um den Kontakt zu halten, fehlen Kindern die anderen Kinder. Die Einrichtungsleitungen hoffen, dass es im Fall von Schließungen nicht wieder so chaotisch läuft wie beim ersten Lockdown, als es teilweise am Freitag neue Vorgaben gab, die am Montag umgesetzt werden mussten. Oder als täglich neue Meldungen kamen, die Mitarbeiter*innen und Eltern gleichermaßen aufscheuchten und verunsicherten.

Held*innenprämie für alle

Erst kürzlich haben 50 Kitaträger protestiert, weil sie Rückzahlungen in Millionenhöhe an das Land leisten müssen, obwohl sich ihre Ausgaben auch während des Lockdowns nicht wesentlich reduziert haben. Die dort beschäftigten Kolleg*innen erhalten keine Hauptstadtzulage und die sogenannte Held*innenprämie fällt nun viel schlechter aus, als erwartet. Einige Mitarbeiter*innen der Boot gGmbH wollen diese sogar zurück geben. Denn die kolportierten 1000 Euro Held*innenprämie werden die Erzieher*innen in den Berliner Kitas so nicht bekommen. Die Regelungen sind kompliziert und die Träger zu einem Eigenanteil verpflichtet. Deswegen fällt die Prämie bei jedem Träger unterschiedlich aus. Die Spanne liegt zwischen 0 und 750 Euro. Berlin sagt Danke. Ein Wunder, dass Senatorin Scheeres nicht zu einem Klatschkonzert für die freien Träger aufruft, die immerhin zwei Drittel der Kitaplätze stellen.

Während des ersten Lockdowns wurden pädagogische Fachkräfte teilweise zum Kochen oder für Reinigungs- oder Bauarbeiten eingesetzt, weil beispielsweise Caterer ihre Lieferungen eingestellt hatten. Arbeitnehmer*innen müssen jedoch nur Aufgaben übernehmen, die zur arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit gehören oder gleichwertig und zumutbar sind. Erzieher*innen müssen weder putzen noch Möbel räumen. Erfreulich wäre es, wenn Kitas einen pauschalen Corona-Betrag wie in Hamburg bekämen, um zum Beispiel Hygienepläne oder die notwendige Digitalisierung umsetzen zu können.

Damit sich die Kolleg*innen in den Kitas weiterhin den aktuellen Herausforderungen stellen können, fordert die GEW BERLIN eine dauerhafte personelle Vertretungsreserve von zehn Prozent in den Kitas, die Verkleinerung der Gruppen, die Schaffung einer digitalen Infrastruktur, wöchentliche COVID-19-Testungen für alle pädagogischen Beschäftigten und die mehrmalige tägliche Reinigung der Kitas der Stadt. Und natürlich endlich eine angemessene Bezahlung. Pädagogische Fachkräfte sind Fachkräfte, ob für große oder kleine Kinder und sollten entsprechend vergütet werden. Deshalb, so wünschen sich Erzieher*innen, sollten ihre Gehälter an die von Lehrkräften angepasst werden.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46