Schwerpunkt "Demokratie macht Schule"
Mitmischen erwünscht
Über 300 spannende Projekte nehmen jedes Jahr am Bundeswettbewerb Demokratisch Handeln teil. Die Projektleiterin Daniela Danz zeigt, wie vielfältig die Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist.
bbz: Worum geht es bei Demokratisch Handeln?
Danz: Seit über 30 Jahren trägt der Bundeswettbewerb Demokratisch Handeln dazu bei, Projektarbeit an Schulen und Freizeiteinrichtungen zu stärken. Wir rufen Kinder und Jugendliche auf, sich für Demokratie zu engagieren. Engagement für Demokratie kann viele Formen haben. Wir suchen vor allem Projekte, in denen sich Kinder und Jugendliche mit eigenen Ideen für demokratische Prozesse in der Gemeinde, in der Schule, in Jugendeinrichtungen oder an anderen Orten einsetzen. Kurz: in denen sie demokratisch handeln. Bis zum 15. Dezember jeden Jahres können sich Kinder und Jugendliche alleine, in Gruppen oder in einem Team mit Lehrer*innen, Jugendarbeiter*innen oder Eltern mit ihrem Projekt bei unserem Wettbewerb bewerben. Eine Jury wählt 50 Projekte aus, die zu unserer Preisträger*innenveranstaltung, dem Junify Demokratiefestival in Berlin, eingeladen werden. Seit diesem Jahr gibt es auch Sonderpreise, wie zum Beispiel den Film- oder Kita-Preis.
Nach welchen Kriterien wählt ihr die Projekte aus?
Danz: Alle ausgezeichneten Projekte sind besonders partizipativ, das heißt, sie wurden vor allem durch die Kinder und Jugendlichen selbst gestaltet. Wir sprechen alle jungen Menschen in allen Schulformen und im außerschulischen Bereich an, denn wir denken, Demokratie darf keine Elitenbildung sein. Daher schauen wir besonders auf den Prozess und was mit welchen Ressourcen erreicht worden ist. Wir sind kein reiner Leistungswettbewerb, sondern vor allem auch Motivations- und Wertschätzungswettbewerb.
Was ist das Junify Demokratiefestival?
Danz: Unsere Preisträger*innenveranstaltung, das Junify Demokratiefestival, sind drei Tage Demokratie pur. Zum Festival laden wir rund 150 engagierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus ganz Deutschland nach Berlin ein. Sie finden Partnerprojekte, mitunter neue Freund*innen, nehmen an Workshops teil und bringen Anregungen sowie Ideen mit nach Hause. Vor allem genießen sie die Festivalatmos-phäre mit Musik und anderen gemeinsamen Aktivitäten. Das Demokratiefestival ist ein Ort der Begegnung. Die verschiedenen Projekte werden einander vorgestellt, aber darüber hinaus können die Teilnehmer*innen auch viele neue Erfahrungen machen.
Inwiefern tragen Kinder und Jugendliche etwas zu gelebter Demokratie bei?
Danz: Ohne sie geht es nicht, und ihr Recht auf Mitbestimmung ist nicht nur gesetzlich verankert, sondern Kinder und Jugendliche nehmen gerne an demokratischen Prozessen teil, wenn ihnen der Raum dafür gegeben wird. Kinder und Jugendliche sind in einer Demokratie genauso wichtig wie Erwachsene. Es ist wichtig, dass sie Erfahrungen machen können und positive Erlebnisse haben, wenn sie Demokratie erleben. Demokratie muss erlebt, und kann nur in Teilen gelehrt werden. Daher müssen wir Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, sich erfolgreich einbringen zu können. Wenn Kinder und Jugendliche sich einbringen, dann haben sie oft tolle Ideen und es kommt Großartiges dabei heraus. Die Beispiele des Wettbewerbs zeigen, wie Kinder und Jugendliche in ihrem Lernumfeld die Demokratie vielfältig stärken.
Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Danz: Das fängt schon mit der Gestaltung des kommunalen Umfelds an. Ob Gespräche mit Politiker*innen vor Ort, ob ein Engagement in Institutionen vom Krankenhaus bis zur Senior*inneneinrichtung, ob in lokalen Unternehmen, immer geht es um das Mitmachen und den Austausch. Oder die Mitsprache auf Schulebene, wie zum Beispiel bei politischer Mitbestimmung in Schüler*innenvertretungen und Kinderparlamenten, in der Redaktion der Schüler*innenzeitung oder in einer Arbeitsgemeinschaft. Kinder und Jugendliche zeigen auf vielen Ebenen, dass sie mitgestalten möchten und können. Wir gestalten die Zukunft der Demokratie in Verantwortung und Freiheit auch mit Blick auf die Vergangenheit. Manche Projekte verbinden Erinnerung und Zukunft, denn auch Erinnern trägt zu einem guten Miteinander bei. Viele Kinder und Jugendliche interessieren sich für Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen, für das Verhältnis von Mensch und Natur ebenso wie für globale Entwicklungsfragen und nachhaltiges Handeln.
Was waren Projekte, die Ihnen besonders gut gefallen haben?
Danz: Zum Beispiel die Gefangenenzeitung »Popshop« aus Bielefeld. Da hat eine Schule mit Jugendlichen der JVA Herford kooperiert. Oder das Kohlengräberlandprojekt der Erich-Fried-Gesamtschule aus Herne, wo sich Schüler*innen nicht nur mit Regionalgeschichte beschäftigen, sondern diese, zum Beispiel mittels eines*r Stadtführers*in oder einer Homepage, weitergeben. Die Teilnehmenden setzten sich auch gegen die Bebauung eines ehemaligen Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeitslager ein und forderten stattdessen eine Gedenkstätte an dem Ort. Auch das Projekt über »Jüdisches Leben in der Gemeinde Nohfelden« hat mir besonders gut gefallen. Dort forschen die Jugendlichen seit fast sieben Jahren und präsentieren ihre Ergebnisse auf vielfältige Weise der Gemeinde. Wir haben auch immer tolle Grundschulprojekte. Der Miteinander-Podcast der Kinder der Grundschule Bad Münder war zum Beispiel toll (siehe Seite 15). Er stärkte die Schulgemeinschaft während des Lockdowns und signalisierte Zusammenhalt und Sicherheit.
Wo können sich Kinder und Jugendliche noch engagieren?
Danz: Der Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen findet vor allem in der Familie und der Schule statt, aber auch im Jugendclub oder im Verein. Demokratisches Handeln ist nicht auf die Schule begrenzt, sondern umfasst auch das weitere Lebensumfeld im Jugendzentrum oder in einer Jugendorganisation. Demokratisches Handeln beginnt im Alltag. Daher möchten wir auch noch mehr Projekte außerhalb von Schulen gewinnen, die sich am Wettbewerb beteiligen. Viele Jugendclubs leisten großartige Arbeit in Hinblick auf die Stärkung demokratischer Kompetenzen. Nicht immer haben Jugendliche im schulischen Rahmen die Möglichkeit, sich einzusetzen – und dann tun sie es außerhalb der Schule.
Was hat sich seit Corona für die Preisträger*innenveranstaltung verändert?
Danz: Wir konnten uns nur digital treffen. Das hat aber erstaunlich gut geklappt, da wir gut vorbereitet waren. Wir konnten auch digital Planspiele, wie zum Beispiel zur Seenotrettung durchführen oder hatten Angebote mit Tanz und Bewegung. Die digitale Müdigkeit hat aber zugenommen, das spüren wir auch. Wir konnten Influencer*innen wie Esra Karakaya für uns gewinnen und haben unsere Social-Media-Präsenz ausgebaut. Wir hoffen, dass das Demokratiefestival in diesem Jahr wie geplant in der »Weißen Rose« in Berlin-Schöneberg, stattfinden kann.
Was macht Demokratisch Handeln sonst und was würden Sie sich wünschen?
Danz: Wir arbeiten gerade an Open Educational Resources (OER)-Materialien, um unser Know-how weiterzugeben. Außerdem arbeiten wir am Ausbau unseres Regionalnetzwerkes, damit künftig in noch mehr Bundesländern Regionalberater*innen zur Unterstützung und Beratung der Projekte zur Verfügung stehen. Zusätzlich wollen wir auch unsere Reichweite im außerschulischen Bereich weiter ausbauen.