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bbz 04-05 / 2018

Erzieher*innen: viel Verantwortung für wenig Geld

Die Anforderungen an den Erzieher*innenberuf steigen. Doch von der einst versprochenen Aufwertung des Berufes ist nichts zu spüren. Kein Wunder, dass viele den Job wechseln.

Erzieherin in der Kita: Qualifizierte Arbeit ist unverzichtbar. (Foto: GEW)

Nach dem Abitur habe ich mich für eine Ausbildung als Erzieherin entschieden. Das war im Jahr 2003. Damals gehörte ich dem ersten Jahrgang an, für den das Abitur oder Fachabitur Zugangsvoraussetzung war. Wir alle sind mit großem Enthusiasmus gestartet und begrüßten den Entschluss des Senats, den Beruf der Erzieher*in aufzuwerten. Denn das erschien uns angesichts des breitgefächerten Bildungsauftrags in unserer zukünftigen Arbeit nur folgerichtig. Wir spürten eine Aufbruchsstimmung, auch unter unseren Lehrer*innen. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis die Erzieher*innen eine weitere gesellschaftliche und politische Aufwertung erfahren würden, die sich auch im Gehalt niederschlägt. Es war die Rede davon, den Stellenwert der Erzieher*innen auf europäisches Niveau zu heben. Wir alle setzten große Hoffnungen in diese Entwicklung.

Heute, 15 Jahre später, müssen wir eine traurige Bilanz ziehen. Aus BAT Vb und Vc wurde der Tarifvertrag der Länder (TVL), Entgeltgruppe 8. Mitnichten kann davon gesprochen werden, dass wir Erzieher*innen behandelt würden, als hätten wir eine fundierte Ausbildung genossen, für die das Abitur Voraussetzung ist. Schlimmer noch, der Senat weigert sich, selbst Kolleg*innen, die einen Bachelor in Bildung und Erziehung im Kindesalter besitzen, mindestens Entgeltgruppe 9 zu bezahlen wie es einem Studium angemessen wäre. Auch diese Kolleg*innen sind in der Entgeltgruppe 8 eingruppiert.

Mittlerweile hat der Senat zwar einige der Kürzungen, die im Zuge der Berliner Sparpolitik durchgesetzt wurden, zurückgenommen. Dennoch hat sich an der geringen politischen, medialen und finanziellen Wertschätzung unserer Arbeit wenig geändert.

Ständig steigende Anforderungen

Dafür sind die Anforderungen an Erzieher*innen immer mehr gestiegen. Im Kindergarten wird nach dem Berliner Bildungsprogramm gearbeitet, Sprachlerntagebücher werden seit vielen Jahren geführt, die Kinder sollen in Ich-, Sach-, Sozial- und lernmethodischer Kompetenz gefördert werden. Dazu kommt selbstverständlich die Integration von Kindern mit Behinderungen sowie die Sprachentwicklung und die Erziehung zu einem demokratischen Grundverständnis. An dieser Stelle die Aufzählung zu vervollständigen, würde den Rahmen sprengen. Das Berliner Bildungsprogramm für die Kita ist 180 Seiten lang und kann bei Bedarf gerne auf der Website der GEW BERLIN nachgelesen werden.

Aber nicht nur in Kitas sind wir bildend tätig. Auch in den Grundschulen sind wir ein fester Bestandteil des Kollegiums. Hier begleiten wir die Kinder nicht nur im Unterricht, wobei vorausgesetzt wird, dass wir den Unterrichtsstoff beherrschen, und üben grob- sowie feinmotorische Fertigkeiten.

Wir planen auch unterrichtsergänzende sowie sozialpädagogische Angebote im Bereich der Sozialkompetenz, der Demokratieerziehung und des Umgangs mit Diversity und Vielfalt. Wie selbstverständlich werden wir herangezogen, um Unterrichtsausfälle zu vertreten, die anschließend keine statistische Erwähnung finden.

Erzieher*innen stellen an meiner Schule »nebenbei« den Mittagessenausschuss, achten auf die Qualität und Quantität des Schulessens und stehen dabei im Kontakt mit dem Bezirksamt. Eine nicht zu unterschätzende Mehrarbeit, immer zum Wohle der Kinder natürlich! Dazu kommen noch eine ganze Reihe anderer Aufgaben, angefangen damit, dass wir emotionale und soziale Defizite der Kinder erkennen und dementsprechend handeln. Wir leisten Mediations- und Integrationsarbeit, damit sich die Kinder in den Klassen entspannen, mental neu ordnen und sich erneut konzentrieren können.

Da wir immer greifbar sind, führen wir viele Elterngespräche und gehen stets flexibel auf Anliegen und Bedürfnisse ein, beispielsweise beim Abholen der Kinder. Aber auch konflikthafte Gespräche unter den Eltern versuchen wir zu entschärfen und zu einer friedlichen Lösung zu finden. In einigen Fällen ist auch die Kooperation mit dem Jugendamt oder dem Kinder- beziehungsweise Jugendnotdienst notwendig. Meine Ausbildung war so fundiert und gut, dass ich mich selbst in schwierigen Situationen handlungs- und entschlussfähig fühle. Selbst das Erkennen von Kindeswohlgefährdung war intensiver und hilfreicher Gegenstand meiner Ausbildung.

Ein Viertel der Studierenden bricht die Ausbildung ab

Man sollte meinen, dass das Einkommen entsprechend der Verantwortung ansteigt. Leider ist dem nicht so. Leider sind wir Erzieher*innen im Verhältnis zu unserem Aufgabenfeld skandalös schlecht bezahlt. Selbst in Zeiten des verschärften Fachkräftemangels scheint sich das Missverhältnis zwischen Aufgabenfeld, Verantwortung und Vergütung nicht aufzuheben. Laut RBB bricht aktuell ein Viertel der Studierenden die Erzieher*innenausbildung ab. Das ist kaum verwunderlich angesichts schlechter Arbeitsbedingungen und niedriger Bezahlung. Viele wechseln im Laufe der Ausbildung auf einen Studienplatz, verbunden mit der Aussicht auf ein besseres Gehalt. Vielleicht denken die politisch Verantwortlichen einmal über diese Tatsache nach!

Ich arbeite in Vollzeit, also 39,4 Stunden pro Woche. Und dennoch muss ich jeden Monat ausrechnen, wofür ich mein Geld ausgebe und auszugeben bereit bin. Altersarmut ist ebenso ein Thema für mich. Das sollte nicht so sein. Das darf nicht so sein!

Ich habe noch ein Studium der Sozialen Arbeit absolviert. Andere aus meiner Ausbildungszeit haben Psychologie oder Bildung und Erziehung im Kindesalter studiert. Viele von ihnen arbeiten, aus den oben genannten Gründen, nicht mehr als Erzieher*in. Ich arbeite gerne und mit viel Engagement als Erzieherin an einer gebundenen Ganztagsschule, obwohl es eine sehr anspruchsvolle und fordernde Arbeit ist. Dennoch muss auch ich mir die Frage stellen, ob ich es mir finanziell noch leisten kann, diese Arbeit weiterhin zu machen.