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blz 09 / 2014

Prekäres Lehramt XL

Der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst wird zur wachsenden Herausforderung

Im Allgemeinen interessiert sich außer den unmittelbar Beteiligten kaum jemand für LehrerInnenbildung. Das hat sich in diesem Jahr geändert, seit bekannt wurde, dass die Senatsbildungsverwaltung aufgrund des akuten Lehrkräftemangels für nahezu alle Fächer QuereinsteigerInnen sucht. Daraufhin haben zahlreiche Interessierte in der Bewerberstelle Schlange gestanden oder sich bei einer speziellen Telefonhotline informiert. Viele dieser Menschen sind am 27. März auch ins GEW Haus gekommen. Dort konnten sie bei der Informationsveranstaltung zum Quereinstieg und berufsbegleitenden Referendariat alles zu rechtlichen Fragen, Bewerbungs- und Auswahlverfahren sowie zur Struktur des Vorbereitungsdienstes erfahren. Einige hatten sich bereits beworben, andere wollten vorab ihre Chancen ausloten.

Auch VertreterInnen der PKB-Initiative waren da, deren Mitglieder teilweise seit mehreren Jahren als Vertretungslehrkräfte arbeiten und nun hoffen, bald in die Lehramtslaufbahn eingruppiert zu werden. Insgesamt hatten sich so viele Menschen angemeldet, dass die Veranstaltung am 24. April wiederholt wurde.

Die öffentliche Empörung war groß, als verbreitet wurde, dass der Zugang zum Schuldienst weiter geöffnet wird. Von Einbußen bei der Unterrichtsqualität und Dequalifizierung des Lehrberufs war die Rede. Befürchtet wurde, dass weder pädagogisch noch fachlich geeignete Menschen auf die SchülerInnen "losgelassen" würden. Bei vielen BewerberInnen wurden hingegen falsche Erwartungen geweckt. Denn tatsächlich kann auch weiterhin nicht jede oder jeder Lehrkraft werden.

Der Zugang zum berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst steht nur HochschulabsolventInnen offen, deren studiertes und abgeschlossenes Fach einem Fach der Berliner Stundentafel oder einer berufsbildenden Fachrichtung gleichgestellt werden kann und Mangelfach ist. Außerdem müssen sie ein zweites, für die Grundschule sogar ein drittes solches Fach studiert haben. Da zeigt sich dann schnell, dass viele diese nötigen Zugangsvoraussetzungen nicht mitbringen.

Denn selbst wenn sich die Fächer ableiten lassen, so sind es nicht immer gleich Mangelfächer. Dort wo es noch LehramtsabsolventInnen gibt, werden diese bei der Vergabe der Plätze weiterhin bevorzugt.

Deshalb wird es jetzt vermehrt Menschen im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst geben, die im Grunde ein Anrecht auf ein reguläres Referendariat haben. Mit dem Wunsch sich (weitere) Wartezeit auf einen Platz zu ersparen, nehmen sie diese scheinbare Chance wahr. In der Konsequenz müssen sie ihren Vorbereitungsdienst aber unter erschwerten Bedingungen absolvieren. Dies lehnen wir ab.

In einer panikartigen, kurzsichtigen Aktion hatte die Senatsbildungsverwaltung allen im Vorjahr Abgelehnten das Angebot gemacht, ihren Vorbereitungsdienst berufsbegleitend abzuleisten. Manche interpretierten das Anschreiben als Einstellungsgarantie. Ganze Seminargruppen wollten das reguläre Referendariat abbrechen und in den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst wechseln, um sich damit eine spätere Einstellung zu sichern. Sie hätten dadurch auch eine Verschlechterung ihrer Ausbildung in Kauf genommen (siehe Kasten S. 22). Aber eine Einstellungsgarantie gibt es natürlich nicht. Doch das Angebot war für viele der Angeschriebenen derart verlockend, dass sie zusagten. Da es sich aber bei den meisten eben nicht um MangelfachkandidatInnen handelte, war es für die Bildungsverwaltung schwierig, Ausbildungsplätze zu finden. Reumütig sagte man deshalb auch zu, auf ein solches Angebot in Zukunft zu verzichten.

