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blz 03-04 / 2014

Nase zu und durch

Die Sauberkeit an den Schulen darf nichts kosten, lernen die SchülerInnen

Seit Jahresbeginn häufen sich in den Berliner Medien Berichte über teilweise unglaubliche Verhältnisse an Schulen. Eine Grundschule in Friedrichshain-Kreuzberg stand kurz vor der Schließung durch das örtliche Gesundheitsamt. Nur eine aufwändige nächtliche Putzaktion vor dem entscheidenden Kontrollgang verhinderte die Schließung der Schule.

SchülerInnen meiden aus Ekel die schulischen Toiletten. In vielen Schulen sind die SchülerInnentoiletten aus Angst vor Vandalismus nur in den Pausen geöffnet. Die Seifenspender und die Behälter für Einmalhandtücher sind leer, Toilettenpapier muss man sich im Sekretariat abholen. Das sind organisatorische Versuche, die Hilflosigkeit zu verdecken, die leider oft in Resignation enden.

In der Berliner Morgenpost konnte man dazu vor Kurzem lesen, dass SchülerInnen des Gymnasium Steglitz die Toi-letten einer öffentlichen Bibliothek nutzen und SchülerInnen des Zehlendorfer Schadow-Gymnasiums mit dem Bus zum WC einer Tankstelle fahren. Da hilft der Hinweis der Schulsenatorin Sandra Scheeres, SchülerInnen müssten sich auch selbst um Sauberkeit bemühen, nun wirklich nicht weiter. Die Senatorin sollte sich stattdessen an Artikel 6 der Berliner Verfassung erinnern: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« Dieser Artikel gilt uneingeschränkt auch für SchülerInnen

Auf das Ergebnis kommt es an

Dabei gibt es klare Regelungen für die Reinigung von Schulen. So formuliert die DIN 77400 (Reinigungsdienstleistungen Schulgebäude, Anforderungen an die Reinigung): »Der Sauberkeit und Hygiene in Schulgebäuden kommt eine besondere Bedeutung bei. Das Umfeld, in dem Kinder und Jugendliche ausgebildet werden, hat Einfluss auf deren Gesundheit sowie auf ihr eigenes Hygieneverhalten.« Die Norm legt Mindestanforderungen für die Schulreinigung fest.

Mindestanforderung meint hier Reinigungsleistungen, die »bei optimalem Zustand des Gebäudes einen ausreichenden Reini-gungszustand sicherstellen.« Reinigungsintervalle werden in der DIN akribisch festgelegt. So sollen nichttextile Bodenbeläge zwar mindestens einmal in der Woche gereinigt werden, wobei das Reini-gungsprinzip heißt: Feuchtreinigung. Dieses Mindestintervall ist aber abhängig von den jeweiligen örtlichen Bedingungen, den Witterungsverhältnissen und von der Nutzung und Frequentierung.

Stark frequentierte Klassenräume sind danach täglich feucht zu reinigen. Dabei betont die DIN-Norm, dass es nicht in erster Linie auf die Einhaltung der Intervalle ankommt, sondern diese sich einzig und allein am Ergebnis zu orientieren habe.

So sieht das auch der Bundesinnungsverband der Gebäudereiniger: »Der Dienstleister lenkt die Reinigungstätigkeiten mit seinem Knowhow so, dass das Ergebnis der Reinigung gleichbleibend ist.« Auch die für jede Schule vorgeschriebenen einrichtungsspezifischen Hygienepläne* müssen den baulichen und sonstigen Zustand der Schule berücksichtigen, damit ein hygienisch einwandfreier Zustand der Gebäude sichergestellt werden kann. Alle einschlägigen Regeln zielen also ab auf den hygienisch einwandfreien Zustand des Schulgebäudes nach der Reinigung. Reinigungspläne sind keine Geheimdokumente; Verantwortliche innerhalb der Schule und beim Schulträger müssen bekannt und ohne Aufwand erreichbar sein, um schnell Abhilfe schaffen zu können.

Hauptsache billig

Schulen werden heutzutage nur noch von externen Dienstleistern nach Vergaberichtlinien gereinigt. Dienstleister und Personal wechseln in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Persönliche Beziehungen zwischen dem Reinigungspersonal und SchülerInnen entstehen so nicht, die Reinigung erfolgt anonym. Weswegen nicht zuletzt SchülerInnen weniger auf den selbst produzierten Dreck achten.

Davon abgesehen bekommt dann auch noch das billigste Angebot den Zuschlag. Die Berliner Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 23. Januar 2014 von einem Firmenangebot für die Reinigung eines Sanitärraumes: 200 Quadratmeter wollten sie in einer Stunde reinigen! So etwas kann nichts werden, weil es außerhalb jeder realen Möglichkeit liegt. Und in der taz berichtete eine Reinigungskraft am 6. Januar 2014, sie bekomme sieben Stunden für die Reinigung einer konkreten Schule. Wenn sie länger arbeite, weil die Schule noch nicht sauber ist, seien das unbezahlte Überstunden.

Fachleute sind sich darüber einig, dass das Berliner Vergabegesetz (BerlA VG) geändert werden muss. Nicht der billigste Anbieter darf den Zuschlag erhalten, sondern derjenige, der die Gewähr für eine »ergebnisorientierte«, also hygienisch einwandfreie Reinigung des Schulgebäudes bietet. Aber dann muss man wahrscheinlich auch mehr Geld in die Hand nehmen: Bei 48 öffentlichen Schulen gibt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg 2,5 Millionen Euro für die Schulreinigung aus. Das sind im Durchschnitt 52 000 Euro pro Schule und Jahr. Auch mit den von der Schulsenatorin angekündigten Sondermitteln in Höhe von 7.000 Euro pro Schule und Jahr für kleinere Verschönerungsmaßnahmen kommt man wohl nicht allzu weit.

Wenn es anders werden soll

Möglicherweise ändert sich das bald, denn gegen die zunehmende Verschmutzung der Berliner Schulen regt sich auch Widerstand auf Elternseite. Mit der Website schulschmutz.kaposty.de haben engagierte Eltern eine Plattform geschaffen, die aktuelle Berichte aus den Schulen sammelt und mit Fotos dokumentiert. Aber auch das Schulpersonal kann tätig werden. Denn die Arbeitsstättenverordnung verpflichtet den Arbeitgeber (nicht den Schulträger!!) für einen gesunden Arbeitsplatz Sorge zu tragen.

In § 4 Absatz 2 heißt es: »Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die Arbeitsstätten den hygienischen Anforderungen entsprechend gereinigt werden«. Ein Initiativantrag des Personalrates könnte in Verbindung mit Elternaktivitäten durchaus eine Wirkung zeigen.


* Rahmenhygieneplan gemäß § 36 Infektionsschutzgesetz für Schulen und Ausbildungsstätten in Berlin-Brandenburg. Außerdem: Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden, Hrsg: Umweltbundesamt, Bestellungen nur per Mail über: uba@broschuerenversand.de