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Standpunkt

DGB-Mehrheit verschenkt

Statt einen gemeinsamen Vorstand mit GEW, GdP und IG BAU zu bilden, koaliert ver.di im Hauptpersonalrat mit dem konservativen Beamtenbund, unter Duldung einer rechtsoffenen Liste.

Foto: Fotostudio Charlottenburg

Viele kennen die Berichterstattung über die rechte Betriebsrats-Liste »Zentrum Automobil« bei Daimler in Untertürkheim. Die Gruppe pflegt Kontakte zu Pegida und AfD, tritt aggressiv gegenüber den Kolleg*innen unserer Schwestergewerkschaft IG Metall auf und hetzt gegen Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund. Bisher ist es der IG Metall gelungen, die rechten Einflüsse in den Belegschaften klein zu halten – zum Glück, muss man sagen. Unser gemeinsamer Dachverband DGB ist mit knapp fünf Millionen Mitgliedern die größte antifaschistische Vereinigung Deutschlands. Uns verbinden – trotz mancher Differenzen – gewerkschaftliche Werte wie Solidarität, Toleranz und eben auch der Antifaschismus.

Bei den Berliner Personalratswahlen 2020 erzielte nun eine Vereinigung Stimmenzuwächse, die unter dem Namen »Die Unabhängigen – jetzt reicht’s« bewusst am rechten Rand nach Stimmen fischt. »Die Unabhängigen in der Polizei« teilen via Social Media Beiträge der AfD und loben die AfD öffentlich dafür, »sachlich und fachlich am politischen Diskurs teilzunehmen«. Viele Stimmen sammelten »Die Unabhängigen« unter anderem mit der Klarstellung, es gebe »keine rechten Netzwerke in der Berliner Polizei«. Ganz abgesehen davon, dass Mitglieder der Liste den DGB als Institution sowie einzelne Funktionär*innen in DGB-Gewerkschaften wiederholt öffentlich verbal angegriffen haben.

Bei den Wahlen zum Hauptpersonalrat, zuständig für die 144.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Landes Berlin, errangen die konkurrierenden DGB-Listen – Liste 1 (ver.di) und Liste 3 (GEW, GdP und IG BAU) – zusammen eine satte Mehrheit. Ver.di ging aus der Wahl als Wahlsiegerin hervor. Noch in der Wahlnacht haben wir gratuliert. Auf DGB-Ebene hatten alle Gewerkschaften vor und nach der Wahl erklärt, einen gemeinsamen HPR-Vorstand zu bilden, damit auch künftig alle Professionen vertreten sind: Verwaltung und Dienstleistung (ver.di), Polizei (GdP), Bildung (GEW) und Grünflächenämter (IG BAU).

Einen Tag vor der Konstituierung Anfang Dezember 2020 lag eine unterschriftsreife Vereinbarung zur Bildung eines gemeinsamen Vorstands vor, mit Daniela Ortmann als alter und neuer Vorsitzender an der Spitze. Doch nur Stunden vor der Vorstandswahl erklärte ver.di, dass sie einzelne Personen der GEW-GdP-IG BAU-Liste nicht in den Vorstand wählen würde. Personen, mit denen wir um Zustimmung bei unseren Wähler*innen geworben hatten und deren Expertise im Vorstand des HPR dringend gebraucht wird. Es war klar, dass wir auf diese Forderung nicht eingehen konnten, insbesondere nicht, da die Ablehnung allein mit persönlichen Vorbehalten begründet wurde.

Ver.di versicherte sich stattdessen der Stimmen des konservativen Beamtenbundes, um auch ohne die GEW-GdP-IG BAU-Liste einen neuen Vorstand zu bilden. Zusätzlich benötigten sie für die Mehrheit auch Stimmen der »Unabhängigen« – und diese bekamen sie. Ver.di und dbb stellen jetzt allein den Vorstand des Hauptpersonalrats, gestützt von den »Unabhängigen«, obwohl es eine satte Mehrheit für die Gewerkschaften im DGB gegeben hätte. Wir verstehen das als einen Tabubruch, der aus unserer Sicht so nicht stehen bleiben darf. Es muss zeitnah zu einer Neuwahl des HPR-Vorstands kommen. Wir stehen selbstverständlich auch weiterhin für Gespräche zur Verfügung.          

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46