Zum Inhalt springen

bbz 03 / 2017

Frauen verdienen mehr

Entgeltgleichheit ist grundlegend für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Aber was genau bedeutet Entgeltgleichheit eigentlich? Und wie kann sie erreicht werden?

Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern beim Entgelt ist in Deutschland noch nicht gegeben. Daran erinnert die hartnäckige Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern von zurzeit 21 Prozent. Die Ursachen für die ungleichen Verdienstchancen sind vielfältig und lassen sich in zwei Komplexe unterteilen.
Der erste trägt die Überschrift »Benachteiligung bei der Beschäftigung» und wirkt sich indirekt auf das Entgelt aus. Zu den Ursachen gehört, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit auch im 21. Jahrhundert noch häufiger als Männer wegen familiärer Pflichten reduzieren oder unterbrechen.

Ihre berufliche Entwicklung und damit auch die Entwicklung ihres Einkommens werden damit ebenfalls unterbrochen und verlangsamt. Das holen die meisten Frauen in ihrem Erwerbsleben nicht mehr auf. Hinzu kommt, dass Frauen beim beruflichen Aufstieg noch immer an die sogenannten »Gläsernen Decken« stoßen und in höheren (und höher bezahlten) Hierarchie- und Führungsebenen unterrepräsentiert sind. Außerdem arbeiten sie zu größeren Anteilen als Männer in prekären Beschäftigungsverhältnissen sowie in Berufen und Branchen, in denen vergleichsweise niedrige Vergütungen gezahlt werden.

Weniger Geld für die gleiche Arbeit

Der zweite Ursachenkomplex betrifft die direkte Benachteiligung beim Entgelt, die Entgeltungleichheit im engeren Sinne. Der Rechtsgrundsatz lautet: »Gleiches Geld für gleiche und gleichwertige Arbeit«. Entgeltgleichheit bedeutet also zunächst, dass Frauen und Männer, die die gleiche Arbeit verrichten, auch das gleiche Entgelt erhalten. Eine Selbstverständlichkeit heutzutage, sollte man meinen.

Doch das aktuelle Beispiel einer ZDF-Journalistin, die brutto noch nicht mal so viel verdient hat wie ein männlicher Kollege netto, zeigt, dass dies eine Utopie ist. Umso schwieriger ist es, das zweite Teilprinzip zu gewährleisten: Auch Frauen und Männer, die unterschiedliche, aber von den Anforderungen und Belastungen gleichwertige Arbeit verrichten, müssen das gleiche Geld verdienen. So will es deutsches und internationales Recht. Es fragt sich allerdings: Ist es gerecht, dass viele Berufe und Branchen, in denen Frauen arbeiten, zu den gering vergüteten Bereichen gehören? Warum verdienen Erzieherinnen weniger als Aufzugsmonteure? Ist es ein Zufall, dass überall dort, wo der Frauenanteil an den Beschäftigten hoch ist, die Entgelte niedrig sind? Entspricht es tatsächlich dem Wert der Tätigkeiten, dass Sozialpädagoginnen weniger verdienen als Bauingenieure? Oder handelt es sich um eine Unterbewertung dieser frauendominierten Tätigkeiten und Berufe und damit um eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts?

Die Gleichwertigkeit von unterschiedlichen Tätigkeiten checken

Die Vermutung, weiblich dominierte Berufe und Tätigkeiten seien unterbewertet, ist nicht neu. Seit den 1980er Jahren wird sie, zunächst im angelsächsischen Sprachraum (als »Comparable Worth Debate«), dann aber auch in Deutschland, ausführlich und -engagiert diskutiert. Einer der Schwerpunkte der Diskussion ist die Frage, wie die Gleichwertigkeit von unterschiedlichen Tätigkeiten überprüft und nachgewiesen werden kann.

In der Arbeitswissenschaft wurden hierfür Verfahren und Methoden der Arbeitsbewertung entwickelt. Sie dienen dazu, den Wert von Tätigkeiten oder Arbeitsplätzen zu ermitteln. Verschiedene Arbeitsplätze mit gleichem Arbeitswert sind als gleichwertig anzusehen und demzufolge in dieselbe Entgeltgruppe einzuordnen. Insofern gehören Arbeitsbewertungsverfahren zum selbstverständlichen Handwerkszeug der Tarif- und Personalarbeit. Bei der Arbeitsbewertung muss jedoch darauf geachtet werden, dass die verwendeten Verfahren die Tätigkeiten diskriminierungsfrei bewerten und nicht zu einer Unterbewertung weiblich dominierter Tätigkeiten beitragen. Die Wissenschaft und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes haben Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Arbeitsbewertung entwickelt.

