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bbz 09 / 2018

Unsichtbar und Unverzichtbar

Hochschulen bestehen aus mehr als nur Lehre und Forschung. Das »wissenschaftsunterstützende Personal«, das nicht im Fokus von Veröffentlichungen, Auszeichnungen oder Protesten steht, wird wenig wahrgenommen.

Foto: Kay Herschelmann

Die Studie »Wandel der Arbeit in wissenschaftsunterstützenden Bereichen« bietet erstmalig umfassende, wissenschaftlich fundierte Aussagen zur Arbeitssituation der vielen Hochschulbeschäftigten, deren Aufgaben nicht im Bereich Lehre und Forschung zu verorten sind. Konkret umfasst der Begriff des »wissenschaftsunterstützenden Personals«, im Unijargon mittlerweile auch »WUP« genannt, alle Personen, die den Hochschulbetrieb in Sekretariaten, Bibliotheken, Laboren, Rechenzentren und in den zentralen und dezentralen Verwaltungseinrichtungen am Laufen halten.

Der von Ulf Banscherus herausgegebenen Studie liegen Daten des statistischen Bundesamtes und Beobachtungen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsteams zugrunde. Dieses machte Erhebungen an 21 Hochschulen in 12 Bundesländern in den Jahren 2013 bis 2016. Kernelement der Studie stellt dabei eine breit angelegte Online-Befragung dar, die um qualitative Befragungen ergänzt wurde.

Ein Großteil der Kolleg*innen ist unterbezahlt

Diese erste hochschul- und länderübergreifende Studie belegt häufig angenommene Zahlen: Die betrachtete Personalgruppe besteht zu zwei Dritteln aus Kolleginnen (65 Prozent), rund zwei Fünftel arbeiten in Teilzeit (38 Prozent) und fast ein Viertel wird lediglich befristet beschäftigt (23 Prozent). Dabei verfügt über die Hälfte der Befragten (56 Prozent) über ein abgeschlossenes Hochschulstudium, jedoch üben nur 44 Prozent eine Tätigkeit im gehobenen oder höheren Dienst mit der entsprechenden Eingruppierung aus. Dies ist besonders auffällig im Bereich der Sekretariate, die an den Universitäten in der Regel mit der Entgeltgruppe 6, selten auch mit einer E7 oder E8 besetzt werden, teilweise aber auch unterhalb der E6. Diese Angestellten können jedoch zu 23 Prozent einen Hochschulabschluss vorweisen.

Das Personal der untersuchten Gruppe besteht aus Menschen in der gleichen Altersgruppe wie im restlichen öffentlichen Dienst. So ist ein Fünftel der Befragten älter als 50 Jahre, das Durchschnittsalter liegt bei 44 Jahren, wodurch sich klar abzeichnet, dass die Hochschulen damit konfrontiert sind, dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel im Bereich der Verwaltung und Technik begegnen zu müssen.

Es gibt keine Wertschätzung – auch nicht von Studierenden

Es sollte positiv festgehalten werden, dass die große Mehrheit im Allgemeinen mit ihrer beruflichen Situation eher zufrieden ist (79 Prozent). Es ist beruhigend, festzustellen, dass eine deutliche Mehrheit mit den Tätigkeitsinhalten (78 Prozent), der Arbeitsplatzsicherheit (73 Prozent), der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (69 Prozent), dem Arbeitsklima (67 Prozent) und der Arbeitszeit (66 Prozent) zufrieden ist.

Demgegenüber steht jedoch die Aussage, dass sich mehr als die Hälfte stark belastet fühlt: Über drei Viertel (76 Prozent) nennen »Multitasking« als Herausforderung und mehr als zwei Drittel (69 Prozent) berichten über hohe fachliche Anforderungen als Belastung. Auch häufige Unterbrechungen (57 Prozent) sind nach Angabe der Angestellten ein nicht zu vernachlässigender Faktor für Belastungen.

In sehr starkem Maße machen sich die hochschulpolitischen Reformen der letzten beiden Jahrzehnte bemerkbar, die die Arbeit des wissenschaftsunterstützenden Personals gravierend veränderten und verändern. Die Befragten gaben an, dass in besonderem Maße die Steigerung des Drittmittelanteils bei der Hochschulfinanzierung (45 Prozent), die Steigerung der Studierendenzahlen (42 Prozent) und die Umstellung der Studiengänge auf die Bachelor-/Master-Struktur (36 Prozent) zu zusätzlichen Belastungen führen. Zwar verbinden viele mit der Einführung von integrierten IT-Systemen positive Effekte, bezeichnen sie jedoch zu 45 Prozent als Herausforderung.

