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Wildwuchs in der Erzieher*innenausbildung

Privatschulen ohne Aufsicht

Immer mehr Schüler*innen lernen an immer mehr privaten beruflichen Schulen. Privatschulen unterliegen im Gegensatz zu staatlichen Schulen einer beschränkten Kontrolle.

Foto: GEW BERLIN

Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Anzahl der privaten beruflichen Schulen in den letzten 25 Jahren ungefähr verdoppelt. Rund 10 Prozent aller Schüler*innen an beruflichen Schulen in Deutschland lernen an privaten Schulen. In Berlin ist der Anteil deutlich höher und bewegt sich auf 20 Prozent zu.

Man mag den Trend zur Privatisierung der beruflichen Bildung besorgniserregend und bildungspolitisch falsch finden. Rein rechtlich gibt es aber auf der Basis des Grundgesetzes einen Anspruch auf Genehmigung privater Schulen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Einzelheiten regeln die Landesgesetze. Für das Land Berlin sind die Bestimmungen für Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen) im siebenten Teil des Berliner Schulgesetzes (SchulG) geregelt.

Die Genehmigung für die Aufnahme des Schulbetriebs einer Privatschule laut § 98 SchulG ist unter anderem zu erteilen, wenn die private Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen nicht hinter öffentlichen Schulen zurücksteht, sie allen Schüler*innen, ohne Rücksicht der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern, offensteht (Sonderungsverbot), die wissenschaftliche Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht und die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte genügend gesichert ist.

Die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte gilt als abgesichert, wenn über das Angestelltenverhältnis ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wird, wenn für die Lehrkräfte eine Anwartschaft auf Versorgung auf der Basis der Angestelltenversicherung erworben wird, wenn die Vergütung hinter den Gehältern an öffentlichen Schulen nicht wesentlich zurückbleibt und regelmäßig gezahlt wird. 

Privatschulen als staatliches Sparmodell

Für die rechtliche Stellung folgt daraus, dass eigentlich alle Lehrkräfte an Privatschulen einen Angestelltenvertrag haben müssten, um auch Urlaub und einen Anspruch für die soziale Absicherung zu erhalten. Da besonders in der beruflichen Bildung Lehrkräfte häufig als Spezialisten mit einem geringen Stundenanteil an den Privatschulen arbeiten, werden zahlreiche Lehrkräfte auf Honorarbasis beschäftigt. In diesen Fällen wird eine ausreichende Sicherung der rechtlichen Stellung angenommen, wenn die Mehrheit der in einem Bildungsgang zu unterrichtenden Stunden von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis erteilt werden.

Zur Sicherung der wirtschaftlichen Stellung genügt die Vergütung dann den Anforderungen, wenn grundsätzlich die Grenze von 75 Prozent der Vergütung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nicht unterschritten wird.

Für den Staat werden Privatschulen so zum Sparmodell, da die finanzielle Förderung von Ersatzschulen an eine Wartefrist gebunden ist. Dabei wird ein Zuschuss erstmalig drei Jahre nach Eröffnung der Ersatzschule gewährt, frühestens jedoch, wenn der erste Schüler*innenjahrgang die letzte Jahrgangsstufe erreicht. Das sind bei beruflichen Schulen in der Regel drei Jahre. Gemäß § 101 SchulG beträgt der Zuschuss bei beruflichen Schulen 100 Prozent der tatsächlichen Personalkosten der Privatschule, aber höchstens 93 Prozent der Personalkosten der vergleichbaren öffentlichen beruflichen Schule. Das zahlen letztlich die Beschäftigten mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und geringerer Bezahlung.

Grundsätzlich kann an einer Privatschule jede Lehrkraft unterrichten, die auch die fachliche Eignung für eine öffentliche Schule erfüllt. In der Regel sind dies grundständig ausgebildete Lehrkräfte. Das Berliner Schulgesetz sieht aber auch die Möglichkeit vor, die fachliche Eignung durch gleichwertige freie Leistungen nachzuweisen. Dieses trifft wegen der starken Spezialisierung bei einzelnen Fächern schwerpunktmäßig auf die Privatschulen in der beruflichen Bildung, zum Beispiel in der Erzieher*innenausbildung und der Altenpflege, zu. 

Die Anerkennung dieser Leistungen erfolgt immer in einer Einzelfallentscheidung. Dabei wird geprüft, ob die vorhandene fachliche beziehungsweise wissenschaftliche Ausbildung sowie die ausgeübten Tätigkeiten als Ersatz für die an sich erforderliche Ausbildung und erforderlichen Prüfungen angesehen werden können. 

