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Recht & Tarif

Mehr Frauen in Leitung

70 Prozent der Beschäftigten an Schulen sind Frauen. Doch in besser bezahlten Positionen sind sie unterrepräsentiert. Frauenvertreterinnen arbeiten daran, das zu ändern.

Foto: Christoph Wälz

In der Berliner Schule hat jeder siebte Mann, aber nur jede elfte Frau eine Funktionsstelle inne. Hinter dieser Zahl stehen sehr unterschiedliche Motivationslagen von Frauen, sich nicht auf Funktionsstellen zu bewerben sowie eine Verkettung ungünstiger Rahmenbedingungen.

Die Strukturen machen es für Frauen wenig attraktiv, sich beruflich einer großen Verantwortung mit viel zeitlichem Aufwand zu stellen, wenn sie gleichzeitig zu Hause eine sehr hohe Familienverantwortung tragen.

Hier setzt die Arbeit der 13 regionalen Frauenvertreterinnen der Schulregionen an, denn sie arbeiten entlang dieser Problematik. Sie beraten die weiblichen Beschäftigten und die Senatsbildungsverwaltung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weisen die Behörde auf Themen mit Diskriminierungsbezug hin und fordern stetig Transparenz ein. Die jeweilige Frauenvertreterin ist an allen personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen des gesamten Personals zu beteiligen und beanstandet gegebenenfalls Verstöße gegen das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) oder gegen den Frauenförderplan.

Sind Frauen weniger als hälftig in einem Funktionsamt oder Führungsamt repräsentiert, greift die gesetzliche Vorgabe des LGG. Der Paragraph 8 LGG sieht vor, dass eine Frau in diesem Fall bei gleichwertiger Qualifikation einem männlichen Mitbewerber vorgezogen wird – unter Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit. Dies ist ein Instrument, auf dessen Einsatz die Frauenvertreterin bestehen kann, um die strukturelle Benachteiligung in einem konkreten Stellenbesetzungsverfahren zu beseitigen.

 

Funktionsämter in Teilzeit auszuüben, ist schwierig

 

»Eine Teilzeitbeschäftigung steht der Übernahme einer Führungsposition nicht entgegen«, so steht es im aktuellen Frauenförderplan der Berliner Schulen. Dies geht konform mit dem LGG und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2015. Im Schulalltag besteht jedoch folgendes Problem: in Berlin lässt sich eine Funktionsstelle formal nur reduzieren, indem das Unterrichtsdeputat verringert wird. Die Aufgaben, die mit der Funktion einhergehen, müssen gemäß LGG neu bemessen werden, um diese Tätigkeit in Teilzeit konkret festzulegen. Das könnte beispielsweise in einem Gespräch zwischen Schulleitung und der Beschäftigten erfolgen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes sieht auch vor, dass Funktionsstelleninhaber*innen anderweitig entlastet werden können. Dies könnte aus der Perspektive der Schulleitungen unattraktiv sein, denn keine andere Person kann Teile der Funktionstätigkeit vergütet übernehmen. Gehen Funktionsstelleninhaber*innen jedoch in Teilzeit, haben sie das Recht, diese Arbeit in Teilzeit erledigen zu dürfen. Folgende Möglichkeiten bestehen aktuell im Umgang damit: ein Teil der Arbeit bleibt liegen oder eine weitere Kolleg*in erhält Stunden, um Teile der Funktionsstellentätigkeit zu erledigen. In Zeiten starken Personalmangels wird Letzteres an vielen Schulen kaum möglich sein. Beides macht die Ausübung einer Funktionsstelle in Teilzeit unattraktiv. Im Jahr 2022 arbeitete mehr als ein Drittel der Lehrkräfte in Teilzeit, davon waren fast 80 Prozent Frauen.

