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Mitbestimmung

Frauenvertreterin – ein Fulltime-Job

Ein spannender Bericht aus dem Arbeitsalltag einer Frauenvertreterin.

Elke Gabriel (r.) im Beratungsgespräch.

Der PC ist gerade hochgefahren, als es um acht Uhr an der Tür klopft. Lehrkräfte sind pünktlich, denke ich. Es ist Frau S., eine Lehrerin, die heute einen Beratungstermin bei mir, der Frauenvertreterin in Tempelhof-Schöneberg, hat. Frau S. möchte sich auf eine Schulleitungsstelle an einer Integrierten Sekundarschule bewerben. Noch bevor sie ihren Mantel abgelegt hat, stellt sie mir die typischen Fragen: »Sind Sie auch Lehrerin? Und voll freigestellt? Arbeiten Sie nicht mehr an der Schule?« »Ja«, entgegne ich. »Nach dem Landesgleichstellungsgesetz sind wir Frauenvertreterinnen voll freigestellt, wenn die Dienststelle mehr als 500 Beschäftigte aufweist.« In Tempelhof- Schöneberg sind es über 3.000 Beschäftigte.

Gibt es auch einen Männervertreter?

Frau S. ist interessiert und will gleich darauf noch wissen, ob es denn auch einen Männervertreter an den Berliner Schulen gäbe. Den gibt es nicht. Aufgrund der strukturellen Benachteiligung von Frauen im Berufsleben ergäben Männervertreter keinen Sinn. Immer noch sind Frauen in Leitungspositionen, insbesondere bei Schulleitungsstellen im Oberschulbereich, unterrepräsentiert. Im Grundgesetz ist verankert, dass sich der Staat für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzt und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt. Dafür wurden in allen öffentlichen Einrichtungen Berlins Posten eingerichtet, die dafür Sorge tragen, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Landesgleichstellungsgesetz eingehalten werden. Von den Frauenvertreterinnen oder Frauenbeauftragten wird zusammen mit dem Dienstherrn ein jeweils zwei Jahre gültiger Frauenförderplan erstellt, in dem Maßnahmen zur Beseitigung der Geschlechter-Ungerechtigkeiten und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf festgeschrieben sind. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hakt es auch bei Frau S. Sie empfindet sich als geeignet für diese Schulleitungsstelle. Gleichzeitig hat sie die Befürchtung den hohen Arbeitsanforderungen nicht gerecht zu werden, da sie noch zwei schulpflichtige Kinder hat. Ich verstehe ihre Besorgnis. Denn immer häufiger haben Frauen, die sich für Leitungsposten bewerben, keine Kinder oder bereits erwachsene Kinder. »Ihre eigenen Grenzen der Arbeitsbelastung zu kennen ist sicherlich ganz wichtig«, erkläre ich. »Sie sind auch ein Vorbild für ihr Kollegium, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingen kann. Außerdem brauchen immer noch besonders die Frauen die Unterstützung von der Schulleitung. Denn 85 Prozent der Teilzeitkräfte sind weiblich und nur 15 Prozent männlich. Das heißt, die Sorgetätigkeit wird auch in unserem beruflichen Umfeld mehrheitlich von Frauen übernommen. »Und wie kann ich diese Frauen und Männer als Schulleiterin unterstützen?«, fragt Frau S. »Indem Sie diesen Beschäftigten einen passgenauen Stunden- oder Dienstplan erstellen«, erwidere ich. In den nächsten 45 Minuten informiere ich die aufgeschlossene Kollegin darüber, dass bei der Ausschreibung für eine Leitungsstelle an Oberschulen in der Regel Konkurrenzbewerbungen vorliegen, über den Bewerbungsablauf, die durchschnittliche Dauer des Verfahrens, die Bedeutung der Anlassbeurteilung und darüber, wer den Auswahlvermerk für die Stelle verfasst.

