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Personalratswahlen 2020

Demokratie am Arbeitsplatz

Alle vier Jahre wieder kommt die Personalratswahl. Ab Oktober sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dazu aufgerufen, ihre Interessenvertreter*innen zu wählen.

Children Paper People Holding Hands
Foto: Adobe Stock

Anlässlich der Personalratswahlen in diesem Herbst hat sich die bbz vorgenommen, diesem wichtigen Thema etwas Leben einzuhauchen und dem nicht immer für alle ganz einsichtigen Ringen um die Arbeitnehmer*innenrechte ein Gesicht zu geben. Vier Gesichter, um genau zu sein: Gökhan Akgün, Manuel Honisch, Joana Latorre und Silke Wenzel führen uns durch ihre persönlichen Personalratsgeschichten, die Irrungen und Wirrungen intransparenter Zuständigkeiten und unkollegialer Vorgesetzter, durch eine Chronik großer Erfolge und mancher Enttäuschung.

Was eine Personalrät*in macht

Personalrät*innen treten ein für die Rechte und Interessen ihrer Kolleg*innen, stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite, verhandeln mit den Arbeitgebern und werden laut, wenn es ungerecht zugeht. Sie kämpfen für weniger Belastung am Arbeitsplatz, sie betreiben Aufklärungsarbeit und wahren über die Einhaltung von Verträgen und Schutzbestimmungen. Sie sind die ersten Ansprechpartner*innen beim Wiedereinstieg nach Krankheit und Elternzeit, beim Planen eines Sabbaticals oder bei der Entscheidung für die Arbeit in Teilzeit. Was noch? Silke: »Wir kümmern uns auch um Dienstvereinbarungen, die Abläufe vereinfachen; die Mediation von Konflikten; die Sichtbarmachung von Machtstrukturen.« Bei Joana sind die Dauerbrenner der Einsatz für einen »wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitenden« und für die »Schulung von Fachvorgesetzten, die oft Defizite in der Personalführung haben.« Manuel arbeitet sich gerne durch die Zahlen und Bilanzen, um zu schauen, »dass da alles ordentlich läuft. Man hat den Eindruck, dass dort öfter mal versucht wird zu tricksen, Dinge zu verschleiern.« In Pandemie-Zeiten kommt noch hinzu, »dass die Dienststellen versuchen, mit Corona als Ausrede so manche Arbeitnehmendenrechte einzuschränken«, wie Joana berichtet. Die Aufgaben des Personalrats sind vielfältig, herausfordernd und unerschöpflich. Silke fasst die Aufgabe einer Personalrät*in gerne so zusammen: »Eine Kollegin von mir versteht die Personalräte als Wächter*innen. Ich finde, diese Bezeichnung trifft es gut.«

Warum man Personalrät*in wird

»Ich war schon im Personalrat als stellvertretende Frauenvertreterin«, erzählt Joana, »und irgendwann hat es mich dann über die Nachrücker*innenliste erwischt. Dann habe ich bewusst die Aufgabe übernommen, da mir ganz klar ist, dass Personalratsarbeit eine wichtige Arbeit ist, die auch gemacht werden muss.« Gökhan dagegen wurde schon von Kindesbeinen an auf seine Aufgabe vorbereitet: »Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wird man schon mit der Geburt politisiert.« Dass er sich auch in der Gewerkschaft engagieren will, war Gökhan spätestens dann klar, als sein dritter befristeter Vertrag in Folge dank der GEW entfristet wurde. »Da habe ich gemerkt, wie stark man gemeinsam in einer Gewerkschaft sein kann.« Wer A sagt, muss auch B sagen, und so ließ sich Gökhan in den Personalrat wählen. Für Silke war es der Überdruss über die ewige Quengelei und Unzufriedenheit, ihre eigene und die ihrer Kolleg*innen: »Ich habe versucht, von der ganzen Schimpferei, Hilflosigkeit und Ohnmacht wegzukommen und das große Ganze zu begreifen: Wie entsteht was? Warum entsteht es? Ich wollte das verstehen und dann auch mitgestalten.«