An ihnen orientiert sich ein Arbeitsbewertungsverfahren, das in Deutschland bereits häufig eingesetzt wurde, um die Gleichwertigkeit von Tätigkeiten zu überprüfen: der »Paarvergleich zur Feststellung von Gleichwertigkeit« aus eg-check.de (siehe Kasten). Er kann dazu genutzt werden, die Gleichwertigkeit von frauen- und männerdominierten Tätigkeiten zu überprüfen und mit der aktuellen Bezahlung zu vergleichen: Wird gleichwertige Arbeit gleich und ungleichwertige ungleich bezahlt?

E13 für Grundschullehrkräfte ist ein großer Erfolg für die Entgeltgleichheit

Das Besondere ist, dass bei der Bewertung der Arbeit nicht nur die erforderliche Qualifikation, wie Ausbildung oder Hochschulabschluss, betrachtet wird, sondern eine Vielzahl weiterer Anforderungen, die Tätigkeiten prägen können. So werden zum Beispiel auch Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit, das Einfühlungs- und Überzeugungsvermögen und psycho-soziale Belastungen, wie die Konfrontation mit Problemen und Leid anderer, berücksichtigt. Verantwortung wird nicht nur als Verantwortung für Geld und Sachwerte betrachtet, sondern es wird auch die Verantwortung für die physische und psychische Gesundheit Anderer bewertet.

Insgesamt sind es 19 Anforderungsarten, die beim »Paarvergleich Gleichwertigkeit« einzeln mit einem Punktwert für die jeweils zutreffende Ausprägung bewertet werden; sie gliedern sich in die vier Bereiche »Wissen und Können«, »Psycho-soziale Anforderungen«, »Verantwortung« und »Physische Anforderungen«. Als Ergebnis drückt die Gesamtpunktzahl den Wert der Tätigkeit aus. Es gilt: Gleiche Punktzahl – gleicher Wert – gleiches Geld.

Ein Beispiel: In einem vertraulichen Prüfprojekt erzielte die Stelle einer Sozialarbeiterin mit dem »Paarvergleich Gleichwertigkeit« einen Arbeitswert von 34 Punkten, die eines Bauingenieurs im Hochbau nur 28 Punkte, wobei er zwei Entgeltgruppen höher eingruppiert war. Dies ist ein deutliches Zeichen für die Unterbewertung der Stelle der Sozialarbeiterin und weist auf eine geschlechterbezogene Diskriminierung hin, da Sozialarbeit ein weiblich konnotiertes und dominiertes Tätigkeitsfeld ist.

Die GEW-Kampagne »JA 13« weist auf die Unterbewertung von Grundschullehrkräften hin, die niedriger eingruppiert sind als andere Lehrkräfte. Mit einer frühen Version des »Paarvergleichs Gleichwertigkeit« konnte bereits vor einigen Jahren in einer Pilotstudie gezeigt werden, dass die Tätigkeiten von Grundschullehrkräften und von Lehrkräften an Berufsschulen und Gymnasien gleichwertig sind. Dass für Berliner Grundschullehrkräfte nun die Eingruppierung in die E 13 durchgesetzt werden konnte, ist ein großer Erfolg für die Entgeltgleichheit, das Prinzip der gleichen Bezahlung gleichwertiger Arbeit – und für die betroffenen Lehrkräfte!

Doch der Handlungsbedarf bleibt groß. Mit einer arbeitswissenschaftlichen Argumentation und der Anwendung des »Paarvergleichs Gleichwertigkeit« könnte auch für andere weiblich dominierte Berufsgruppen eine gerechtere Bezahlung durchgesetzt werden – und die Kampagne JA 13 auch in anderen Bundesländern wirkungsvoll unterstützt werden.


Dieser Artikel ist Teil des bbz-Themenschwerpunkts „Fehlstellung Gleichstellung“ [zur gesamten Ausgabe]