Schule
Kosten der Berliner Bildung im Ländervergleich
Die Vereinigung Berliner Schulleiter*innen in der GEW (VBS) kommentiert die Stellungnahme der Senatorin zur finanziellen Ausstattung des Bildungssystems der Stadt.
Ende April nahm die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Katharina Günter-Wünsch, die Gelegenheit wahr, ihre bildungspolitische Fokussierung zusammenfassend darzulegen. Sie kritisierte im Berliner »Tagesspiegel« die hohen Berliner Schulplatzkosten in Relation zum Output.
Die weniger beachteten Schulplatzkosten
Reflexartig werden in Berlin gerade in Zeiten von Haushaltseinsparungen die Kosten je Schulplatz in Relation zu Schulabschlüssen und Leistungstests in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Im zweiten Gedankenschritt wird dann die Effizienz des Bildungssystems hinterfragt.
Die gedankliche Herangehensweise ist durchaus schlüssig, denn eine vereinfachte Kosten-Nutzen-Rechnung überzeugt gerade jene, die auf komplexe Fragestellungen einfache Antworten erwarten. Die VBS stellt sich die Frage, weshalb die im Ländervergleich unbestritten hohen Berliner Kosten je Schulplatz stets in reduzierter Lesart als Vorwurf an die verschiedensten Zielgruppen adressiert werden.
Für die Berechnung der Kosten je Schulplatz werden in der Regel verschiedene Kostenstellen beziehungsweise Kostenarten herangezogen. Diese sind entweder dem laufenden Betrieb oder den Investitionen zugeordnet. Vereinfacht berechnen sich die Kosten je Schulplatz aus:
- den Personalkosten, also den Gehältern der Lehrkräfte, Verwaltungsmitarbeiter*innen und des unterstützenden pädagogischen Personals,
- den Sachkosten und Betriebskosten, Energiebereitstellung, Reinigung, Schul- und Büromaterialien, IT-Ausstattung,
- den Gebäudekosten, der Abschreibungen auf Gebäude und Ausstattung, Mietzins, Instandhaltungen und Reparaturen, Versicherungsbeiträgen,
- den Investitionskosten, wie Neubau, Sanierung, Erweiterung, Möblierung und Raumausstattung,
- den Verwaltungskosten, Verwaltungsaufgaben des Schulträgers,
- den schüler*innenbezogenen Förderkosten, wie Integration, Inklusion, Schulverpflegung und Beförderung.
Betrachtet man die prozentuale Verteilung der Kosten auf die Kostenarten, dann liegen in einer durchschnittlichen bundesweiten Betrachtung die Personalkosten bei 60 bis 70 Prozent, die Sachkosten bei 20 bis 30 Prozent und die Infrastrukturkosten bei 10 bis 20 Prozent.
Mit der noch immer sehr komprimierten Darstellung der Berliner Kostenberechnung je Schulplatz wird deutlich, dass viele Faktoren in die Gesamtberechnung eines Schulplatzes einfließen, die ein ungeübtes Auge erst einmal nicht im Blick hat. Ferner gibt es Faktoren in der Frage der Kostenexplosion, die durchaus einen politischen Charakter besitzen und einmal einer kritischen Diskussion unterzogen werden dürfen. Gemeint sind damit die Berliner Schulimmobilien und jene, die dem Schulbetrieb zuzuordnen sind.
Auch der Gebäudezustand ist ein Kostenfaktor
In dem Zusammenhang nehmen wir den Gebäudezustand der Schulstandorte in den Blick. Zieht man hier zwischen Berlin und Hamburg oder Berlin und München einen Vergleich, wird deutlich, dass die Bausubstanz der Berliner Schulstandorte schlechter ist. Das liegt daran, dass in Berlin in die Instandhaltung und Neuerrichtung über Jahre unzureichend investiert wurde. Folglich entspricht der bauliche Zustand vieler Berliner Schulen auch nicht den zeitgemäßen Energiegesetzmäßigkeiten. Innerhalb der Sachkosten werden die Energiebereitstellungskosten in einer Grobschätzung mit fünf bis zehn Prozent benannt. Schulen, die im Unterhalt vernachlässigt wurden oder aufgrund ihrer älteren baulichen Substanz energetisch schwer aufgewertet werden können, sind entsprechend dem höheren Kostensegment zuzuordnen. Am Beispiel Hamburgs lässt sich sagen, dass bei circa 200.000 Schüler*innen 2014 jährlich 40 Millionen Euro Energiekosten anfielen. Das entsprach je Schulplatz Aufwendungen in Höhe von 200 Euro (fünf Prozent) im Jahr.
