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blz 06 / 2014

Rassismus in der Schule

SchülerInnen über ihre Erfahrungen mit den Lehrkräften

Die meisten Lehrer übertreiben’s nicht mit den rassistischen Äußerungen«. Dieser Satz, der in einer unserer zwei Gruppendiskussion Berliner (post-)migrantischer SchülerInnen über ihre Situation in der Schule fiel, verrät einiges über ihren schulischen Alltag. Obwohl der Kommentar wohlwollend gemeint war, zeigte er auch, dass rassistische Zuschreibungen und Diskriminierungen mit zum schulischen Alltag gehören. Fast alle Teilnehmenden berichteten von benachteiligenden Situationen wie dem Ausschluss bei der Vergabe von Stipendien oder unberechtigten Verdächtigungen bis hin zu konkreten Beleidigungen durch Lehrkräfte. Besonders häufig thematisierten die Jugendlichen aber die Stereotype ihrer Lehrkräfte.

Sie werden mit Zuschreibungen konfrontiert, die nicht auf sie zutreffen, aber dazu beitragen, sie als »anders« zu markieren. Stereotypen dienen letztlich dazu, symbolische Grenzen festzuschreiben, und tragen zur Aufrechterhaltung der Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Ordnung bei.

Ein wichtiges Instrument für die Herstellung von Differenz ist die Religionszugehörigkeit: Bei Deutschen werde nicht gefragt, ob es in der Bibel stehe, dass man dies oder jenes machen könne. Bei Arabern heiße es aber gleich »›Steht bei euch im Koran, dass ihr sowas machen dürft?‹ Da wird ein Unterschied gemacht«, erklärte einer der Schüler. Die Lehrkraft setzt den Schüler hier in Bezug zu bestimmten Vorstellungen vom Islam. Dabei werden die unterschiedlichen Richtungen des Islam ebenso ausgeblendet wie die Möglichkeit, dass SchülerInnen auch nichtreligiös sein können.

Ein weiterer Stereotyp, mit dem sich die SchülerInnen oft konfrontiert sahen, ist das negative Bild, das die Lehrkräfte von ihren Eltern haben. Da heißt es, dass die SchülerInnen eine schlechte Erziehung genossen hätten: »Du hast keinen Respekt gelernt von deinen Eltern«. Andere Lehrkräfte wiederum pflegen die Vorstellung von gewalttätigen Eltern: Die sagen »›Ich ruf deine Eltern an‹, weil die denken wir haben Angst, dass unsere Eltern uns schlagen«. Bei »deutschen« SchülerInnen werde diese Drohung deutlich seltener ausgesprochen. Von einem Diskussionsteilnehmer wurde dies als »so richtig gezielt rassistisch« verstanden. Die SchülerInnen wollten aber auch nicht generalisieren: »Lehrer sind unterschiedlich, manche behandeln alle Schüler gleich«.

Insgesamt aber sprechen die Jugendlichen überwiegend Situationen an, in denen sie von den Lehrkräften eher durch eine stereotype, differenzorientierte und homogenisierende Brille wahrgenommen werden, anstatt die individuelle Lebenssituation der Einzelnen anzuerkennen. »Die meisten Lehrer übertreiben’s nicht mit den rassistischen Äußerungen.« bringt dieses Problem auf den Punkt. Um explizit beabsichtigten Rassismus handelt es sich eher selten. Dennoch sind Diskriminierungen in der Schule und durch Lehrkräfte alltäglich. Sie sind besonders folgenschwer, da die Schule eine Schlüsselrolle für die Jugendlichen und ihre Zukunftschancen spielt.

Für eine chancengleiche und nicht-rassistische Schule

  • Rassismus und Umgang mit Diversität sollte stark in LehrerInnen-Aus- und Fortbildungen einbezogen werden. Lehrkräfte brauchen Raum und Anregung, um Stereotype und eigene Verhaltensweisen reflektieren zu können.
  • LehrerInnen sind oftmals gleichzeitig Akteure der Diskriminierung und wichtige institutionelle Ansprechperson bei schulischen Problemen. Die Teilnehmenden haben meist die Erfahrung gemacht, dass sie sich gegen Diskriminierung in der Schule nicht wehren können. Deshalb sollte eine unabhängige Anlaufstelle eingerichtet werden, die SchülerInnen unterstützt, wenn sich diese mit Diskriminierung konfrontiert sehen.
  • Die Jugendlichen bewerteten es ausschließlich positiv, an eine Schule mit einem hohen Anteil von migrantischen SchülerInnen zu gehen. Sie hoben dies als einen Schutzfaktor gegen Diskriminierung hervor. Dies sollte nicht unberücksichtigt bleiben, wenn über die Zusammensetzung der SchülerInnenschaft debattiert wird.
 

* Birgit Peter und Sophie Groß studieren Sozialwissenschaften im Master an der Humboldt-Universität Berlin und haben die beiden Gruppendiskussionen im Rahmen einer Forschungsarbeit durchgeführt.