Wie es als Anfänger*in im PR ist

Die Anfangszeit im Personalrat muss kein Bauchklatscher ins kalte Wasser sein. Zum Glück gibt es nämlich die Gewerkschaft und die Kolleg*innen, mit deren Hilfe man garantiert nicht ertrinkt. Gökhan hat die Unterstützung seiner Mitstreiter-*innen noch gut in Erinnerung: »Das Vertrauen des Vorstands war immer da. Die haben gesagt: ›Gökhan mach einfach, probiere es, schreib einfach, sag uns was du brauchst!‹ So konnte ich dort sehr leicht fußfassen.« Bei aller Hilfestellung bleibt es einem jedoch nicht erspart, sich mit der nicht immer ganz rationalen Organisation der Bürokratie auseinanderzusetzen, wie Gökhan trotz aller Unterstützung feststellen musste: »Ein Hauptproblem war das mit den Zuständigkeiten. Angenommen irgendetwas ist kaputt, da denkst du, die Schulaufsicht ist dafür verantwortlich – nein, das Bezirksamt ist verantwortlich, aber wir können das Bezirksamt nicht kontaktieren, weil alles über unsere Dienststelle laufen muss. Die Frage, wer ist für was zuständig, das hat mich am Anfang schon irregemacht.« Auch für Manuel war das Einarbeiten in den Personalrat kein Kinderspiel. »Den groben Überblick« habe er zwar sehr schnell gehabt, »aber im Detail, wie das alles funktioniert, das hat sehr lange gedauert.« Sein Rezept lautet daher, so früh wie möglich im Personalrat anzufangen: »Die Personalräte brauchen natürlich Nachwuchs und es dauert immer eine Weile, bis man richtig eingearbeitet ist. Daher ist es wichtig, dass die Jungen jetzt anfangen im Personalrat, damit sie dann in einigen Jahren mehr Verantwortung übernehmen können. Da werden gute Leute gebraucht und gesucht.«

Was im Personalrat erreicht werden kann

»Einmal sollte der Freizeitbereich einer Grundschule an einen freien Träger übergeben werden«, erzählt Gökhan, »wir konnten das erfolgreich abwehren.« Im Personalrat kann man etwas erreichen, wenn man nur hartnäckig ist und im Team arbeitet, oder wie Joana es ausdrückt: »Man braucht schon einen langen Atem und man muss es wollen.« Mit Ausdauer und Raffinesse haben es Joana und ihr Personalratsteam an ihrer Hochschule geschafft, die entsprechende Anerkennung der Dienststelle zu erkämpfen: »Wir haben eine neue Personalleitung und wir haben ein sehr gutes und produktives Verhältnis zu dieser Personalleitung aufbauen können. Das war nicht so selbstverständlich und in der Vergangenheit auch nicht so gelebt, aber das ist jetzt so.« Außerdem konnten sie organisieren, dass immer auch eine Vertreter*in des Personalrats an allen Auswahlgesprächen teilnehmen kann, sodass sie die Gleichbehandlung und faire Prozesse direkt beeinflussen können und hier keine Blackbox der Jobvergabe mehr entsteht. So ist es dem Personalrat möglich, »dafür zu sorgen, dass auch mal Menschen zu Auswahlgesprächen eingeladen werden, bei denen das sonst nicht klar gewesen wäre.« Für Silke war der schönste Moment in ihrer Laufbahn als Personalrätin, als es gelungen ist, eine Personalversammlung zu organisieren und alle Kolleg*innen für einen gemeinsamen Austausch an einen Ort zu holen: »Die Vorbereitung, die Präsentationen, der Kontakt zu den Mitarbeiter*innen, das Einholen von Feedback von den Kolleg*innen. Wir haben da super als Team zusammengearbeitet.«

