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bbz 04-05 / 2017

Sammelpunkt der kleinen Fische

Wenn sich Kolleg*innen an einer Schule zusammentun, können sie bereits mit kleinen Schritten Großes bewirken

An Sitzungen mangelt es an Schulen nicht. Ob Fachkonferenzen, Teamsitzungen oder Arbeitsgruppen zum schulinternen Curriculum – es kommt auch neben dem Unterricht nicht gerade Langeweile auf. Warum also den Kraftakt angehen, auch noch die Mitglieder und Sympathisant*innen der GEW an einen Tisch zu bringen? Nach fünf Jahren Gewerkschaftsarbeit an meiner Schule bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass wir für eine schlagkräftige Interessenvertretung eine gut organisierte Basis brauchen. Ich möchte dazu ermutigen, diese Aufgabe an jeder Schule anzugehen.

Große Unterschiede zwischen den Schulen

Was laut der Satzung der GEW BERLIN als Normalfall beschrieben wird, ist real sehr unterschiedlich verbreitet. Einzelne Schulen haben eine lange Tradition lebendiger Gewerkschaftsarbeit mit regelmäßigen Treffen, kontinuierlichen Diskussionen, Initiativen zu Gesamtkonferenzen und einer großen Beteiligung bei Streiks und Protesten. Solche Schulgruppen waren im West-Berlin der 70er und 80er Jahre weiter verbreitet als heute. An einigen anderen Schulen haben Kolleg*innen noch nie davon gehört, dass sich die Gewerkschaft überhaupt in Schulgruppen organisiert. »Die GEW« ist dort vor allem als ferne Geschäftsstelle existent. In den Ost-Bezirken fehlt oft eine Tradition freiwilliger Basisarbeit. Die Wende wurde hier auch als eine Befreiung von verpflichtenden Gewerkschaftstreffen erlebt.

Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Mit dem Kampf der angestellten Lehrkräfte ist gewerkschaftliches Leben in viele Kollegien zurückgekehrt. Die Angestellten haben den Streik an ihrer Schule dabei selbst organisiert. Sie haben sich abgesprochen und Kolleg*innen zur Teilnahme motiviert, an Streikversammlungen teilgenommen, Material gebastelt, Streikwesten und Plakate aus der Geschäftsstelle abgeholt, Flugblätter an Eltern und Schüler*innen verteilt, manchmal den Konflikt mit Schulleitungen und Eltern ausgehalten, in Streikcafés den Kontakt zu Nachbarschulen gesucht und an unzähligen Demos teilgenommen.

Diese Erfahrung zeigt, dass die Kolleg*innen bereit sind, organisiert, kreativ und ausdauernd für ihre Interessen einzutreten, wenn sie die Hoffnung haben, durch kollektive Aktionen etwas zu erreichen. Die Aktivierung für die Streikbewegung hat jedoch nicht automatisch dazu geführt, dass sich die Beteiligten an ihren Schulen längerfristig als GEW-Gruppe zusammengefunden hätten. Geblieben ist vielfach eine allgemeine Mobilisierungsbereitschaft – auch ohne Schulgruppe und Vertrauensperson.

Organisierung darf nicht Mehrarbeit sein

Wenn wir bei der Organisierung einen Schritt weiterkommen wollen, dann müssen wir die Auswirkung der hohen Arbeitsbelastung anerkennen: Viele Kolleg*innen fühlen sich an die Wand gedrückt. Im Alltag geht es oft nur darum, gesund zu bleiben, den eigenen Ansprüchen an pädagogische Arbeit nicht völlig zuwider zu handeln und noch ein bisschen Luft für das Privatleben zu haben. Wenn da noch GEW-Aktivität Platz haben soll, dann muss sie einen Nutzen bringen. Einen unmittelbaren Nutzen sehe ich darin, dass die Schulgruppe der Anlaufpunkt sein kann für eine Aussprache und Diskussion, deren Richtung und Zweck nicht vom Senat oder von der Schulleitung bestimmt wird, sondern von uns selbst. Das Bedürfnis danach ist da. Normalerweise artikuliert es sich in kurzzeitigem Dampfablassen im Lehrer*innenzimmer.

Im Rahmen von GEW-Treffen können die Arbeitsbedingungen gemeinsam reflektiert werden. Die Erfahrung vieler Kolleg*innen ist nötig, um zu beurteilen, welche Belastungen hausgemacht sind und welche »von oben« kommen. Die Schulgruppe sollte Probleme identifizieren, bei denen vielen Kolleg*innen »der Schuh drückt« und die auch in ihrem Einflussbereich liegen. Wenn es uns gelingt, die Bedingungen im Betrieb durch kollektives Handeln zu verbessern, dann wird der Sinn gewerkschaftlicher Organisation erfahrbar.