Die Bewerbungen von weiblichen Beschäftigten auf Funktionsstellen für die Grundschulen und Förderzentren liegen bei etwa 70 Prozent. An den Gymnasien sind es dagegen nur etwa 50 Prozent Frauen, bei einigen Positionen sogar weniger. Eine mögliche Ursache könnte fehlende Transparenz sein: Welche Stellen sind an meiner Schule ausgeschrieben? Wie gehe ich ein Stellenbesetzungsverfahren am besten an? Welche Chancen habe ich gegen Mitbewerber*innen? Wie positioniert sich meine Schulleitung dazu, wenn ich mich bewerbe? Zu diesen Fragen berät die jeweilige Frauenvertreterin die weiblichen Beschäftigten.

Die aktive Frauenförderung ist Aufgabe des Führungspersonals. Frauenförderung hat Verfassungsrang, denn sie ist im Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschrieben und soll so lange erfolgen, bis die Gleichstellung erreicht ist. Der Artikel 3 wurde als Grundsatz auch in das LGG übernommen. Einige Maßnahmen des aktuellen Frauenförderplans der Berliner Schulen setzen hier an: Fortbildungen der Schulaufsicht nur für Bewerberinnen, regelmäßige Teilnahme des Führungspersonals an gleichstellungsrelevanten Fortbildungen, Beratung zur beruflichen Förderung durch Schulleitungen in den Jahresgesprächen.

 

Gewerkschaftsarbeit hilft Strukturen zu verbessern

 

Der Handlungsspielraum der Frauenvertreterin ist durch das Landesgleichstellungsgesetz klar abgesteckt. Die Gewerkschaft kann als Interessensverband der Beschäftigten hingegen einen breiten Ansatz verfolgen. Interessante und erfolgversprechende Ideen der letzten Jahre wurden innerhalb der Gewerkschaft von uns Frauenvertreterinnen angestoßen und unterstützt, maßgeblich von der Gesamtfrauenvertreterin Elke Gabriel und ihrer Stellvertreterin Friederike Peiser. Die Ideen bezogen sich beispielsweise darauf, eine Jobsharing-Option für den Bereich der Schulleitung anzuschieben, Funktionsämter in Grundschulen zu etablieren und die Karrieremöglichkeiten für Erzieher*innen auszubauen. Denn nicht alle Berufsgruppen der Berliner Schule haben wie die Lehrkräfte an weiterführenden Schulen mehrere berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Die Behörde hat inzwischen ein Jobsharing-Modell auf den Weg gebracht und die Funktionsstellen Fachleiter*in für Deutsch und für Mathematik für die Grundschule geschaffen. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung Gleichstellung.

 

 

frequently asked questions (FAQ) an eine Frauenvertreterin

 

Warum gibt es eine Frauenvertreterin, aber keinen Männervertreter?

Frauen werden strukturell benachteiligt und die Gleichstellung der Geschlechter gemäß Art. 3 GG ist nicht durchgesetzt. Frauen übernehmen noch immer den Großteil der Familienarbeit und brauchen daher gute familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Dies belegen unter anderem die Zahlen des aktuellen Frauenförderplans, beispielsweise zu Unterrepräsentanz und Teilzeit.

 

Wer kümmert sich um männliche Beschäftigte und Menschen mit diversem Geschlechtseintrag?

Der Personalrat kümmert sich um die dienstlichen Anliegen aller Beschäftigten. Der Personalrat ist ein großes Gremium, so dass mehrere Personen zur Auswahl stehen, um sich um die Belange von Männern, Frauen und Menschen mit diversem Geschlechtseintrag zu kümmern.

 

Warum kümmert sich die Frauenvertreterin nicht um Diversity?

Die Frauenvertreterin arbeitet auf der Basis des Landesgleichstellungsgesetzes. Dieses fokussiert die Benachteiligung von Frauen. Andere (strukturelle) Diskriminierungen werden von diesem Gesetz nicht erfasst, beispielsweise aber vom Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG).

 

Wie genau kann mich eine Frauenvertreterin denn unterstützen?

Deine Frauenvertreterin kann dich in deinen dienstlichen Anliegen unterstützen, um strukturelle Diskriminierungen zu vermeiden, beispielsweise bei einer Umsetzung, bei Fragen zu Stellenbesetzungs- oder Auswahlverfahren, sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz, in Konfliktfällen, Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vielem mehr.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46