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blz 02 / 2015

Für die Helden und Opfer der »Mafaa«!

Gedenkmarsch am 28. Februar: Erinnerung an das Zeitalter der Zerstörung und der Katastrophen in Afrika

Es heißt, solange die LöwInnen ihre Bücher nicht selber schreiben und ihre Erinnerungen nicht selber erzählen, werden die Jagdberichte immer zum Ruhm der menschlichen Jäger geschrieben werden. Am 28. Februar 2015 organisiert das Komitee für ein Afrikanisches Denkmal, in Kooperation mit dem Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland, den 9. Gedenkmarsch für die afrika-nischen Opfer von Sklavenhandel, Sklaverei, Kolonialismus und rassistischer Gewalt und in Erinnerung an die HeldInnen des afrikanischen Widerstandes.

In einer Schule in Brandenburg wunderten sich die SchülerInnen einer 8. Klasse sehr darüber, dass sie trotz akribischer Suche im Internet keine Information über eine zentralafrikanische Handwerkstechnik finden konnten. Als wir mit einer unüblichen Weltkarte, in der Europa unten und Afrika oben ist, arbeiteten, war das für sie noch rätselhafter. Den SchülerInnen sollte damit verdeutlicht werden, dass unsere Wahrnehmung Fehlern unterliegt und wir von vielen Dingen beeinflusst werden.

Ein Mensch, der seine Vergangenheit nicht kennt, ist wie ein Baum ohne Wurzel, lautet eine afrikanische Weisheit. »Wer die Zukunft gestalten will, muss die Vergangenheit verstehen«, stellt Sylvia Löhrmann (Präsidentin der Kultusministerkonferenz) fest und betont wie wichtig es ist, Erinnerung als Teil historisch-politischer Bildung zu verstehen. Die Frage lautet, welches Bild von der Vergangenheit in diesem Prozess entsteht. Der Einzug der Themen Holocaust und Nationalsozialismus in den Unterricht ist eine große Errungenschaft der Nachkriegszeit in Deutschland. Nach der Vorstellung von Menschen anderer Kontinente umspannt die Erinnerungskultur jedoch weitere Facetten und einen viel breiteren Zeitraum.

Die deutsche Erinnerungskultur ist zum Teil sehr selektiv. 7.000 Menschen mit unmittelbaren afrikanischen Wurzeln sind in deutschen Konzentrationslagern umgebracht worden. Rund 30.000 Menschen sind dem deutschen Handel mit versklavten Menschen zwischen Westafrika und der Karibik zum Opfer gefallen. Sie werden im Unterricht sehr selten erwähnt. Nur Wenige haben überlebt und konnten ihre Erinnerungen weitergeben. Vor einigen Jahren erinnerte ein Kurator in Dakar an die Misshandlungen, Experimente und Folterungen, die afrikanische Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft über sich ergehen lassen mussten. Dass die ersten deutschen KZ während des Genozids an den Herero und Nama in Namibia errichtet wurden, sind Kapitel der deutschen Geschichte, die meistens in den Schulbüchern fehlen. Un-erwähnt bleibt meist eben-falls, dass die Staatsgrenzen im heutigen Afrika von den westlichen Besatzungsmächten auf Einladung von Otto von Bismarck während der Kongo-Konferenz von 1884 bis 1885 besiegelt wurden. Betrachtet man diese Lücken im deutschen Geschichtsunterricht, erhält der Ruf der Kultusministerin nach einer Erinnerungskultur eine völlig neue Dimension. Die Frage ist, warum diese Fakten und Quellen nie genannt, nicht wahrgenommen werden.

Informationen und Zahlen sind für ein umfangreiches Bild deutscher Kolonialgeschichte unerlässlich. Die Überarbeitung der Schulbücher kommt erst allmählich in mehreren Bundesländern in Gange.

Und die grausame Geschichte der Besatzung und Unterdrückung setzt sich fort. 60 Millionen versklavte Menschen wurden während der »Passage« – der Überführung von Afrika nach Amerika und anderen Kontinenten – ermordet. Seit dem Jahre 2000 starben nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration 22.000 geflüchtete Menschen. Hinzu kommen die Tode in der Wüste und auf anderen Seestraßen und Ozeanen. Hauptgrund ist Untätigkeit und unterlassene Hilfeleistung.

Ein wichtiger Aspekt der Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte sind damit verbundene Begrifflichkeiten. Es fängt mit Worten wie »Kolonialismus« an. »Colo« heißt auf Latein »pflegen, sich um etwas kümmern«. Die koloniale Realität aber war geprägt durch Verfolgung, Besatzung, Unterdrückung, Massenmord und Zerstörung. Eigentlich ist in diesem Zusammenhang der Begriff »postkolonial« auch problematisch. Er suggeriert, dass wir bereits in einer postkolonialen Ära leben, in der die Aufteilung und Geschichte Afrikas besiegelt ist. Ein anderer, sehr irreführender Begriff ist »Aufklärung«. Diese Zeit war auch die Blütezeit der Versklavung von Menschen mit afrikanischen Wurzeln und des Widerstands. In der panafrikanischen Bewegung heißt dieses Zeitalter »Maafa«: »Große Zerstörung und Katastrophe« in Kiswahili. Ein Begriff, den die Anthropologin Marimba Ani prägte.

Menschenrechte und Demokratie werden als eine ausschließlich westliche Erfindung im Unterricht präsentiert. Es wird nicht darauf hingewiesen, dass 1948 die überwältigende Mehrheit der Menschen auf afrikanischem Boden nicht das Recht hatte, die eigene Sprache zu sprechen, weiterführende Schulen zu besuchen und über ihr eigenes politisches Schicksal zu bestimmen. Wer sich dagegen wehrte, riskierte Folter und Tod. Erwähnt wird auch nicht die Kouroukan Fouga, die Mande-Charta aus dem heutigen Mali.

Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist die älteste Erklärung grundlegender Menschenrechte. Sie wurde deshalb 2009 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt.

In der Bundesrepublik Deutschland wur-den zahlreiche Denkmäler zum Ruhm der Mörder und Unterdrücker des Zeitalters der »Maafa« errichtet aber nicht in Andenken an Nahanda, Jakob Morenga und andere MärtyrerInnen, WiderstandskämpferInnen oder die anderen, zahlreichen Opfer des Kolonialismus. Menschliche Überreste werden immer noch in Museen aufbewahrt und nicht den jeweiligen Gemeinden übergeben, damit sie in Würde begraben werden können. Derartige Gegenstände zweifelhafter Herkunft sollen auch aktuell im Humboldt-Forum ausgestellt werden.

Wir möchten unsere Geschichte aus der eigenen Perspektive erzählen. In dem vom Afrika Rat einberufenen Tribunal prägte Kapet de Bana folgenden Satz: Vergebung kommt nach Reue und Büßen. Alle Kinder lernen, dass man sich nicht selber entschuldigt, sondern um Entschuldigung bittet. Die Bundesrepublik könnte diesem Beispiel folgen und aufrichtig büßen, sowie effiziente Maßnahmen zur Entschädigung einleiten, sich für die Rückführung der Überreste unserer AhnInnen und der Gegenstände zweifelhafter Herkunft einsetzen. Kolonialismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkennen und endlich Mittel zur Errichtung eines Denkmals für die afrikanischen Opfer von Sklavenhandel, Sklaverei, Kolonialismus und rassistischer Gewalt, sowie für die und HeldInnen der Community widmen.