Welche Niederlagen verkraftet werden müssen

Leider kann man nicht immer gewinnen, auch im Personalrat nicht. Bei Joana zum Beispiel stehen immer wieder »andere Prioritäten der Dienststelle« im Weg: »Wir haben es nicht geschafft, die alten Dienstvereinbarungen zu verbessern und neue auf den Weg zu bringen, weil es von der Dienststelle immer wieder Verzögerungen gibt, die mit anderen Projekten begründet werden.« Auf ihre Mitstreiter*innen kann sie sich aber auch in schwierigen Situationen verlassen: »Ich habe ein super tolles Team im Rücken. Ich sage immer, ›ich bin nicht der Personalrat, ich bin eine von neun‹, und dieses Team ist so gut und wir unterstützen uns alle gegenseitig so toll, dass ich irgendwann überzeugt war, wir schaffen trotzdem alles, was wir uns vorgenommen haben.« Wenn eine der Verhandlunspartner*innen sich schlichtweg nicht an Abmachungen hält, kann man auch als Personalrät*in an seine Grenzen kommen, wie es auch Gökhan erleben musste: »Es gab einen Konflikt in einer Grundschule und wir hatten einen Deal mit der Schulaufsicht. Im Nachhinein haben wir gemerkt, dass die sich nicht an unsere Abmachung gehalten hat.« Für Gökhan eine bittere Erfahrung: »In dieser Sache konnten wir die Interessen unserer Kolleg*innen nicht ausreichend vertreten, weil wir irrtümlich geglaubt hatten, dass sich auch die Arbeitgeberseite an die Abmachung hält. Da habe ich mich betrogen gefühlt.«

Warum Engagement im PR wichtig ist

Ein Argument dafür, sich im Personalrat zu engagieren, ist die Bereicherung, die die Aufgabe als Personalrät*in in den Alltag bringt: »Ich finde es total gut, mal so eine Abwechslung zu haben – vier Tage Schule, ein Tag Personalrat. Da habe ich das Gefühl, ich erreiche etwas und die Aufgaben sind vielfältig und abwechslungsreich,« sagt Manuel. Ein Problem ist, dass es im Personalrat immer wieder neue Mitglieder braucht, weil auch immer wieder welche gehen. »Wir verlieren die erfahrenen Personalräte nach und nach und müssen versuchen, einen Wissenstransfer zu schaffen«, findet Gökhan. Allen, die darüber nachdenken, sich als Personalrät*in aufstellen zu lassen, will er Mut machen: »Man kann uns ansprechen, unsere Türen sind offen, alle sind herzlich eingeladen sich zu beteiligen, und wir lassen die Kolleg*innen nicht alleine stehen.« Joana ist überzeugt, dass alle von neuen, jungen Mitgliedern im Personalrat profitieren, »weil wir, die alten Hasen und Häsinnen, die jahrelange Erfahrung und die richtigen Connections haben. Und die Jungen haben einfach einen anderen Blickwinkel und einen ganz anderen Zugang zur Technik, zu neuen Methoden, die sind noch offener und frischer.« Manuel kann verstehen, dass man sich am Anfang nur ungern gleich mit vollem Risiko in eine neue, unbekannte Aufgabe stürzen möchte, und hat deshalb einen Tipp für alle, die noch zögern: »Eine gute Option für den Anfang ist, als Nachrücker*in zu kandidieren, wenn man nicht sofort komplett einsteigen will. Es werden immer Leute gebraucht, die mal für einzelne Sitzungen einspringen können und die einfach reinschnuppern wollen.« Er ist davon überzeugt, »dass der Personalrat reale Macht hat, dass man dort was erreichen kann.« Und last but not least: »Es macht Spaß!«

Warum DU zur Wahl gehen solltest

Auch die Personalratswahlen 2020 stehen im Schatten der Corona-Pandemie. Joanas Arbeitgeber signalisiert in dieser Situation, dass er die Wahlen am liebsten verschieben würde. Das gefährde die Demokratie an ihrem Arbeitsplatz, meint sie dagegen, und glaubt, dass sich die Wahlen trotz widriger Umstände problemlos durchführen ließen: »Man kann Briefwahl und Abstandsregeln auf jeden Fall umsetzen.« Für Gökhan ist ein Trend der Entdemokratisierung schon länger feststellbar: »Wir sehen, dass die Schule immer mehr an Mitbestimmung und an Demokratie verliert. Wir sehen die Tendenz, dass schulische Gremien ausgehebelt werden, das unabgesprochen Vorentscheidungen getroffen werden.« Was man dagegen tun kann? Man müsse wählen gehen, meint Joana, denn: »Wählen ist wichtig, weil Demokratie sonst nicht funktioniert.« Ein weiteres Argument für sie: »Es ist entscheidend, dass jede*r Einzelne an die Wahlurne kommt, sodass wir einen größeren Rückhalt haben und damit entsprechend mehr Macht als Personalrat.« Gökhan sieht das genauso: »Der Arbeitsgeber schaut ganz genau hin, wie die Wahlbeteiligung ist. Je mehr Kolleg*innen wählen gehen, desto stärker können wir auftreten.«     

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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