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Schwerpunkt "Rechte Strategien"

Rechtsextremismus fordert Berliner Schulen heraus

Seit mehr als zwanzig Jahren berät und unterstützt die »Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin« (MBR) Schulen.

Foto: Jacob Hehlke

Viele Anfragen, welche die MBR erreichen, haben Vorfälle zum Anlass, an denen Schüler*innen beteiligt sind. Es werden Hakenkreuze in Tische gekratzt oder auf Wände geschmiert, in WhatsApp-Klassenchats tauchen Hitlerbildchen oder rassistische und antisemitische »Witze« auf. Schüler*innen tragen Kleidungsstücke mit Bandnamen und -logos, die in der rechtsextremen Szene beliebt sind, sie malen Bilder mit NS-Bezug im Kunstunterricht und Ähnliches. An einzelnen Gymnasien bemühen sich zudem selbstbewusste junge Rechte, den Politikunterricht zur Bühne ihrer mehr oder weniger redegewandten Agitation zu machen.

Doch auch Teile des Kollegiums können problematisch sein, etwa wenn eine Lehrkraft politische Ämter für die rechtsextrem dominierte AfD bekleidet und rechte Positionen im Lehrkräftezimmer derart vehement vertritt, dass andere Kolleg*innen diesen Raum meiden. Oder wenn sich eine Lehrkraft weigert, den Namen einer Schülerin richtig auszusprechen und das mit rassistischen und frauenverachtenden Vorstellungen begründet. Auch kann es passieren, dass sich Eltern in Elterngesprächen oder bei Elternabenden rechtsextrem, rassistisch oder verschwörungsideologisch äußern, oder dass der rechtsextreme Hintergrund einzelner externer Kooperationspartner*innen, etwa im Sportbereich, bekannt wird.

 

Junge Menschen als Zielgruppe, Schule als Kampf- und Rekrutierungsfeld

 

Eine weitere Herausforderung ist die gezielte Ansprache von Jugendlichen durch Rechtsextreme. Seit dem Herbst vergangenen Jahres verteilt etwa die neonazistische Kleinstpartei »Der III. Weg« im Rahmen einer »Schulhof-Offensive« Flyer vor Schulgebäuden. Auch die »Junge Alternative«, die Jugendorganisation der AfD, hat Propagandamaterial speziell für Schüler*innen entwickelt und bemüht sich darin um einen jugendgemäßen, rebellischen Gestus.

Gerade das Bildungs- und Schulwesen sowie die Jugendarbeit sind bevorzugte Felder eines rechtsextremen Kulturkampfes, da hier große Möglichkeiten der Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche bestehen. Aus nationalistischer Sicht erscheint es besonders wichtig, junge Menschen zu gewinnen und zu indoktrinieren, um die angeblich bedrohte Zukunft der Nation zu retten.

Den Kulturkampf um die Schule führt die AfD auf mehreren Ebenen. Im Zentrum steht die Diffamierung und Anfeindung von Lehrkräften und Schulleitungen, die sich klar gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus positionieren und die sich für eine moderne, an Chancengleichheit und Teilhabe orientierte demokratische Schule einsetzen. Die AfD versucht insbesondere, den Begriff der »Neutralität« umzudeuten. Aus einer parteipolitischen Neutralität, zu der Lehrkräfte fraglos angehalten sind, möchte die AfD eine Werteneutralität machen. So soll eine kritische Auseinandersetzung mit den menschenverachtenden und antidemokratischen Inhalten der AfD verhindert werden (siehe auch Seite 28).

 

Kulturelles und mediales Streben nach Vormacht

 

Besonders in der Schule wird die Pluralisierung und Modernisierung rechtsextremer Jugendkultur sichtbar. Immer wieder treten hier neue Symbole und Codes, Bekleidungsmarken und Bands in Erscheinung. Zu den nach wie vor existierenden Musikszenen Rechtsrock und rechtsextreme Singer/Songwriter ist rechtsextremer Deutsch-Rap hinzugekommen, mit teilweise erheblicher Reichweite.

Nicht nur kulturelle und symbolische Inhalte, auch Medien und Formate haben sich gewandelt. Die AfD ist mit Abstand die erfolgreichste Partei auf TikTok. Über Messenger-Dienste wie Telegram werden rechtsextreme und verschwörungsideologische Inhalte millionenfach verbreitet.

