Der Schweizer Pädagoge Fritz Oser hat 1997 mit seinen Publikationen »Standards in der Lehrerbildung« für die Neugestaltung der Lehrerbildung wesentliche Impulse gesetzt. Seine Veröffentlichungen haben auch in Deutschland die Diskussion über die Lehrerbildung forciert. Die KMK hat mit ihrem Beschluss vom 16. Dezember 2004 Standards für die universitäre Lehrerbildung im Bereich der Erziehungswissenschaften vorgelegt, KMK-Standards der Lehrerbildung für die Studienfächer und die entsprechenden Fachdidaktiken liegen bisher nicht vor.
Kompetenzdefizite der Berliner Lehrkräfte
Das schlechte Abschneiden der Bundesrepublik Deutschland bei den international vergleichenden Schulstudien hat dazu geführt, die Qualität von Schulen mit standardisierten Verfahren systematisch zu evaluieren und die Ergebnisse zu publizieren. In Berlin geschieht dies durch Schulinspektionen. Zur Durchführung wurden zusätzliche personelle Ressourcen in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt.
Die Schulinspektionen begannen im Schuljahr 2005/2006. Am Ende des Schuljahres 2007/2008 lagen die Inspektionsergebnisse von 342 Schulen vor. Zu jedem Schuljahr wurde ein Inspektionsbericht angefertigt. Durchgängig in allen Berichten wurden erhebliche Defizite im Lehrkräftehandeln zu folgenden Bereichen registriert:
Situation der Fortbildung in Berlin
Zur Professionalisierung des unterrichtlichen Handelns von Lehrkräften sind intensive Fortbildungsmaßnahmen erforderlich. Erst jüngst hat Baumert darauf hingewiesen, dass vor allem die fachdidaktischen Kompetenzen der Haupt- und RealschullehrerInnen unzureichend seien (vgl. Der Tagesspiegel vom 8. 3. 2010, S.25).
Bis zum Jahre 2006 wurde die Lehrerfortbildung in Berlin vom LISUM organisiert, danach von der Senatsbildungsverwaltung verantwortet, neu organisiert und koordiniert. Kern der neuen Konzeption ist die Regionalisierung der Fortbildung. Wesentliche Träger der Lehrerfortbildung sind die MultiplikatorInnen für die Unterrichtsfächer, für überfachliche Unterrichtsentwicklung und für Schulentwicklung, die alle am LISUM Berlin-Brandenburg qualifiziert werden. Sie organisieren Lehrerfortbildungsveranstaltungen, führen aber auch selbst welche durch. Sie haben darüber hinaus die Aufgabe, regelmäßig Regionalkonferenzen einzuberufen und zu leiten, zu denen jede Schule eine VertreterIn verpflichtend zu entsenden hat. Die MultiplikatorInnen beklagen hier die viel zu geringe administrative Unterstützung bei der Organisation und Realisierung ihrer Fortbildungsaktivitäten sowie die zeitlich unangemessene Überbeanspruchung (vgl. die Beiträge in dieser blz).
Notwendigkeit zur Umsteuerung
Die Regionalisierung der Lehrerfortbildung hat offenbar nicht zur signifikanten Qualitätssteigerung geführt. Das Angebot der Berliner Lehrerfortbildung gleicht noch immer – trotz anderslautender offizieller Aussagen – dem eines Warenhauskatalogs – von jedem ein bisschen –, obwohl eine klare Profilierung erforderlich wäre (SenBWF (2009: Regionale Fortbildungen, www.fortbildung-regional.de). Sie sollte sich an den aus den Inspektionsberichten ersichtlichen Kompetenzdefiziten der Lehrkräfte und an der Weiterentwicklung von Kompetenzen, die zur Förderung von Innovationen in der Schule unerlässlich sind, orientieren.
Die Konzentration der Lehrerfortbildung auf bildungspolitisch relevante Inhalte ist jedoch nur eine Maßnahme zur Effizienzsteigerung von Lehrerfortbildung. Ergänzend dazu ist eine Evaluation der Wirksamkeit von Lehrerfortbildung dringend erforderlich. Indikator, an dem der Erfolg von Lehrerfortbildung gemessen wird, ist bisher vor allem die Menge der Fortbildungsplätze, wie in Erhard Laubes Vorwort zum Angebot der regionalen Fortbildung für das Schuljahr 2009/2010 nachzulesen (ebenda). Eine Aussage über die Qualität der einzelnen Fortbildungsangebote ist das nicht. Häufig wird am Ende einer Veranstaltung die Zufriedenheit der TeilnehmerInnen erhoben, jedoch lassen sich auch aus diesen Daten keine objektiven Rückschlüsse auf den Lernerfolg ableiten. Selbst Angaben von TeilnehmerInnen, sie hätten viel und Nützliches gelernt, erlauben als Selbsteinschätzung keine verlässliche Aussage über den tatsächlichen Lernerfolg.
Überprüfung der Wirksamkeit
Die Evaluation von Lehrerfortbildungsmaßnahmen findet in der Alltagspraxis also faktisch nicht statt. Dabei liegen dafür durchaus Konzeptionen vor. Knaut/Mogler beschreiben beispielsweise ein 5-Stufen-Modell von Phillips und Schirmer, nachdem die Wirksamkeit von Lehrerfortbildung systematisch erfasst werden kann. (Knaut, G., Mogler, J. (2007), Ergebnisorientierung in der Lehrerfortbildung. In: DVLfB (Hrsg.), Forum Lehrerfortbildung. H.41, S. 20-28). Demnach können zu folgenden fünf Bereichen Informationen erhoben werden.
Eine Evaluation der Lehrerfortbildung, die regelmäßig gleichzeitig auf allen fünf Stufen erfolgt, ist nicht leistbar. Die bildungspolitisch Verantwortlichen müssen deshalb die Schwerpunkte der Evaluation festlegen; sie müssen entscheiden, über welche Bereiche sie Informationen benötigen, um in die Fortbildungsprozesse rational steuernd eingreifen zu können. Eines aber ist völlig unakzeptabel: Auf die Wirksamkeitsprüfung von Lehrerfortbildung weiterhin total zu verzichten!
Qualifizierungsmaßnahmen für die Sekundarschule
Mit Beginn des Schuljahres 2010/2011 beginnt mit Klasse 7 der Unterricht in den neu geschaffenen Integrierten Sekundarschulen. Die Arbeit in den Integrierten Sekundarschulen erfordert bei Schulleitungen und LehrerInnen Kompetenzen, die sie bisher meistens wenig oder gar nicht entwickelt haben. Es sind vor allem vier Schwerpunkte, auf die sich die neuen Anforderungen konzentrieren:
Zur Qualifizierung der künftigen Schulleitungen und der Lehrkräfte der 7. Klassen an den Integrierten Sekundarschulen hat das LISUM ein Programm konzipiert, das sich an folgende Adressaten richtet: Schulleitungen, MultiplikatorInnen für Schulentwicklung, Steuergruppenmitglieder und MultiplikatorInnen für die Fächer. Während die Qualifizierung der Schulleitungen und Steuergruppen durch das LISUM direkt vorgenommen wird, erfolgt die Qualifizierung der Lehrkräfte durch die MultiplikatorInnen über didaktische Werkstätten, Workshops und Fachkonferenzen. Die Qualifizierungsmaßnahmen sind bei den einzelnen Adressatengruppen auf einem unterschiedlichen Stand.
Die Qualifizierung der MultiplikatorInnen für Schulentwicklung erfolgt zu unterschiedlichen Schwerpunkten.
Für alle Qualifizierungsveranstaltungen liegen Tagespläne vor, in denen die Themen und inhaltlichen Schwerpunkte, teilweise auch die verwendeten Materialien aufgeführt werden. Häufig werden zum Abschluss einer Veranstaltung Evaluationsbögen eingesetzt oder Feedbackrunden mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt. Über die Qualifizierung der Schulleitungen liegt ein vom LISUM verfasster Zwischenstandsbericht vor, den alle SchulrätInnen sowie die Senatsbildungsverwaltung erhalten haben.
Zumindest bei der überwiegenden Mehrheit der Fortbildungsveranstaltungen, die zur Qualifizierung des pädagogischen Personals für die Arbeit in der Integrierten Sekundarschule durchgeführt werden, wird die Wirksamkeit der Fortbildung auf der Ebene der Zufriedenheit der TeilnehmerInnen evaluiert. Im günstigen Fall bewirken die Evaluationsergebnisse bei allen Beteiligten positive Gefühle – den Erfolg der Integrierten Sekundarschule sichern sie noch lange nicht. Entscheidend dafür ist der Kompetenzzuwachs von MultiplikatorInnen und Schulleitungen, ihre Fähigkeit, den künftigen Lehrkräften in den Integrierten Sekundarschulen die notwendigen neuen Qualifikationen zu vermitteln und die Bereitschaft der Lehrkräfte, diese im Unterricht auch einzusetzen. Dabei kann viel misslingen. Nur wer mögliche Misserfolge – und vor allem ihre Ursachen – früh erkennt, kann rechtzeitig gegensteuern und das Projekt Integrierte Sekundarschule zum Erfolg führen. Deshalb ist eine begleitende Evaluation der Fortbildungsmaßnahmen, die über die Stufe der Zufriedenheit hinausgeht, unerlässlich.
Impulse für eine mehrstufige Evaluierung
Zur Umsetzung dieses Vorhabens müsste zunächst ein Katalog messbarer Ziele erstellt werden. Weitere Überlegungen gelten der Finanzierung. Hier bietet sich an, die Schulinspektion nicht weiter mit dem bisherigen Aufwand zu betreiben; um Veränderungen in der Berliner Schule festzustellen, reichen Stichproben-Inspektionen.
Für die Zukunft der Berliner Schule muss das Gelingen der Integrierten Sekundarschule Priorität genießen, daher sollte man dazu übergehen, die Formulierung von Prüfungsaufgaben – dieser Etat macht momentan rund 50 Prozent der Abordnungsstellen des LISUM aus – wesentlich preiswerter durch Werkvertragsvergabe zu realisieren. Durch diese Lösung würden beachtliche Ressourcen freigesetzt, die sinnvoll für die oben beschriebenen Aufgaben zum Gelingen der Integrierten Sekundarschule eingesetzt werden können.
Die Integrierte Sekundarschule nimmt im Sommer 2010 ihre Arbeit auf. Eine begleitende Qualifizierung des pädagogischen Personals ist auch in den nächsten Jahren unerlässlich. Es wäre bildungspolitisch vernünftig, die Wirksamkeit der Qualifizierung mit Nachdruck zu evaluieren. Das hätte nicht nur den Vorteil, die Entwicklung der neuen Schulform nachhaltig positiv zu beeinflussen, sondern gäbe der Lehrerfortbildung generell neue Impulse. Die Lehrerfortbildung gewänne damit Anschluss an die Diskussion über Bildungsstandards in der Lehrerbildung, der schon seit Langem überfällig ist.
Klaus Meißner ist Lehrer und Diplom-Psychologe und tätig als Professor für Grundschulpädagogik an der Universität der Künste. Von 1971 bis 2009 war er Referent am LISUM. Er leitet seit 1977 die Diesterweg Hochschule, war Mitglied der blz-Redaktion (1977-1985) und im Referat D (1974-1980).