Die Schulgruppe kann eine Ideen-Werkstatt werden, wie sich die Mitbestimmungsrechte der Gesamtkonferenz nutzen lassen. Die Verteilung von Stunden lässt sich transparenter regeln; Grundsätze zu Springstunden und Aufsichten können festgelegt werden; die außerunterrichtlichen Tätigkeiten von Teilzeitbeschäftigten unterliegen dem Votum der Gesamtkonferenz.

Schuhdrücker*innen den Kampf ansagen

Einen wichtigen Unterschied macht dabei, ob die Schulleitung berechenbar, transparent und auf Augenhöhe kommuniziert, Belastungen möglichst vermeidet und Mitbestimmungsrechte wahrt – oder ob sie selber ein »Schuhdrücker« ist. In letzterem Fall sollten auf GEW-Treffen Erwartungen an Leitung gesammelt und hierarchisiert werden. Zielführend ist ein Plan, wie die drei wichtigsten Erwartungen artikuliert und gemeinsam Veränderungen eingefordert werden können.

Auch einer selbstherrlichen Leitung lassen sich Grenzen setzen. So kann eine außerordentliche Gesamtkonferenz eingefordert werden, um akute Probleme zu verhandeln; die Gesamtkonferenz kann sich eine schulinterne Geschäftsordnung geben, um Mitbestimmungsrechte klarer zu fixieren. Auch kleine Erfolge – gemeinsam durchgesetzt – wirken wie eine Befreiung. Sie stärken den aufrechten Gang und die Solidarität im Kollegium.

Die größten »Schuhdrücker*innen« bleiben jedoch die vom Senat gesetzten Rahmenbedingungen, die zunächst mal nicht in unserem unmittelbaren Einflussbereich liegen. Um hier voran zu kommen, brauchen wir landesweit eine starke GEW. Auch in dieser Hinsicht hat sich in den letzten Jahren viel ge-tan. Jedoch wird der Erfolg der gerade anlaufenden GEW-Kampagne zur Arbeitsentlastung davon abhängen, wie diese Auseinandersetzung von der Basis getragen wird. Nötig ist die Verbindung unserer Bemühungen, Entlastung an jeder einzelnen Schule zu erreichen, mit der landesweiten Kampagne. Eine allgemeine Mobilisierungsbereitschaft wird dafür nicht reichen. An möglichst jeder Schule muss die Kampagne Thema werden. In den Bezirken kann ein Austausch erfolgen. Bei landesweiten Veranstaltungen zum Thema ist die Beteiligung möglichst vieler Schulen gefragt.

Mit kleinen Schritten zu viel Vertrauen

Um eine demokratische Entscheidungsfindung zu erreichen, brauchen wir in einer Gewerkschaft, die weitgehend ehrenamtlich organisiert ist, engagierte Vertrauensleute. Diese werden von den Mitgliedern gewählt und sind ein Bindeglied zwischen der Schulgruppe und den Gremien der GEW. Sie leiten Informationen aus den Schulen, Positionen und Kritik der Mitglieder an Bezirksleitung und Vertrauensleutekonferenz weiter. Andersherum informieren sie an der Schule über wichtige Entwicklungen und geplante Aktionen. Mit aktiven Schulgruppen und Vertrauensleuten erreichen wir eine größere Kontinuität und können gezielter Veränderungen anpacken.

Wie könnten erste Schritte in der Praxis aussehen? Sucht euch im Kollegium ein oder zwei andere GEW-Mitglieder und ergreift gemeinsam die Initiative für ein Treffen. Oft sind auch Kolleg*innen, die noch kein GEW-Mitglied sind, interessiert. Wenn sich fünf bis sechs Kolleg*innen zusammensetzen – und sei es erst einmal nur in der Mittagspause – dann ist bereits viel gewonnen. Vereinbart, wie ihr euch künftig austauschen wollt (Mailingliste, Whatsapp, Pausenforum). Vergleicht mögliche Zeitfenster für regelmäßige Treffen. Entscheidend ist: Es geht nicht um zusätzliche Termine, sondern um einen Sammelpunkt, um Verbesserungen zu erreichen. Besprecht beim ersten Treffen Probleme und Wünsche. Was muss an der Schule verändert werden? Wie seht ihr die Tarifpolitik oder die Bildungspolitik der GEW? Vielleicht ist schon ein gemeinsames Projekt zu erkennen.