Herausstechend ist die Diskrepanz zwischen der Zufriedenheit mit der Tätigkeit und der erlebten Wertschätzung für die geleistete Arbeit. So wird in den Interviews deutlich, dass die Arbeitsleistung so lange »unsichtbar« bleibt bis gravierende Fehler passieren oder Stellen gestrichen werden. In der Online-Befragung gaben die Kolleg*innen an, dass sie in ihrer Beschäftigtengruppe zu 68 Prozent eine Wertschätzung erleben und von ihren direkten Vorgesetzten immerhin zu 56 Prozent. Im Umgang mit den Studierenden jedoch fällt die gefühlte Wertschätzung deutlich geringer aus (41 Prozent). Unterboten wird dieser Wert lediglich von der Hochschulleitung (23 Prozent).

Die Studie hat ein weiteres Feld aufgedeckt, bei dem dringender Handlungsbedarf besteht, denn besondere Unzufriedenheit besteht bei der Höhe des Einkommens (45 Prozent) sowie den begrenzten Aufstiegsmöglichkeit (23 Prozent), vor allem unterhalb des höheren Dienstes – trotz der höheren fachlichen Anforderungen und der Erweiterung des Tätigkeitsspektrums.

Es fehlen Personalentwicklungskonzepte

Die GEW BERLIN fordert seit langem die Hochschulen auf, gemeinsam mit Personalräten zukunftweisende Personalentwicklungsstrategien zu entwickeln. Zwar hat die Landesregierung, nicht zuletzt auf massiven Druck der Gewerkschaften, die Wichtigkeit des Anliegens erkannt und es findet sich eine entsprechende Passage in den Hochschulverträgen. An den Hochschulen selbst aber hat dies offenbar, wie wir von verschiedenen Personalräten hören, noch lange nicht zu ausreichenden Schritten geführt und auch die Senatsverwaltung scheint nicht aktiv darin werden zu wollen, Sorge zu tragen, dass die vertraglich vereinbarten Verpflichtungen eingehalten werden.

So verwundert es nicht, dass auch die vorliegende Studie zu dem Ergebnis kommt, dass Personalentwicklungskonzepte über die verschiedenen Personalgruppen hinweg erforderlich sind, die mit der voranschreitenden Organisationsentwicklung abzustimmen sind.

Die steigenden Anforderungen an die Beschäftigten, insbesondere im Bereich Vergaberecht, Sprach- und IT-Kompetenz, lassen sich bereits deutlich anhand der Stellenausschreibungen ablesen. Dass diese Anforderungen auch vom bestehenden Personal zu erfüllen sind, wurde durch die vorliegende Studie deutlich. Hinzu kommt das angewachsene Arbeitsaufkommen durch höhere Studierendenzahlen und Studienreformen. Einhergehend mit der geringen Wertschätzung durch die Universitätsleitung und das wissenschaftliche Personal, wird das große Missverhältnis zwischen der gewünschten strategischen Entwicklung seitens der Politik und der Hochschulen und den dazu notwendigen Strategien und Konzepten für die personelle Entwicklung an den Hochschulen deutlich.

Die Weiterbildungen allein, die weder zur Aufwertung der Arbeitsverhältnisse, noch zu Aufstiegsmöglichkeiten nutzbar gemacht werden, werden zu keiner Lösung führen und können keine Antwort auf den sich immer deutlicher abzeichnenden Fachkräftemangel sein. Wie wir nicht zuletzt von unseren Personalrät*innen erfahren, wird es an den Hochschulen immer schwieriger, Stellen zu besetzen und immer häufiger hören wir in der GEW BERLIN, dass langjährige Mitarbeiter*innen ihre Arbeit an den Hochschulen aufgeben, weil Perspektiven fehlen. Ein Umdenken bei den Verantwortlichen ist überfällig, welches über die Fokussierung auf Exzellenzcluster und Hochschulprofessionen hinausgeht, Universitäten als Ganzes versteht und auch die vielen Beschäftigten in Verwaltung, Technik, Bibliotheken und sonstigen Serviceeinrichtungen betrachtet. Hochschulen mit hoher Qualität in Lehre und Forschung sind nur im Zusammenwirken aller Beschäftigten denkbar.

ULF BANSCHERUS
leitet die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in der Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK) der Technischen Universität Berlin. Er ist Herausgeber von: Ulf Banscherus, Alena Baumgärtner, Uta Böhm, Olga Golubchykova, Susanne Schmitt und Andrä Wolter (2017), Wandel der Arbeit in wissenschaftsunterstützenden Bereichen an Hochschulen. Hochschulreformen und Verwaltungsmodernisierung aus Sicht der Beschäftigten, Study Nr. 362 der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf.