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bbz 11 / 2016

Viele Aufgaben für wenig Geld

In den Jugendbildungsstätten arbeiten zahlreiche freiberufliche ReferentInnen und gestalten ein vielfältiges Angebot. Der Anspruch an die Arbeit wächst, die Bezahlung leider nicht.

Es ist ein normaler Freitagnachmittag an einer Jugendbildungsstätte (JBS). Eine intensive Seminarwoche mit FSJlerInnen zum Thema Flucht und Asyl geht zu Ende. Während ein Teil der Seminarleitung die Auswertung mit der Gruppe durchführt, bereitet der andere Teil schon die Materialien für das anstehende Seminar mit der 8. Klasse der Sophie-Scholl-Schule vor. Die Bildungsstätten in Berlin und Brandenburg erfreuen sich einer großen Nachfrage. Seit über 30 Jahren ist die Jugendbildungsstätte Kaubstraße eine der acht außerschulischen Bildungsstätten, die durch den Berliner Senat eine Grundförderung erhält. Diese Förderung soll Berliner Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, sich für einen sehr geringen Teilnahmebeitrag mit gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen. Die Jungendbildungsstätte Kaubstraße hat den Anspruch, den Teilnehmenden einen Raum für ihre Themen zu geben – Wünsche, Ängste und Meinungen sollen hier ernst genommen werden, ebenso wie Diskriminierungen und Ausgrenzungen aufgrund von Vorurteilen und Normierungen. Das Themenspektrum ist dabei ebenso vielfältig wie die Didaktik.

Die Vielfalt der Aufgaben ist groß

Eine 7. Klasse der Integrierten Sekundarschule aus Neukölln macht drei Tage Kooperations- und Kommunikationsübungen, um sich besser kennen zu lernen. Aus dem fünftägigen Seminar mit der Gesamtschule aus dem Wedding entsteht eine Radiosendung zum Thema Vielfalt. Eine Gruppe von 22 SchülerInnen aus Reinickendorf wird zu MediatorInnen ausgebildet und junge Erwachsene in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr kreieren in einem Seminar Aktionen und Projekte, um auf die Feindlichkeit gegen Sinti und Roma aufmerksam zu machen. Neben dem pädagogischen, kulturellen und künstlerischen Knowhow bringen die TeamerInnen eine wertschätzende Haltung sowie ganz unterschiedliche individuelle Ressourcen mit. Bis zur Produktion einer Radiosendung oder eines Video-Clips zum Thema Genderrollen werden beispielsweise Übungen angeleitet und ausgewertet, Wissen eingebracht, Diskussionen moderiert, Diskriminierungen aufgezeigt, Technik erklärt, Prozesse begleitet und unterstützt.

Der Anspruch an die Tätigkeit ist im Laufe der Jahre gewachsen. Während die Seminare in der JBS Kaubstraße vor 15 Jahren noch weitgehend von Studierenden geleitet wurden, haben die meisten ReferentInnen heute ein abgeschlossenes Studium und arbeiten freiberuflich. Momentan sind etwa 20 ReferentInnen für die JBS tätig. Die Erwartungen gehen dabei oft über die einzelnen Bildungsveranstaltungen hinaus. Für ein gelungenes Seminar zum Thema Flucht und Asyl etwa muss der oder die TeamerIn über politische und fachliche Diskurse gut informiert sein und das Seminar dem Thema und der Zielgruppe anpassen. Durch die kontinuierliche Wissensaneignung steigt die Chance auf einen neuen Auftrag.

Prekäre Lebensbedingungen für professionelleTeamerInnen

Die zunehmende Professionalisierung der TeamerInnen ist leider nicht gleichbedeutend mit der entsprechenden Erhöhung der Honorare. Das Budget der Kaubstraße lässt eine solche Bezahlung nicht zu. Durch die Akquise von weiteren Fördergeldern, Einnahmen von Teilnahmebeiträgen und die Vermietung der Räumlichkeiten können Honorarsätze punktuell und teils auch flächendeckend geringfügig angehoben werden, von adäquaten Honoraren für ReferentInnen kann aber keine Rede sein. In der Jugendbildungsstätte Kaubstraße liegt der Honorarsatz pro Tag zwischen 150 und 256 Euro.

Durch die Freiberufliche Tätigkeit ergeben sich häufig prekäre Lebensbedingungen, wenn die Honorare nicht für die Lebenshaltungskosten und eine ausreichende soziale Absicherung und Altersvorsorge ausreichen. Die Reduzierung des TeamerInnen-Schlüssels bei gleichzeitiger Anhebung der Honorarhöhe geht zu Lasten der Teamenden und oftmals auf Kosten der Seminarqualität. Die Akquise neuer Fördergelder wiederum geht einher mit weiteren Aufgaben für die vier hauptamtlichen PädagogInnen (in Teilzeit), die sich dafür aus der inhaltlichen Bildungsarbeit rausziehen müssen.

Eine Debatte ist notwendig

Änderungen bei den unfairen Einkommensverhältnissen können wir letztendlich nur vornehmen, wenn sowohl Hauptamtliche als auch Freiberufliche gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen: Thematisieren statt tabuisieren, kollektiv denken statt vereinzeln. Denn erst, wenn wir das Denken in Bündnissen verinnerlichen, schaffen wir die Basis für gelebte Wertschätzung gegenüber prekär arbeitenden ReferentInnen. Zur Verbesserung dieses Zustandes bedarf es einer weitaus besseren Regelfinanzierung. Durch diese wären die hauptamtlichen PädagogInnen nicht so stark in die Akquise und Verwaltung von Sondermitteln eingebunden und könnten sich verstärkt den inhaltlichen Bereichen widmen. Ebenso wäre dadurch die bessere Bezahlung der FreiberuflerInnen möglich. Es wäre also ein Umdenken wichtig in der Jugendpolitik – statt immer mehr Geld in Modellprojekte zu stecken, sollten Projekte und Einrichtungen der außerschulischen Bildung deutlich mehr Regelförderung erhalten.