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Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit

Psychisch gesund trotz steigender Belastung

Die Belastungen von Pädagog*innen in allen Bereichen steigen. Der Arbeitsschutz hält jedoch Instrumente bereit, die noch nicht überall genutzt werden.

Foto: Christian von Polentz

Als Betriebsrätin bekomme ich täglich viele Mails, leider häufiger vom Arbeitgeber als von Kolleg*innen. Aber diesmal ist eine aus unseren Kitas dabei. Eine Kollegin sendet ihre Gefährdungsanzeige sowohl an den Arbeitgeber als auch an den Betriebsrat.

Seit vielen Jahren ist die Gefährdungsanzeige ein wiederkehrendes Thema. Wir weisen bei den meisten Versammlungen darauf hin, senden den Kolleg*innen bei Bedarf Vordrucke und erfragen beim Arbeitgeber, ob und wie die Gefährdung behoben wurde. Kolleg*innen in den Einrichtungen berichten häufig von großer Überlastung, vor allem durch zu wenig Personal. Dennoch erscheint die Gesamtanzahl der Gefährdungsanzeigen gering. Vielleicht ist das Mantra »Fachkräfte können wir uns nicht backen« mittlerweile so sehr Allgemeingut geworden, dass die Kolleg*innen nicht mehr daran glauben, die Lage ändern zu können. Den Personalschlüssel legt außerdem die Senatsverwaltung fest und nicht der Arbeitgeber. Das ist oft der Holzhammer, mit dem jede Anfrage erledigt wird. Doch Rahmenbedingungen, die die Arbeit weniger belastend machen, beinhalten mehr als eine zusätzliche Fachkraft. Das fängt bei der Arbeitsorganisation, wie der Urlaubsplanung an, wobei die Urlaubsgrundsätze vom Betriebsrat mitbestimmt werden sollten. Und es hört bei der Frage, ob Leitungskräfte trotz vieler organisatorischer Aufgaben nicht in den Gruppen mitarbeiten könnten, wenn es notwendig ist, nicht auf. Eine zusätzliche Verwaltungskraft könnte sie derweil bei anderen Aufgaben unterstützen.

 

Gefährdungsanzeigen können Arbeitsbedingungen verbessern

 

Veränderungen sind nur dann möglich, wenn der Arbeitgeber konkret über die Situation vor Ort Bescheid weiß. Wenn ich eine Gefährdungsanzeige stelle, weise ich  vor allem darauf hin, dass ich meine Arbeit aufgrund der hohen Belastung nicht mehr in vollem Umfang ausführen kann, dass mir vielleicht Fehler passieren. Denn, wenn durch die Gefährdung eine betreute Person zu Schaden kommt oder Sachschaden entsteht, können Ersatzansprüche entstehen. Eine Gefährdungsanzeige ist insofern wichtig, um sich vor straf-, arbeits- sowie zivilrechtlichen Konsequenzen zu schützen.

Wiederholte Gefährdungsanzeigen in Einrichtungen sollten außerdem dazu führen, dass eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen außer der Reihe durchgeführt wird. Denn offenbar gibt es dort Gefährdungen, denen auf anderem Weg nicht abgeholfen werden kann.

Seit dem Jahr 2013 steht im Arbeitsschutzgesetz §4 die Formulierung, dass die Arbeit so zu gestalten ist, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird. Der Arbeitgeber ist seither verpflichtet, auch psychische Gefährdungen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu erfassen und zu beheben. Psychische Gefährdungen können durch Arbeitsinhalte und Aufgaben, Zeit- und Termindruck, durch die Arbeitsorganisation, beispielsweise unklare Kompetenzregelungen, aber auch durch soziale Beziehungen und Konflikte entstehen. Weitere Bereiche, die in einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung erfasst werden, sind die Arbeitsumgebung, Lärm oder fehlende ergonomischen Arbeitsmittel sowie die sogenannten neuen Arbeitsformen, also befristete Verträge, Zeitarbeit oder die Entgrenzung von Arbeit.

Die Gefährdungsbeurteilung soll der Arbeitgeber in einem regelmäßigen Turnus durchführen. Der Betriebsrat mit seiner starken Mitbestimmung im Arbeitsschutz ist an der Umsetzung zu beteiligen und es ist sinnvoll, hierzu eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, in der festgelegt wird, wie das geschieht.

Erfolgreich etwas in der eigenen Einrichtung zu verändern, gelingt nur, wenn sich viele Kolleg*innen an der Erfassung der psychischen Belastungen beteiligen, sei es im Rahmen einer Befragung oder in einem Workshop, und die Problemlagen offen thematisieren. Dann kann die Gefährdungsbeurteilung in Verbindung mit der Gefährdungsanzeige dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen aller zu verbessern.          

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46