Von außen betrachtet, war die Panik der Senatsbildungsverwaltung selbstverständlich zu erwarten. Hatte man doch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte die Warnungen der GEW BERLIN ignoriert und sich die Lehrkräftebedarfsprog-nose schön interpretiert. Dass der Lehrkräftemangel kommen würde, war abzusehen. Es hätten schon vor Langem Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um ihn zu verhindern. Dazu wäre es unter anderem nötig gewesen, mehr Menschen für das Lehramt (vor allem natürlich in den Mangelfächern) zu begeistern. Studienplätze, die in manchen Fächern (zum Beispiel im berufsbildenden Bereich) nicht ausgeschöpft sind, hätten an anderer Stelle (zum Beispiel in der Sonderpädagogik) deutlich erhöht werden müssen. Doch die Finanzierung der Kapazitäten für Lehramtsstudierende ist nur eine Stellschraube. Viel zu spät wurde die Zahl der ReferendarInnen erhöht und damit in Kauf genommen, dass diese Menschen ihre Ausbildung in einem anderen Bundesland fortsetzen.

Die Notwendigkeit QuereinsteigerInnen in den Schuldienst aufzunehmen, ist nun Fakt. Aus gewerkschaftlicher Sicht muss es jetzt darum gehen, die Bedingungen aller KollegInnen in der Lehrkräftebildung zu verbessern. Wir können nicht zulassen, dass der Lehrkräftemangel zu LehrerInnen dritter Klasse führt.

Den KollegInnen im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst muss eine qualitativ hochwertige Ausbildung ermöglicht werden. Dazu muss ihre Unterrichtsverpflichtung deutlich gesenkt werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil Berlin wirklich darauf angewiesen ist, dass alle QuereinsteigerInnen ihre Ausbildung erfolgreich beenden und im Schuldienst bleiben. Denn sonst wird der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften so bald nicht enden.


Berufsbegleitender Vorbereitungsdienst

  • Im Gegensatz zu den LehramtsanwärterInnen im regulären sind die KollegInnen im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst keine Beamte auf Widerruf, sondern Angestellte. Sie bekommen daher das Angestelltengehalt.
  • Neben ihrer Tätigkeit an der Schule haben sie die gleichen Verpflichtungen wie LehramtsanwärterInnen im normalen Referendariat, besuchen das Allgemeine Seminar und die Fachseminare.
  • Für die Ausbildung reduziert sich ihre Stundenverpflichtung um sieben Unterrichtsstunden auf maximal 21 bzw. 19 Stunden. Wie alle anderen Angestellten dürfen sie einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung stellen.
  • QuereinsteigerInnen haben keinen Ausbildungsunterricht, sie haben also kein Recht auf Hospitationen oder angeleiteten Unterricht.

Auszug

Aus dem Beschluss Nr. 16 der Landesdelegiertenversammlung vom 4./5. Juni 2014

Lehrkräftebedarf durch qualifiziertes Personal abdecken – Qualität der Ausbildung von Lehrkräften gewährleisten.

Forderungen:

  1. Kapazitäten für Lehramtsstudierende erhöhen und gezielt für ein Lehramtsstudium werben.
  2. Kapazitäten für weiterbildende Masterstudiengänge schaffen.
  3. Neue Weiterbildungsverordnung unverzüglich auf den Weg bringen.
  4. Lehramtsstudierende besser informieren, beraten und für den Vorbereitungsdienst in Berlin gewinnen.
  5. LehramtsabsolventInnen im regulären Vorbereitungsdienst ausbilden.
  6. Lehrkräfte für die Grundschule vorerst weiter in zwei Fächern ausbilden.
  7. Bedingungen für »QuereinsteigerInnen« deutlich verbessern.