Standpunkt
Kreativer, flexibler, offener!
Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Folter. Um ihnen schnell zu helfen, muss die Bürokratie endlich umdenken.
Es ist Krieg in Europa, Millionen Menschen flüchten vor Krieg und Zerstörung. Und Berlins Bürokratie ist mal wieder überfordert. Dass die Verwaltungsbehörden der deutschen Hauptstadt zum Dauerärgernis gehören, ist weithin bekannt. Dass es aber seit der Flüchtlingskrise 2015 keinerlei Fortschritte gab, ist schlichtweg skandalös. Mit einem Blick auf das kleine EU-Land Litauen wird bewusst, wie rückständig die hiesige Bürokratie ist. Litauen hat mit 2,8 Millionen Menschen rund eine Million weniger Einwohner*innen als die Bundeshauptstadt und verfügt bei weitem nicht über die finanziellen wie wirtschaftlichen Ressourcen des Bundeslandes Berlin. Und dennoch hat es (zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels) mit etwa 40.000 Ukrainer-*innen mehr Menschen je Einwohner*in aufgenommen als Berlin. Nahezu reibungslos arbeiten in Litauen die Behörden, die mehr als 17.000 freiwilligen Helfer*innen und Flüchtlingsorganisationen Hand in Hand. So werden die Ankommenden nicht erst bei den Migrationsämtern im Land, sondern bereits mithilfe mobiler Melde- und Hilfsstationen an der polnisch-litauischen Grenze registriert. Das beschleunigt Wohn-raumzuweisungen, Job- oder Weiterbildungsangebote. Dabei verpflichtet der Staat die ukrainischen Einreisenden zu nichts und lässt ihnen die freie Niederlassungswahl. Zudem besteht zwischen den Kommunen und den NGOs eine enge Koordination, die dafür sorgt, dass die Geflüchteten viele Anlaufstellen haben, die ihnen unnötige Wege ersparen. So etwa zum Beispiel in Schulgebäuden, in denen Migrationsstellen errichtet wurden. Darin arbeiten neben Beamt*innen auch NGOs wie die Caritas, der Malteser-Verein, das Kinderhilfswerk. Vieles läuft ohnehin in der baltischen Republik papierlos und online. Auf diese Weise hat das litauische Bildungsministerium bereits ein landesweites Netzwerk für über 6.000 Kita-Kinder und Schüler*innen geschaffen, um Klassenräume zu organisieren oder Onlineunterricht zu ermöglichen. Hierbei werden keine parallelen Schulstrukturen befürchtet, ganz im Gegenteil. »Es ist nicht unsere Absicht aus den ukrainischen Migranten Litauer zu machen. Wir wollen Angebote schaffen, damit sich die Ukrainer als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft fühlen und zwar als Ukrainer«, sagte der Sprecher des Bildungsministeriums, Julius Lukošius.
Natürlich sind die Litauer*innen besonders motiviert, weil sie sich durch die russische Aggression gegen die Ukraine selbst bedroht fühlen und sicher sind, dass sie Putins nächstes Ziel sein könnten. Der Kern der hocheffizienten litauischen Geflüchtetenhilfe liegt aber in der flexiblen Arbeitsweise der staatlichen Behörden mit den agilen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Mit Blick auf die Berliner Bürokratie muss man genau das einfordern: Mehr Offenheit, mehr Fantasie, mehr Beweglichkeit. Dass es ausgerechnet in der Demo-Hauptstadt Berlin an kreativen Lösungen im Bereich der Geflüchtetenhilfe fehlt, liegt nicht an der Faulheit oder Dummheit der Beamt*innen, sondern es ist ein Ausweis mangelnder politischer Haltung.