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bbz 09 / 2019

Sie wussten, wie gefährlich es war

Schüler*innen des Coppi-Gymnasiums besuchen historische Orte und Gedenkstätten in Berlin, um sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen

Bild: Johannes Plenio auf Pixabay

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland«. Diese Zeile schrieb Paul Celan 1944/45 viermal in seinem Gedicht »Todesfuge« über die Judenvernichtung. Wir zitieren sie, als wir heute unsere diesjährigen Projekttage vor dem Kinderdenkmal am S-Bahnhof Friedrichstraße beginnen. Wir, das sind 13 Schüler*innen der Klassen 7 bis 9 des Coppi-Gymnasiums in Berlin-Karlshorst. Die Jugendlichen erfahren, dass diese berührende Bronzeskulptur »Züge ins Leben, Züge in den Tod« am 30. November 2008 eingeweiht wurde, 70 Jahre nach dem ersten Tag der Rettungsaktion. 10.000 jüdische Kinder wurden von hier aus nach London, Liverpool Station, gebracht und so vor dem Abtransport in die Konzentrationslager gerettet.

Frank Meisler, ein israelischer Künstler, hat diese Figurengruppe geschaffen. Er selbst war eines der geretteten Kinder. Von November 1938 bis August 1939 fuhren die Züge ins Leben, danach nur noch in den Tod. Unsere Schüler*innen betrachten die ängstlichen, niedergeschlagenen und gequälten Gesichter der Kinder in heller und dunkler Bronze, die sich in entgegengesetzte Richtungen bewegen. Sie geben ihnen Rosen und Gerbera in die Hände. Die deutschen Faschist*innen brachten 1,5 Millionen jüdische Kinder um.

Eines davon war Anne Frank, die dieses Jahr 90 Jahre alt geworden wäre und im Februar 1945 als Fünfzehnjährige im KZ Bergen-Belsen umkam. Wir werden morgen das Anne-Frank-Zentrum in der Rosenthaler Straße 39 besuchen, uns die Synagoge sowie das jüdische Viertel ansehen und das Holocaust-Mahnmal besuchen. Aber heute haben wir noch einen ganz wichtigen Termin an der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Wir treffen um 11 Uhr Hans Coppi, den Sohn von Hans und Hilde Coppi, deren Namen unser Gymnasium trägt. Natürlich sind wir ganz aufgeregt, gerade von ihm das Wirken der sogenannten »Roten Kapelle« im antifaschistischen Widerstandskampf anhand der Ausstellung erklärt zu bekommen. Hans und Hilde Coppi wurden in Plötzensee hingerichtet, weil sie aktiv gegen das mörderische Nazi-Regime auftraten.

Im vorigen Jahr hat unser Gymnasium zusammen mit der Mildred-Harnack--Schule die Broschüre »Unsere Straßen tragen große Namen« herausgegeben, auf die wir sehr stolz sind. In ihr würdigen unsere Abiturient*innen neben den Coppis sieben weitere führende Mitglieder der »Roten Kapelle«, nach denen Straßen des Wohngebietes in der Frankfurter Allee-Süd benannt sind: Libertas und Harro Schulze-Boysen, Arvid und Mildred Harnack, John Sieg, Wilhelm Guddorf und Albert Hößler.

Hans Coppi berichtet sehr emotional über das Leben seiner Eltern. So hebt er beispielsweise hervor, dass sich beide sehr wohl bewusst waren, wie gefährlich ihre Arbeit war, beispielsweise Flugblätter zu verteilen und »Feindsender« abzuhören. Coppi spricht über die »Rote Kapelle«, wie heterogen sie zusammengesetzt war und welche horizontalen Strukturen sie hatte. Und natürlich hebt er ihre Wirksamkeit hervor, wie sie letztendlich aufgedeckt wurde und 50 ihrer Mitstreiter*innen hingerichtet worden sind. Abschließend liegen in einem gesonderten Raum für uns sehr private Fotos seiner Eltern aus, über die wir Coppi befragen dürfen. Es war uns sehr wichtig, Hans Coppi erlebt zu haben, der im Frauengefängnis in der Barnimstraße geboren worden ist. Der große Rosenstrauß, den Flora überreichte, zeigte unsere tiefe Hochachtung vor ihm und seinen Eltern.