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bbz 09 / 2019

Nachhaltig von Anfang an

»Fridays for Future« verschafft dem Thema Nachhaltigkeit auch in den Kitas mehr Aufmerksamkeit

Jede*r kennt den Spruch über den nicht leer gegessenen Teller und die hungernden Kinder in Afrika. Was hat dieser Satz mit den aktuellen Debatten zu Fridays for Future oder dem Klimawandel zu tun? In dem Satz steckt der moralische Anspruch, nichts unnötig wegschmeißen zu müssen.

Dieser Anspruch tritt in neuer Form nun bei den aktuellen Debatten wieder zu Tage. Der allgemeine Tenor ist: Verzicht. Das ist insofern löblich, als dass die Schüler*innen ihre eigene Lebenswelt reflektieren und sich selbst nicht bei ihren Forderungen an die Politik der Erwachsenen ausklammern, sondern auf eine nachhaltige Lebensführung achten wollen. Und dabei eben das Machbare und Umsetzbare diskutieren. Kurzum stellt sich jede*r solche Fragen: Muss die Fernflugreise sein, und was ist mit dem ausgiebigen Fleischkonsum und dem ganzen Plastik im Supermarkt?

Nun zur Kita. Die Frage ist, ob wir den aktuellen Anspruch der Schüler*innen in die Kita übertragen können. Man sollte es, mag der eine oder die andere einwerfen. Denn in der Kita lernen die Kinder fürs Leben. Bei mir in der Kita muss kein Kind sitzen bleiben und das Essen auf dem Teller aufessen. Diese Praxis ist relativ neu und bewirkt, dass Tränen, die die Kinder während des Aufessens weinen (könnten), ausbleiben. Was machen also die Kinder, wenn sie nicht mehr können? Sie schmeißen das übrig gebliebene Essen in die bereit gestellten Mülleimer, schön getrennt nach Plastik und Restmüll. In den Plastikeimer kommen zum Beispiel Joghurtschalen oder Eisbecher.

Verschenken, was zu viel ist

Ich muss sagen, dass ich das Konzept meiner Kita sehr gut finde. Es hat bei mir gedauert, bis ich akzeptieren konnte, dass all das Essen wegschmissen wird. Also wirklich auf dem Müll landet. Wenn ich aber bedenke, dass auch das Essen, das zu viel gekocht wurde, auf dem Müll landet, dann möchte ich nicht die moralische Gretchenfrage bei den Kindern ansetzen. Die Kleinen können nichts dafür. Und durch unser Konzept haben sie die Möglichkeit, praktisch zu lernen, wie viel sie schaffen können und wie viel sie besser nicht auf ihren Teller schaufeln sollten. Natürlich greife ich hier und da mal ein und weise auf die Erfahrungen der letzten Tage hin. Und meistens sind die Kinder dann auch einsichtig.

Ich finde, dass es den Mitarbeiter*innen, die wollen, erlaubt sein sollte, das übrig gebliebene Essen mitzunehmen. Das geht nämlich nicht. Weil es Eigentum des Trägers ist. Und weil der Grundsatz der Gleichbehandlung eine Klagbarkeit nach sich ziehen kann, falls eine Kolleg*in vielleicht ein paar weiche Nudeln mehr bekommen hat als die andere Kolleg*in. Auch der Umstand, dass das Essen schon verdorben sein könnte und die Kolleg*innen ihren Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagen könnten, führt dazu, dass das Essen der Kita auf dem Müll landet. Das ist aber kein Phänomen meines Trägers. Es ist traurigerweise in ganz Deutschland so. In sämtlichen Großküchen wird aus hygienischen Gründen das Essen weggeschmissen, der Kaffee des Frühstücksbuffets weggekippt, ja sogar das Obst muss erneuert werden. Obwohl wir es mit ausgebildeten Köch*innen zu tun haben und diese einschätzen könnten, ob das Obst schon schlecht ist oder nicht. Das wäre übrigens etwas, was wir den Kindern wunderbar und veranschaulicht beibringen können. Und auch machen. Denn zum Glück wird das Obst zur Vesper nicht durch eine Küchenkraft geschnibbelt. Sondern zur Veranschaulichung durch die Kolleg*innen, zusammen mit den Kindern. Und dabei eben auch mal das sichtbar vergammelte Obst aussortiert.

Ich finde, dass durch dieses Beispiel deutlich wird, wie wichtig es ist, die bürokratischen Hürden, die wir uns ja selbst geschaffen haben, zu überdenken. Es gibt Supermärkte, die Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, zum Verschenken anbieten. Auf eigene Verantwortung. Das sollten wir für die Großküchen im Land einführen. Dann kann Lotte auch mal die Wirsingsuppe wegkippen.