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Gewerkschaft

Kontrolle statt Streiks

Unser Autor wünscht sich ein umfassendes Streikrecht, das die Gewerkschaften gemeinsam einsetzen.

Foto: Christian von Polentz

Die zwingen mich! Ich will nicht, aber ohne den Zuschlag muss ich!« Anstatt sich zu freuen, sagte mir das ein Freund nach seinem Examen. Für uns junge Kolleg*innen bestimmt die Frage der Verbeamtung nicht nur unsere täglichen Gespräche. Sie ist auch eine grundlegende Frage, wie unser Berufsleben verlaufen wird. Arbeit als Beamt*in ist anders. Rechte werden gegen Geld eingetauscht. Mehr Beamt*innen bedeutet auch mehr Kontrolle bei der Verwaltung des Mangels und weniger Spielraum zur Mitbestimmung für uns.

Gezwungen wird in die Verbeamtung niemand. Vor die Wahl gestellt werden Neueinsteiger*innen in den Beruf dennoch: Möchtest du die Rechte eine*r Angestellt*in oder die Sicherheit und das Geld eine*r Beamt*in? Manche entscheiden sich mit Blick auf Lebensplanung für die Sicherheit, viele nehmen den Schnitt im Gehalt hin. Die einzelnen Entscheidungen sind dabei nicht das Problem. Das wir vor die Wahl gestellt werden und zwischen Recht und Geld entscheiden müssen, ist die Frechheit und zeigt uns die politische Motivation, mit der wir dieses »Angebot Verbeamtung« bekommen. Es geht nicht darum, den Mangel im Schulsystem durch bessere Arbeitsbedingungen zu beheben. Es soll Mangel über Kontrolle reguliert werden. Und wer kontrollieren möchte, der braucht möglichst viele in seiner Verfügung. Schule ist dabei nicht nur Arbeitsplatz, sondern gesellschaftliches Zentrum und damit Kernaufgabe für jeden Staat. In der aktuellen Entwicklung entscheidet sich dieser gerade dafür, diese Aufgabe nicht zu lösen, sondern zu verschieben, oder auf Schultern zu verteilen, die sich nicht mit nervigen Streiks wehren können. Eine Abgabe des Streikrechts ist daher für junge Kolleg*innen besonders schmerzhaft.

Aber warum hängen wir eigentlich so an unserem Streikrecht? Wir sehen und spüren jeden Tag wie an der Jugend gespart wird. Wir sind als Erzieher*innen und Lehrer*innen diejenigen, die das allgemeine Interesse des Gemeinwohls umsetzen. Wir wissen aber auch, dass wir es unter den gegebenen Umständen nicht umsetzen können.

Politisch taugen diese Missstände nur etwas für Sonntagsreden. Danach verflüchtigt sich der vage gesellschaftliche Anspruch des Gemeinwohls sehr schnell wieder. Nach Jahrzehnten der Sparpolitik und braven Durchprivatisierung der Institutionen und Vertreter*innen dieses Gemeinwohls stehen wir am Ende einer Entwicklung. Kommt nun noch die Wiederverbeamtung erfolgreich durch, dann sind aus Sicht des Senats die Lehrer*innen in der Verbeamtung sicher verwahrt und die Erzieher*innen an die »freien« Träger verkauft. Es fühlt sich wie ein langer Abwehrkampf an, den wir verlieren. Gleichzeitig sind wir mitten in einer Krise, die einen Anfang markiert. Gerade in diesem Jahr, indem sich die Frage stellt, ob der Staat es dem Kapital ermöglicht aus der Krise eine Chance werden zu lassen, oder ob wir das Gemeinwohl wieder als Kernaufgabe einfordern. Dafür müssen wir als Gewerkschaft mit den Vokabeln des Arbeitskampfs sprechen und nicht an politische Parteien appellieren. Der Streik sollte daher nicht wieder nur auf die Lohnarbeit im kapitalistischen Betrieb beschränkt sein, sondern muss auch ein Mittel für unseren Kampf um das Interesse des Gemeinwohls bleiben.

Um dafür zu kämpfen, müssen wir dazulernen. Selbst mit möglicherweise eingeklagtem Beamt*innenstreikrecht können wir keinen Abwehrkampf führen. Wenn wir im Bildungsbereich streiken, dann streiken wir für alle, sowie die Arbeiter*innen bei der Post und der BSR nicht nur für sich streiken. Wir streiken alle immer auch für etwas Größeres. Lasst uns groß und lasst uns breit streiken. Wenn wir mehr streikende Lehrer*innen haben wollen, dann müssen diese direkter an die Tarifverhandlungen und Entscheidungen angebunden werden, und dann muss uns wieder klarwerden: Wir gehen hier nicht nur für kleinere Klassen demonstrieren, wir streiken für einen anderen Umgang mit der Krise unserer Gesellschaft.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46