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bbz 12 / 2015

Privatisierung von innen

Hochschulen werden zu gewinnorientierten Unternehmen. Dies zerstört ihre demokratischen Strukuren.

Das deutsche Hochschulsystem befindet sich in einem weit reichenden und anhaltenden Umbruch. Am offensichtlichsten ist davon der Bereich von Studium und Lehre betroffen. Die Veränderungen hier sind mit dem Stichwort »Bologna-Reform« verbunden und wurden einer breiteren Öffentlichkeit wohl spätestens durch die bundesweiten Studierendenproteste im Jahr 2009 bekannt. Weniger geläufig sind hingegen die Veränderungen, die die Organisation und Steuerung der Hochschulen selbst betreffen. So wurden etwa neue Governance-Modelle und Anreizsysteme eingeführt, mit denen die Hochschulen effizienter und leistungsorientierter werden sollen. Hintergrund dafür sind die seit den 1990er Jahren verstärkt verlautbarten Forderungen aus Politik und Wirtschaft nach mehr Wettbewerb und Autonomie im Wissenschaftssystem. Zentrale Instrumente zur Umsetzung dieser Forderungen sind das New Public Management und die leistungsorientierte Mittelvergabe. Damit verbinden sich die Schwächung der akademischen Selbstverwaltungsorgane und die Stärkung der Leitungsebene sowie eine nach Leistungskriterien erfolgende Budgetvergabe an die Organisationseinheiten der Hochschule. Zugespitzt können diese Veränderungen als Wandel von der selbstverwalteten Gruppen- oder Gremienuniversität zur »unternehmerischen Hochschule« charakterisiert werden. Die beiden WissenschaftssoziologInnen Sabine Maasen und Peter Weingart bezeichnen dies als die »managerial revolution« des deutschen Hochschulsystems, mit der Praktiken aus den Wirtschaftswissenschaften, des Managements und der Unternehmensberatung in die Hochschulen eingeführt wurden. Damit erfolgte ein Regimewechsel im Rollenverständnis der modernen Hochschule: Das Unternehmerische bleibt nicht auf ausgewählte Bereiche beschränkt, sondern bestimmt fortan alle wesentlichen Prozesse in der Hochschule – angefangen bei den Forschungsprojekten über die Lehrveranstaltungen, Prüfungen und Evaluationen bis hin zu den Räumen und Reinigungsdiensten. »Was von der Universität angeboten oder nachgefragt wird,« so Maasen und Weingart »muss als marktförmige Ressource erscheinen und sich mit professioneller Kompetenz ›managen‹ lassen«.

Wichtige geistige Ideengeber für diese Entwicklung waren das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) sowie dessen langjähriger Geschäftsführer Detlef Müller-Böling. Von ihm stammt das Konzept einer von allen staatlichen Zwängen und Vorgaben »entfesselten Hochschule«, die autonom und wettbewerbsorientiert international um die besten WissenschaftlerInnen und Studierenden sowie die höchsten, vor allem privaten, Zuwendungen ringt. Außerdem ist der von der deutschen Wirtschaft getragene Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zu nennen, der im Jahre 2008 gemeinsam mit der Heinz Nixdorf Stiftung sowie fünf ausgewählten Hochschulen Leitlinien für die »deregulierte Hochschule« formulierte.

Wirtschaft beeinflusst Hochschulreformen

Der Publizist und langjährige Wissenschaftspolitiker Wolfgang Lieb sieht in diesen Entwicklungen eine »funktionelle Privatisierung« der öffentlichen und überwiegend staatlich finanzierten Hochschulen. Als ein Kernelement macht er dabei die seit Ende der 1990er Jahre stattfindende Implementierung von Hochschulräten aus. Die Mitglieder dieser Räte sind größtenteils hochschulexterne InteressenvertreterInnen, darunter viele ManagerInnen aus der Wirtschaft. Die Aufgaben der Hochschulräte sollen sich an den Funktionen eines Aufsichtsrates von Aktiengesellschaften orientieren. Die Einführung solcher quasi-privatwirtschaftlicher Kontrollgremien für Hochschulen steht ebenfalls im Kontext des New Public Managements und wurde insbesondere von VertreterInnen der Wirtschaft gefordert. Unterstützt wurden sie dabei von den bereits erwähnten CHE der Bertelsmann Stiftung sowie vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

Öffentliche Hochschulen werden gewissermaßen von innen heraus privatisiert. Nachdem der Aufbau und Erfolg von privaten Hochschulen in Deutschland vor allem im Hinblick auf die Qualität der Forschung relativ bescheiden geblieben ist, werden von den BefürworterInnen der unternehmerischen Hochschule die staatlichen Hochschulen ins Visier genommen. Der zentrale Ansatzpunkt dabei ist die »Verbetriebswirtschaftlichung« der Handlungs-, Entscheidungs- und Steuerungsprozesse in den Hochschulen. Die Versuche, unter dem Titel der Governance die traditionellen Selbstverwaltungsmodelle der Universitäten durch Managementmodelle abzulösen, sind in diesem Kontext zu sehen. Gleiches gilt für die angestrebte Professionalisierung des Hochschulpersonals auf allen Managementstufen. Dies zielt insbesondere auf eine stärkere Stellung der Leitungsfunktionen, also der Dekane, Präsidenten und Rektoren – dies sind überwiegend Männer. Mancherorts sind Universitäts-Präsidenten bereits mit einer Machtfülle ausgestattet, die der von Vorstandsvorsitzenden ähnelt. Dazu passt, dass Hochschulen sich zunehmend als Marke verstehen, die es im internationalen Wettbewerb um kluge Köpfe strategisch zu positionieren gilt.

Unter dem Vorzeichen einer vermeintlichen Stärkung der Hochschulautonomie wurden zudem fast flächendeckend neue Steuerungsinstrumente wie Globalhaushalte, eigenes Berufungsrecht, Zielvereinbarungen, Qualitätsmanagement sowie die eigenständige Auflegung von Studiengängen eingeführt. Die Handlungskompetenz und -verantwortung verschoben sich damit nachhaltig von der staatlich-ministeriellen Seite zu den Hochschulen beziehungsweise ihren Leitungen.

Dem Leitbild einer unternehmerischen Hochschule setzen die Gewerkschaften das Konzept einer demokratischen und sozialen Hochschule entgegen. Es entspricht im Kern dem wissenschaftspolitischen Programm der GEW von 2009 sowie dem hochschulpolitischen Programm des DGB von 2012. Beide Programme zielen statt auf Wettbewerb und Deregulierung auf die Demokratisierung der Wissenschaft, die soziale Öffnung der Hochschulen, die Realisierung von Geschlechtergerechtigkeit sowie auf gute und faire Arbeits- und Studienbedingungen in der Wissenschaft mit planbaren und verlässlichen Berufs- und Karriereperspektiven. Diese programmatischen Eckpunkte wurden 2010 von der GEW im Rahmen des »Templiner Manifestes« zu einem 10-Punkte-Programm zur Reform der Personalstrukturen und Berufswege in Hochschule und Forschung gebündelt. Nicht zuletzt die inhaltliche Ausstrahlung dieser Programme schaffte – neben dem Engagement der vielen beteiligten KollegInnen – eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Durchführung der Aktionswoche zum »Traumjob Wissenschaft« im letzten Monat.


Dieser Artikel ist Teil des bbz-Themenschwerpunkts „Privatisierung bedroht Bildung“