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Tendenzen

Repression statt Debatte

Nach dem 7. Oktober eskaliert in Deutschland nicht nur der Antisemitismus, sondern auch die Angst vor Repression bei Solidarität mit Palästina.

Foto: IMAGO

Seit dem brutalen Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel nimmt antisemitische Gewalt in Deutschland erheblich zu. Gewerkschaften müssen entschieden für den Schutz jüdischen Lebens eintreten und gleichzeitig eine kritische Auseinandersetzung um die Politik der Regierung Netanjahus suchen. Denn deren Kriegsführung in Gaza kostet laut dortigem Gesundheitsministerium bisher schon über 54.000 Palästinenser*innen das Leben – auch legitimiert durch die Haltung der deutschen Regierung, die Netanjahus Politik als Selbstverteidigung rechtfertigt und Waffen liefert. 

Bärbel Bas, Ministerin für Arbeit und Soziales, sagte der »Berliner Zeitung« (28. April 2025): »Ich denke, es ist wichtig für junge Menschen zu wissen, dass man das Existenzrecht des Staates Israel unterstützen und gleichzeitig die Politik der israelischen Regierung kritisieren kann. Viele haben Angst, wenn sie das tun, werden sie als Israelhasser abgestempelt. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist groß.« Kein Wunder, haben doch bereits Menschen aufgrund von palästinasolidarischen Äußerungen arbeits- oder dienstrechtliche Konsequenzen zu spüren bekommen – darunter Marjam Samadzade, ehemalige Staatssekretärin für Integration in Schleswig-Holstein.

Der Bundestagsbeschluss vom 29. Januar 2025, der sich gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Hochschulen und Schulen wendet, fordert »die konsequente Anwendung des Hausrechts, den temporären Ausschluss vom Unterricht oder Studium bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren Fällen«. Anwendung fand er bereits bei der versuchten Abschiebung von vier ausländischen Studierenden, die an Besetzungen in der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin beteiligt waren. Gerade an den Hochschulen gibt es eine starke Solidaritätsbewegung mit Palästina, die zu Zeltcamps und besetzten Hörsälen führt, gegen die die Unileitungen hilflos mit der Polizei agieren. Das soll aber nicht heißen, dass Schmierereien und Zerstörungen zu rechtfertigen wären.

Die Angst vor Repression ist besonders in Berlin, der europäischen Großstadt mit der größten palästinensischen Community, alarmierend. Viele sind direkt betroffen und sorgen sich um ihre vertriebenen, ausgebombten oder gar ermordeten Verwandten. 

Eine Kollegin mit Familie im Südlibanon schrieb am 14. Mai: »Die direkte Konfrontation mit dieser allumfassenden Zerstörung ist kaum in Worte zu fassen. Israel bricht weiterhin den Waffenstillstand durch gezielte Tötungen, Beschuss von Fahrzeugen und Personen. Moscheen, Schulen, aber auch Friedhöfe sind neben den ganz normalen Wohnhäusern dem Erdboden gleichgemacht. Dieser Wahnsinn wird zu einem nicht unerheblichen Teil mit deutschen Waffen ausgeführt! Meine Steuergelder für die Vernichtung eines Teils meiner Familie sowohl im physischen Sinne als auch aufgrund der Vernichtung ihrer Lebensgrundlage.« 

Wie sollen Schüler*innen und Student*innen da angstfrei und kritisch diskutieren, deren Angehörige vielleicht gerade auf der Flucht angegriffen oder vertrieben wurden? Diese Politik verstößt gegen geltendes Völkerrecht und darf nicht weiter unterstützt werden – weder durch Waffen noch durch diplomatische Anerkennung bei Staatsbesuchen.