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bbz 06 / 2017

Neue Schulen braucht das Land

Die riesigen Herausforderungen beim Schulbau sind auch eine Chance für die Stadt. Alle neuen Berliner Schulen müssen den pädagogischen Anforderungen der inklusiven Ganztagsschule entsprechen

Schulbau ist aktuell eines der wichtigsten bildungspolitischen Themen. Zahlreiche Schulen müssen saniert werden und in den nächsten Jahren sollen aufgrund der stetig steigenden Schüler*innenzahl 70 bis 80 neue Schulen entstehen. Jahrelang wurde der Schulbau vernachlässigt. Weil tausende Schulplätze fehlen, werden Klassenräume vollgestopft und Abstellräume zu Klassenzimmern umgebaut. Die sanierungsbedürftigen Schulen haben mit stinkenden Toiletten, morschen Fenstern oder bröckelndem Putz zu kämpfen. Auf diesen desolaten Zustand weist die GEW BERLIN seit Jahren hin.

Der Schulneubau ist eine große Chance, Schule in Berlin neu zu denken. Vor diesem Hintergrund diskutierten Pädagog*innen, Architekt*innen, Eltern, Schüler*innen, Verantwortliche aus der Schulverwaltung und Bildungspolitik bei der GEW-Konferenz »Werkstatt Schulbau« gemeinsam: Was brauchen moderne Schulen? Wie kann die Schulgemeinschaft mitgestalten? Welche Rahmenbedingungen sind für die Arbeit der Pädagog*innen von Bedeutung?

Mit der Fachkonferenz wollten wir den Blick nach vorne richten und die verschiedenen Akteur*innen mit ihren jeweiligen Professionen und Perspektiven zusammenbringen. Für uns als Bildungsgewerkschaft GEW ist klar, dass es für gute Pädagogik und gute Arbeit auch geeignete Räume braucht. Der Raum hat einen großen Einfluss auf alle Personengruppen in der Schule. Gute Arbeitsbedingungen für Pädagog*innen gehen einher mit guten Schulgebäuden.

Schule ist heute ein Lern- und Lebensort

Immer wieder ist vom Raum als drittem Pädagogen die Rede. Überall, wo Kinder lernen, hat neben den Mitlernenden und den Pädagog*innen die Lernumgebung den größten Einfluss auf den Lernerfolg. Die meisten Schulen in Berlin sind heute Ganztagsschulen. Sie sind Lern- und Lebensort für Kinder und Jugendliche und auch für die Pädagog*innen. Formelles und informelles Lernen gehen ineinander über. Unterricht und Freizeitgestaltung finden an der Schule im Wechsel statt. Zeitgemäßer Unterricht orientiert sich an vorbereiteten Lernumgebungen und am freien, kooperativen Lernen. Gerade in der Grundschule wird frontales Lernen immer weniger praktiziert. Kurzum, die alte Flurschule wird moderner Pädagogik nicht mehr gerecht.

Bei Schulneubauten und zum Teil auch beim Umbau muss es darum gehen, eine Lernumwelt zu schaffen, in der die Schüler*innen lernen, selbständig zu lernen. Hierfür braucht es innovative Raumkonzepte. Gute Schulen brauchen ausreichend Räume mit verschiedenen Funktionen. In einigen Räumen kann still an einem Lernobjekt gearbeitet werden, in anderen Räumen können Kinder Experimente durchführen oder gemeinsam ein Theaterstück proben. In wieder anderen Räumen können sie sich austoben oder auch mal zur Ruhe kommen und sich etwas zurückziehen. In Schulen muss es verschiedene Arbeitsbereiche geben, Einzel-, aber auch Gruppentische, einen Teppich, ein Podest, gemütliche Sitzgelegenheiten. All das braucht die moderne Schule, damit sie den verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden kann.

Die Berliner Schule wird zunehmend inklusiv. Bereits jetzt lernen über 60 Prozent aller Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Regelschule. Das ist ein deutlicher Fortschritt, den wir ausdrücklich begrüßen. Manche Kinder brauchen ab und zu eine Auszeit, manche können sich besser konzentrieren, wenn sie nur mit wenigen Mitschüler*innen in einem Raum lernen. Dafür müssen Schulen ausreichend Platz haben. Schulen müssen barrierefrei gebaut werden. Das bedeutet nicht nur Rampen, sondern zum Beispiel auch Farbkonzepte, Handläufe und vernünftige Schalldämpfung.

Das Modell »eine Klasse, ein Klassenraum« ist heute nicht mehr praktikabel. Sanierungen und Neubau von Schulen müssen der Pädagogik des 21. Jahrhunderts Rechnung tragen. Manche Kollegien tun sich mit der Gestaltung der inklusiven Pädagogik schwer. Es wäre sehr hilfreich, wenn wenigstens die Schulgebäude fit dafür wären.

Erfolgreich sind Schulumbauten immer dann, wenn sie als Gesamtprojekt verstanden und auch in der Schule gelebt werden. Schüler*innen, Pädagog*innen und Eltern müssen mitdenken und -bauen dürfen. Hier gibt es bereits gute Beispiele von Berliner Schulen. Bei der Erika-Mann-Schule wurde jeder Architekt*innenentwurf vom Schüler*innenparlament abgestimmt. Die Kinder haben erlebt, dass sie selbst etwas tun und bewirken können. Wenn man Bauprojekte so anlegt, dann können die Beteiligten sich mit der Schule identifizieren und sie tatsächlich als Lebens- und nicht nur als Lernort wahrnehmen.

Die Zeit drängt

Die von der Senatsverwaltung eingerichtete Facharbeitsgruppe Schulraumqualität hat im Februar ihre Empfehlungen für moderne, neue Schulen vorgestellt. Diese wurden in wenigen Monaten – auch unter Beteiligung der GEW BERLIN – erarbeitet. Wichtig war und ist uns, dass alle neuen Berliner Schulen den pädagogischen Anforderungen der inklusiven Ganztagsschule entsprechen und auch die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden. Die Empfehlungen sind eine gute Grundlage für die Neuorientierung beim Schulneubau. Der Ausbau der Teamzonen ist zwar ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum aktuellen Zustand, wir hätten uns aber gerade beim Thema Arbeitsplätze noch präzisere und weitergehende Vorgaben gewünscht. Auch die Frage, wie die Ganztagsschule zukünftig gestaltet sein wird, ist mit dem Bericht nicht ausreichend beantwortet.

Nun kommt es auf die Umsetzung der Empfehlungen an. Schnell müssen verbindliche Vorgaben gemacht und die Genehmigungsverfahren neu geregelt werden. Die Finanzierung muss sichergestellt werden. Unklar bleibt, wie das Ziel erreicht werden kann, die bisherige Verfahrensdauer zu halbieren.

Bausenatorin Katrin Lompscher hat bereits einen Teil des Genehmigungsverfahrens von den Bezirken auf ihre Verwaltung verlagert. Hier wünschen wir uns Transparenz und Klarheit. Die Bilanz von Rot-Rot-Grün wird in gut vier Jahren auch daran gemessen, wie erfolgreich der Prozess für die Schulneubauten gewesen sein wird.

Mehr Infos zum Schulbau unter www.gew-berlin.de/16920.php

Bericht der Facharbeitsgruppe Schulraumqualität der Senatsbildungsverwaltung: www.berlin.de/schulbau/konzept/schulraumqualitaet-782921.php


Dieser Artikel ist Teil des bbz-Themenschwerpunkts „Inklusive HALTUNG“ [zur gesamten Ausgabe]