Geht nicht, gibt’s nicht

Nachdem Frau S. kurz nach neun Uhr das Büro verlassen hat, trifft die schwangere Kollegin ein, die bei uns, den Beschäftigtenvertretungen, zurzeit im Innendienst arbeitet. Da die neuen Frauen-Infos an die Schulen per Umlaufmappe verschickt werden müssen, macht sich Frau M. gleich an die Arbeit. Per Fax erreichen mich zwei Laufzettel für befristete Einstellungen an zwei Grundschulen. Auf beiden Zetteln steht der Vermerk »einzige Bewerbung«. Eine Studentin und ein Pensionär wollen jeweils zwölf Stunden in Sport sowie Mathematik tätig sein. Ich überprüfe die offizielle Bewerbungsliste der Senatsbildungsverwaltung. Wie erwartet, weist die Liste keine weiteren qualifizierten Grundschullehrkräfte auf. Ich unterschreibe die Laufzettel, faxe sie an die Schulen zurück und mache dem Personalrat Kopien. Auf meiner Mail-Box sind mittlerweile vier Anrufe eingegangen. Eine Kollegin hat Fragen zur Elternzeit und möchte eine Auskunft darüber, in welcher Höhe sie während der Elternzeit teilzeitbeschäftigt sein darf. Außerdem fragt sie nach, ob sie an die alte Schule zurückkommen wird. Die nächste Nachricht bezieht sich auf die gefaxten Laufzettel. Die dritte Anruferin ist eine meiner Kontaktfrauen der Schulen. Sie hinterlässt ein Dankeschön, weil ich ihr Informationen zum Bereich Teilzeit für die nächste Gesamtkonferenz gemailt hatte. Die vierte Anruferin wünscht einen Gesprächstermin zur Vorbereitung des Präventionsgesprächs. Ich rufe gleich zurück, der Termin findet noch in dieser Woche statt.

Netzwerken mit Frauenvertreterinnen und Beschäftigten

Der Kollegin in Elternzeit antworte ich per E-Mail und füge die Dienstvereinbarung »Umsetzung« bei. Laut dieser wird allen Beschäftigten, die während ihrer Elternzeit in Teilzeit arbeiten, ein Umsetzungsschutz gewährt. Im Posteingang liegen 25 neue E-Mails, die ich in den nächsten 1,5 Stunden abarbeite. Kolleginnen senden mir Themenwünsche für die nächsten Fortbildungsveranstaltungen des Netzwerkes Frauen in Leitung. Ich sammle die Themenwünsche und leite ihnen gleich noch das neue Amtsblatt mit den ausgeschriebenen Funktionsstellen weiter. Einige der Mails beziehen sich auf unseren letzten Arbeitskreis der Frauen- und Gesamtfrauenvertreterinnen, der monatlich in der Senatsbildungsverwaltung tagt. Meine Rückfragen zum TOP »mittelbare pädagogische Arbeit der Erzieherinnen« kläre ich mit der stellvertretenden Gesamtfrauenvertreterin sowie meiner Kollegin aus der Nachbarregion. Ich schicke der stellvertretenden Frauenvertreterin unserer Region die neuesten Informationen zu unserer Kampagne »Mehr Gerechtigkeit für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte«. Die Personalratsvorsitzende hat Fragen zu der bevorstehenden Wahl der Frauenvertreterinnen und schreibt, dass sie sich zudem ein Vorbereitungstreffen für die Umsetzungswünsche der Beschäftigten noch in dieser Woche wünscht. In zwei Mails werden aktuelle Konflikte zwischen dem Kollegium und der Schulleitung thematisiert. Frau M. hat in der Zwischenzeit alle Frauen-Infos in die Umlaufmappen gelegt. In meinem Fach liegen bereits weitere Umlaufmappen der Schulen, Briefe und mehr. Die meisten Schreiben kommen von der Personalstelle in der Flottenstraße. Weil wir Frauenvertreterinnen an alle personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen beteiligt sind, sortiere ich die Briefe zu etlichen Haufen: Teilzeitbescheide, Ruhestandregelungen, Schreiben zu vollzogenen Umsetzungen, Entgeltfestlegungen für befristet Beschäftigte.

Gesundheitsprävention im Fokus

Als ich ins Büro zurückkehre, treffe ich die Schwerbehindertenvertreterin. Eine kurze Absprache zu einer geplanten Fortbildung im Bereich der Gesundheitsprävention ist nötig, denn gleich sind von 13.30 Uhr bis 16.00 Uhr die Sitzungen zum Arbeitssicherheitsschutz sowie die Arbeitsgruppe Gesundheitsmanagement terminiert. Es geht um Personaltoiletten, defekte Fenster, die Erstellung des Gesundheitsberichts und Fortbildungsangebote zur Gesundheitsprävention. Außerdem stellt sich der neue Betriebsarzt vor.

Langeweile kommt garantiert nicht auf

Nach der Sitzung sichte ich noch die neuen E-Mails. Außerdem liegen wieder Umlaufmappen und zwei Personalakten im Postzimmer für mich bereit. Die Mappen enthalten Maßnahmen, an denen ich beteiligt bin. Darunter zwei Umsetzungsverfügungen, sieben Eingruppierungen, eine Dienstliche Beurteilung und ein Auswahlvermerk für eine Fachleitungsstelle. Doch diese müssen bis morgen warten. Dann wartet wieder ein neuer Arbeitstag auf mich. Wie bei allen pädagogischen Beschäftigten ähnelt kein Arbeitstag dem anderen, so vielfältig sind die Aufgaben und Anfragen. Langeweile kommt dabei garantiert nicht auf. Auch dafür liebe ich meine Tätigkeit als Frauenvertreterin.