In Zeiten akuten Lehrkräftemangels ist es allerdings fraglich, ob Privatschulen auf ausreichend qualifiziertes Personal zurückgreifen können.

Die wenigsten Schulträger wenden den Tarifvertrag der Länder (TV-L) an oder zahlen angemessene Honorare.

Die Prüfung der formalen Voraussetzungen für die Aufnahme des Schulbetriebs erfolgt zunächst nach Aktenlage der bei der Senatsbildungsverwaltung eingereichten Unterlagen. Gemäß § 95 SchulG unterstehen die Schulen in freier Trägerschaft der Aufsicht der Schulaufsichtsbehörde. Die staatliche Schulaufsicht beschränkt sich aber auf die (dauerhafte) Einhaltung der Voraussetzungen für die Genehmigung beziehungsweise Anerkennung.

Selbst wenn vor Ort lediglich überprüft werden soll, dass Lehrkräfte in einem wirtschaftlich und rechttich gesicherten Arbeitsverhältnis stehen und nicht prekär beschäftigt werden, oder um auf Beschwerden von Schüler*innen, Auszubildenden oder Lehrkräften schulaufsichtlich adäquat reagieren zu können, wäre es erforderlich, die Schulaufsicht für die privaten beruflichen Schulen personell so auszustatten, dass sie dieser Aufgabe auch gerecht werden kann. Auch der Rechnungshof hält eine vertiefte Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen für erforderlich, steht und fällt damit doch auch die regelmäßige Überprüfung der Fördervoraussetzung. 

Im Hinblick auf das Sonderungsverbot versagt die Kontrolle seitens der Schulaufsicht ebenfalls, wie das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung in einem Discussion Paper vom Juli 2017 festgestellt hat. In der Dienstkräfteanmeldung für den laufenden Doppelhaushalt sind lediglich zwei Personen für die Schulaufsicht berufliche Schulen in freier Trägerschaft beantragt. Damit lassen sich die 127 Schulen in diesem Bereich nicht rechtskonform überprüfen. Nur eine handlungsfähige Schulaufsicht kann sicherstellen, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Genehmigungs- und Anerkennungsvoraussetzungen auch konsequent umgesetzt werden können.

Wie garantiert der Staat seinen Erziehungsauftrag?

Privatschulen verfügen über eine große Freiheit der internen Gestaltung der Unterrichtsinhalte und Organisation, da sie weder verpflichtet sind, sich ein Schulprogramm geben zu müssen, noch der Kontrolle durch die Schulinspektion unterliegen. Da stellt sich auch die Frage nach dem generellen Erziehungsauftrag nach § 1 des Schulgesetzes. Wie stellt der Staat sicher, dass dies gewährleistet ist? Gerade an beruflichen Schulen, wo viele Honorarkräfte unterrichten, fehlt hier sogar die Kontrolle durch den Arbeitgeber, da dieser ja gegenüber Honorarkräften nicht weisungsbefugt ist.

Fraglich ist auch, ob in allen Privatschulen die Lernfeldorientierung in der beruflichen Bildung nachvollzogen wird. Verpflichtend ist das für sie nicht. Hinzu kommt, dass die wenigsten Lehrkräfte vollständige Lernfelder unterrichten können, sondern eher in sehr eng begrenzten Themenbereichen eingesetzt werden. Das fördert weder handlungsorientiertes ganzheitliches Lernen, noch Teamstrukturen.

Wenn in der Debatte um die Weiterentwicklung der beruflichen Schulen ein Qualitätsmanagement mit der Entwicklung einheitlicher Standards gefordert wird, dürfen die beruflichen Schulen in freier Trägerschaft davon nicht ausgenommen werden, um die hohe Qualität der beruflichen Bildung auch weiterhin auf allen Ebenen zu gewährleisten.    

Lernfeldorientierung: Der Unterricht in fast allen Ausbildungsberufen ist lernfeldorientiert. Auch das Fachschulstudium der Erzieher*innen beispielsweise findet in Lernfeldern statt, die sich an konkreten beruflichen Aufgaben und Handlungsabläufen  orientieren. In ihnen werden praxisorientiert übergreifend problemorientierte Aufgabenstellungen behandelt. Die Lernfelder, die beispielsweise der Autor des Artikels auf Seite 8 bis 9 unterrichtet, beschäftigen sich mit den Themenfeldern »Lebenswelten und Diversität wahrnehmen, verstehen und Inklusion fördern« und »Institution, Team und Qualität entwickeln sowie in Netzwerken  kooperieren«.
 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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