Hamburg hat in den letzten Jahren intensiv in den Schulneubau investiert. Die durchschnittliche Gebäudeklasse der Schulgebäude verbesserte sich von 3,53 im Jahr 2013 auf 2,47 im Jahr 2023 (1 entspricht einem sehr guten, 6 einem unbrauchbaren Gebäudezustand). Die Investitionsbereitschaft hält zudem an. Für Berlin gibt es dazu leider keine konkreten Aussagen.
Zu spät und damit zu teuer
Die Berliner Schulbauoffensive wurde im Vergleich zu Hamburg später eingeleitet, um den erheblichen Sanierungsstau und die fehlenden Schulplätze zu kompensieren. Die Daten beider Investitionsprogramme lassen die Annahme zu, dass die Berliner Schulgebäude in der Gesamtdarstellung älter und in einem schlechteren Zustand sind. Auch im Vergleich zu München, das seit 2015 im Standardraumprogramm ist, schneidet Berlin schlechter ab. Wie signifikant die Energiekosten aufgrund des Energieverbrauchs in Abhängigkeit vom Gebäudezustand sind, kann man mithilfe der Hamburger Energiekostenberechnung auch für Berlin vereinfacht abbilden.
Geht man aufgrund des schlechteren Berliner Gebäudezustandes von einem Energiekostenanteil von 7,5 bis 10 Prozent aus, hätte das 2014 bei circa 400.000 Schulplätzen 120 bis 160 Millionen Euro im Jahr zur Folge gehabt. Bezogen auf einen Schulplatz wären das 350 bis 400 Euro im Jahr.
In Anbetracht der inzwischen stark gestiegenen Energiekosten, ist eine Verdopplung der Kosten zu 2014 nicht auszuschließen.
Die Berliner Schulbauoffensive ist zu einer Zeit eingeleitet worden, zu der die Baukosten überproportional stiegen. 2016 wurden für einen Neubau von 84.000 Schulplätzen 2,8 Milliarden Euro kalkuliert. Auf den Schulplatz umgelegt wären das 33.333 Euro. Neuere Berichte weisen jedoch darauf hin, dass die Kosten erheblich höher liegen. So kalkuliert die Berliner Finanzverwaltung mittlerweile mit Herstellungskosten von bis zu 135.000 Euro je Schulplatz. Die gestiegenen energetischen Standards haben daran einen wesentlichen Anteil. Sollten die Berichte zutreffen, würden die Neubaukosten auf 11,34 Milliarden Euro ansteigen. Die Annahme, dass unter diesen Umständen eher die Zahl der neu zu errichtenden Schulplätze reduziert wird, ist sicher nicht weithergeholt.
Berlin ist speziell
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die hohen Kosten pro Schulplatz durch berlinspezifische kostensteigernde Faktoren signifikant mitbestimmt werden:
Der Sanierungsstau und das Alter der Schulgebäude, die höheren Energiekosten aufgrund nicht zeitgemäßer Energiestandards, die gestiegenen Baukosten, die steigenden Schüler*innenzahlen, neu zu errichtende Schulgebäude und höhere Kosten aufgrund dezentraler und aufwachsender Verwaltungsstrukturen.
Der letzte Punkt ist nicht unwesentlich, da die Berliner Verwaltung auch auf die Anmietung von Büroräumlichkeiten angewiesen ist. Mietverträge können ein Kostentreiber sein. Allein für das Berliner Fort- und Weiterbildungszentrum wurden im vergangenen Jahr 17.000 Quadratmeter Bürofläche im »Westend Office« angemietet. Auch die zahlreichen Abordnungen von Lehrkräften, die dem Unterricht im Laufe der Jahre entzogen wurden und die Berliner Bildungsverwaltung aufwachsen ließ, tragen letztlich zum Anstieg der Kosten je Schulplatz bei.
Rückblickend ist die Berliner Bildungspolitik über die letzten 20 Jahre mehr zu einem Tagesgeschäft geworden und weniger Ausdruck durchdachter konzeptioneller Intentionen. Ungeachtet der Regierungsparteien und deren Haushaltsnöte gibt es keine Bildungspolitik in dieser Stadt, die durch planvolle Entwicklungsschritte geprägt ist und die auf Tragfähigkeit setzt. Stattdessen werden die Schulen und insbesondere das Leitungspersonal stetig einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt, bei dem nach dem sporadischen Aufbau der umgehende Abriss folgt.
Zwischen der Deutschen Bahn und der Berliner Bildungspolitik gibt es eine große Gemeinsamkeit: Beide schauen neidvoll auf einen erfolgreichen Nachbarn. Die Deutsche Bahn schaut auf die Schweiz und die Berliner Bildungsverwaltung auf Hamburg, geholfen hat es beiden bislang nicht.