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bbz 11 / 2015

Bessere Rahmenbedingungen wären willkommen

Erfolgreiches Arbeiten in den Willkommensklassen wird durch die mangelhafte Infrastruktur erschwert. Qualifizierte QuereinsteigerInnen müssen besser integriert, der Austausch mit den regulären Lehrkräften intensiviert und ein Rahmenlehrplan für die Willkommensklassen entwickelt werden.

Lerngruppen für Neuzugänge ohne deutsche Sprachkenntnisse, meist »Willkommensklassen« genannt, werden für Kinder und Jugendliche eingerichtet, damit sie sprachliche Grundkenntnisse erlangen, um dann so schnell wie möglich in den Regelschulbetrieb einsteigen zu können. Der überwiegende Teil der SchülerInnen in diesen Klassen hat einen Flüchtlingsstatus. Momentan gibt es in Berlin 471 Willkommensklassen. Die Tendenz ist steigend. Alle schulpflichtigen Personen, deren Registrierung abgeschlossen ist und die in einer Unterkunft untergebracht sind, haben Anspruch auf einen Schulplatz in Berlin. Die anstehenden Integrationsaufgaben sind hier im Land Berlin nicht unbekannt. An vielen Schulen gehört es bereits zum Alltag, Kinder mit Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten. Die Umstände und Rahmenbedingungen erfordern besondere Sorgfalt und Aufwand in der Organisation dieser Klassen.

Die aktuellen schulpolitischen Rahmenbedingungen erschweren es aber, die SchülerInnen bei einem guten Start in Berlin zu unterstützen.

471 Klassen und kein Lehrplan

Da Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) keine regulären Ausbildungsfächer für Lehrkräfte sind, sind viele KollegInnen nicht ausreichend für die Herausforderung qualifiziert. Der Senat bietet zwar Fort- und Weiterbildungen an, schafft aber keine Möglichkeit, eine grundständige Ausbildung im Fach zu erwerben, wenn man schon im Beruf steht. Die KollegInnen, die Erfahrung mit DaF/DaZ in der Erwachsenenbildung gesammelt haben, verfügen häufig über kein Staatsexamen. Deshalb erhalten sie nur befristete Verträge und weniger Gehalt als ihre KollegInnen.

Die Schulbehörde klagt darüber, keine qualifizierten Lehrkräfte für die Klassen zu finden. Gleichzeitig ist sie aber nicht bereit, die Arbeitsbedingungen für QuereinsteigerInnen zu verbessern. Dabei ist klar: Wenn die Arbeit in den Sprachlernklassen keine sichere Perspektive und kein ausreichendes Einkommen bietet, werden sich qualifizierte QuereinsteigerInnen nach anderen Jobs umsehen.

Obwohl in Berlin 471 Vorbereitungsklassen existieren, gibt es keinen Rahmenlehrplan. Lehrkräfte müssen sich so-mit die Unterrichtsinhalte komplett selbst überlegen, noch dazu in einem Fach, das viele von ihnen vorher nie unterrichtet haben. Das hat zur Folge, dass Unterrichtsinhalte und Fächer aber auch das Unterrichtsniveau von Schule zu Schule stark variieren. Während in allen anderen Bereichen die Notwendigkeit berlinweiter Normen betont wird, gibt es in den Willkommensklassen keine einklagbaren Mindeststandards, was Unterrichtsqualität oder auch nur die Fächertafel angeht. In vielen Schulen erhalten die SchülerInnen ausschließlich Deutschunterricht, und das 31 Stunden in der Woche.

Isolation in der Schule

SchülerInnen und Lehrkräfte in den Willkommensklassen sind vom übrigen Schulbetrieb getrennt, häufig schon rein räumlich. Findet der Unterricht nicht direkt in einem separaten Gebäude statt, dann zumindest im vorletzten Winkel der Schule. Die neu eingestellten Lehrkräfte, gerade wenn sie SeiteneinsteigerInnen sind, klagen oft über ihre Isolation innerhalb des Kollegiums. Ein Austausch zwischen Regelklassen- und Willkommensklassenunterricht existiert in vielen Schulen kaum, obwohl die Erfahrungen in den Sprachlernklassen die Lehrkräfte der Regelklassen darauf vorbereiten könnte, die SchülerInnen später zu unterrichten. Häufig ist die Festlegung einzelner Lehrkräfte auf die Klassen so stark, dass Unterricht nicht vertreten wird, sondern die SchülerInnen nach Hause geschickt werden. Diese starke Trennung erschwert den Übergang in die Regelklassen, da sich der Unterrichtsalltag stark unterscheidet. Auch die Zuweisung von Schulplätzen für SchülerInnen, die die Sprachlernklassen erfolgreich abgeschlossen haben, ist nicht zentral organisiert. In der Regel müssen sich die Lehrkräfte um Schulplätze kümmern und für jede einzelne Schülerin und jeden Schüler eine Vielzahl von »Bettelanrufen« starten.

Echte Willkommenskultur schaffen

Am 18. November 2015 organisiert der Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung (LAMA) eine Veranstaltung zum Thema Willkommensklassen. Ziel ist es, die anstehenden Probleme zu sammeln und zu benennen, um auf dieser Grundlage Forderungen zu entwickeln, die eine echte Willkommenskultur schaffen könnten. Denn allen SchülerInnen in Berlin steht es zu, bestmöglich gefördert zu werden. Gleichzeitig bedeuten gute Lernbedingungen auch gute Arbeitsbedingungen: Aktuell können die zahlreichen Leerstellen und Fehlplanungen nur durch persönliche Mehrarbeit der Lehrkräfte ausgeglichen werden. Nur vernünftige Rahmenbedingungen ermöglichen den neuen Berliner SchülerInnen, erfolgreich am Regelunterricht teilzunehmen und entlasten gleichzeitig die KollegInnen.