Dabei kommt die an Kinder und Jugendliche gerichtete rechtsextreme Ansprache häufig nicht vordergründig ideologisch daher, sondern setzt gern auf flache, gewollt lustige Verhöhnung und Verächtlichmachung politischer Gegner*innen. Eine ganze Reihe rechtsextremer und verschwörungsideologischer Streamer*innen und Influencer*innen macht sich mit einem derartigen Vorgehen die Seh-, Hör- und Unterhaltungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen zunutze. Andere Rechtsextreme, etwa aus dem Umfeld der Partei »Der III. Weg« oder der »Identitären Bewegung«, versprechen vor allem Gemeinschaftserlebnisse und sportlich-kämpferische Ertüchtigung.

 

Empfehlungen für die demokratische Schule

 

Rechtsextremismus zu begegnen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und auch und gerade Lehrkräfte sind in vielfältiger Weise und auf unterschiedlichen Ebenen mit seinen Erscheinungsformen konfrontiert. Weit verbreitet ist indes die Neigung, Vorfälle mit Bezug zu Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nicht an die Schulbehörde zu melden, geschweige denn, sie an die Öffentlichkeit zu bringen. Damit soll eine Stigmatisierung der eigenen Schule vermieden werden, aber auch Überlastung und Resignation mögen mancherorts eine Rolle spielen.

Doch damit Probleme überhaupt bearbeitet werden können, müssen sie bekannt sein. Ohne aufmerksame, engagierte Lehrkräfte, Schüler*innen sowie Eltern, die vorhandene Meldestrukturen aktiv nutzen, werden auch Meldepflichten wirkungslos bleiben.

Es braucht deswegen Ermutigung – in erster Linie durch die Schulleitungen, aber auch durch Verantwortliche in übergeordneten Behörden und in der Berliner Politik – und es braucht eine Kultur des Hinsehens, Zuhörens und Miteinander-Redens.

Schulen sind nach wie vor sehr hierarchisch aufgebaut. Ohne oder gar gegen eine Schulleitung zu agieren, wird schwerfallen. Umgekehrt kann eine problembewusste, fördernde Schulleitung enorm viel ermöglichen.

Ob eine Schule angemessen auf Vorfälle mit Bezug zu Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologie reagieren kann, wird davon abhängen, wie gefestigt ihre demokratische Kultur ist. Eine solche Kultur kann nicht mittels einer einzelnen Unterrichtseinheit, eines Projekt- oder Fortbildungstages entwickelt werden. Erforderlich ist vielmehr eine dauerhafte, planvolle Anstrengung im Zusammenwirken von engagierten Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern mit einer offenen und fördernden Schulleitung. Externe fachliche Unterstützung kann wertvolle Hilfe in einem solchen Prozess leisten, vermag aber die notwendige Dynamik von Menschen aus der jeweiligen Schule nicht zu ersetzen.

In Beratungsprozessen der MBR zeigt sich immer wieder: Wichtig sind ein frühzeitiges Eingreifen sowie ein Austausch über Veränderungen an der Schule – und zwar bevor Grenzen verschoben oder überschritten sind. Idealerweise sollten menschenverachtende, antidemokratische Aussagen oder Verhaltensweisen, gleich welchen Charakters und von welcher Seite, niemals unwidersprochen im Raum stehen bleiben. Es ist nicht notwendig, auf jede Grenzüberschreitung mit viel Aufwand zu reagieren, aber eine kurze Positionierung und Klarstellung scheint wichtig.

Um dies zu leisten, müssen Lehrkräfte auch subtile und modernisierte Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und rechtsextremer Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche wahrnehmen und deuten können. Regelmäßige Fortbildungen helfen, die notwendige Sensibilität zu entwickeln und ihr Wissen zu erweitern. Solche Fortbildungen sollten idealerweise Teil des Studiums und des Referendariats sein und auch berufsbegleitend stattfinden. Mittlerweile gibt es viele Angebote, Ressourcen und Chancen für eine erfolgreiche schulische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus – sie wollen intensiv genutzt werden!

 

www.mbr-berlin.de

 

Angebot der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) für Lehrkräfte und Schulen

Die MBR berät seit vielen Jahren Bildungseinrichtungen, Kollegien sowie einzelne Lehrkräfte in Berlin. Die Beratung geschieht vertraulich, kostenlos und nachfrageorientiert mit dem Ziel einer Hilfe zur Selbsthilfe. Ebenso bietet die MBR Fortbildungen an – von kurzen Vorträgen bis zu ganztägigen Workshops. Die MBR kann sowohl bei der universitären Ausbildung von Lehrkräften als auch im Rahmen von Schulpraktischen Seminaren hinzugezogen werden.

E-Mail: info(at)mbr-berlin(dot)de

Telefon: 030 / 817 985 819

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46