Unter www.gew-berlin.de/bbz findet ihr die Kontakte zu den Bezirksleitungen, zur arbeits- und schulrechtlichen Beratung und zur Satzung der GEW BERLIN. Außerdem gibt es dort ausführliche Informationen für Schulgruppen und die Vertrauensleutearbeit:
• Die Broschüre »GEW-Vertrauensperson – eine gute Verbindung« gibt viele praktische Tipps für Schulgruppen und Vertrauenspersonen
• Das Infoblatt »Die Rechte der Vertrauensleute« fasst rechtliche Grundlagen der betrieblichen Gewerkschaftsarbeit zusammen und gibt Tipps zu häufigen Konfliktfällen
• Die »Schulrecht-Infos« der GEW BERLIN vermitteln praxisnah, welche Aufgaben der*die Schulleiter*in hat (und welche nicht), welche Dienstpflichten Lehrkräfte haben (und welche nicht), wie wir Anträge in schulische Gremien einbringen können und vieles mehr
• Die GEW BERLIN bietet mehrere Seminare zu Rechten am Arbeitsplatz und zur GEW-Arbeit an der Schule an.


Info-Kasten: Schulgruppen der GEW

Wo kriegen wir Tipps?
• Die Broschüre „GEW-Vertrauensperson - eine gute Verbindung“ beschreibt die Aufgaben von Schulgruppe und Vertrauensperson und gibt viele praktische Tipps. Sie kann hier bestellt werden: https://www.gew-berlin.de/336.php
• Das Infoblatt „Die Rechte der Vertrauensleute“ fasst rechtliche Grundlagen der betrieblichen Gewerkschaftsarbeit zusammen und gibt Tipps zu häufigen Konfliktfällen. Der Text kann über die Geschäftsstelle bestellt werden.
• Die „Schulrecht-Infos“ der GEW BERLIN können hier heruntergeladen werden: https://www.gew-berlin.de/schulgesetz.php Sie vermitteln praxisnah, welche Aufgaben der Schulleiter hat (und welche nicht), welche Dienstpflichten Lehrkräfte haben (und welche nicht), wie wir Anträge in schulische Gremien einbringen können und vieles mehr.
• Die Seminare der GEW BERLIN (https://www.gew-berlin.de/296.php) bieten auch Unterstützung für Gewerkschaftsarbeit an der Schule. So setzen sich mehrere Seminare mit unseren Rechten am Arbeitsplatz auseinander. Zwei Mal im Jahr findet das Seminar „GEW-Arbeit an meiner Schule“ statt.

Wer kann uns helfen?
• Die GEW-Bezirksleitung (bzw. die Abteilungsleitung der berufsbildenden Schulen) unterstützt die Aktivitäten der Schulgruppen, steht im Kontakt zu den Vertrauensleuten und organisiert deren Vernetzung. In manchen Bezirken gibt es regelmäßige Treffen aktiver Kolleg*innen. https://www.gew-berlin.de/bezirke.php
• Die GEW BERLIN bietet ihren Mitgliedern eine fundierte arbeits- und schulrechtliche Beratung. https://www.gew-berlin.de/177.php

Und was sagt die Satzung dazu?
• Der Bezirk bzw. die Abteilung gliedert sich in Betriebsgruppen, deren Bereich die jeweilige Einrichtung (Kindertagesstätte, Schule, Hochschule u.a.) umfasst. […]
• Die Mitglieder der Betriebsgruppe wählen auf jeweils 25 angefangene Mitglieder eine/n Vertrauensfrau / Vertrauensmann. […]
• Aufgaben der Betriebsgruppen sind: a) kontinuierliche Beratung gewerkschaftlicher, bildungspolitischer, schulischer, pädagogischer und sozialpädagogischer Fragen, b) Vertretung der gewerkschaftlichen Interessen in der jeweiligen Dienststelle, c) Erarbeitung von Empfehlungen und Anträgen, die in die Gesamtkonferenz und andere Gremien der eigenen Schule eingebracht werden, d) Erarbeitung von Stellungnahmen, Empfehlungen und Anträgen, die über die Vertrauensleute in die gewerkschaftlichen Gremien des Bezirks bzw. der Fachgruppe zur Beschlussfassung eingebracht werden, e) Werbung neuer Gewerkschaftsmitglieder, […] g) Zusammenarbeit mit Eltern, Schülerinnen und Schülern […]. (Satzung der GEW BERLIN, § 16, Stand 01.12.2016)


Dieser Artikel ist Teil des bbz-Themenschwerpunkts „Organizing in der GEW“ [zur gesamten Ausgabe]