bbz 01-02 / 2019
Spagat einer Ausbildung
Eine Erzieherin in der berufsbegleitenden Ausbildung beschreibt den herausfordernden Alltag zwischen Fachschule, Kita und Familie
Von der Idee einer berufsbegleitenden Ausbildung bin ich überzeugt. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis hat mir in der Universität stets gefehlt. Ich merke, wie ich mich persönlich weiterentwickelt habe. Derzeit arbeite ich im dritten berufsbegleitenden Ausbildungsjahr zur staatlich anerkannten Erzieherin an einer Kita, meine theoretische Ausbildung absolviere ich an einer privaten Fachschule für Sozialpädagogik. Nach meinem Magisterabschluss in den Fächern Skandinavistik und Geschlechterstudien ist dies meine zweite Ausbildung. Mit mir starteten 25 Auszubildende mit sehr verschiedenen Lern- und Erfahrungshintergründen. Einige traten die Ausbildung direkt nach dem Abitur an, andere haben mehrjährige Berufserfahrungen in kaufmännischen, pflegerischen oder gastronomischen Bereichen oder sind Akademiker*innen.
Als Angestellte bei einem freien Träger muss ich 28 Wochenstunden arbeiten, um eine auskömmliche Bezahlung zu erhalten. Wie die meisten Erzieher*innen bei einem freien Träger werde ich nicht nach TV-L bezahlt. Neben meiner praktischen Tätigkeit absolviere ich wöchentlich 15 Stunden Fachunterricht.
Beispielsweise donnerstags arbeite ich sieben Stunden in der Kita, um anschließend abends drei Stunden lang die Schulbank zu drücken. Anspruchsvollen und komplexen Unterrichtsinhalten wie »Recht« ist dann schwerer zu folgen. Andere Fächer sind eher komprimiert und überblicksartig aufbereitet.
Für Auszubildende, die Kinder haben, ist die Vereinbarkeit von Arbeit, Schule und Privatem eine große Herausforderung. Hausaufgaben für die Schule machen wir abends, also nach einem körperlich und mental anstrengenden Arbeitstag, oder am Wochenende. In den Projektwochen können wir uns einem Thema beispielsweise »Musik« oder »Zirkuspädagogik« vertieft widmen. Wir schätzen diese Lernzeiten als sehr effizient. Leider werden nicht alle dafür von ihren Arbeitgeber*innen freigestellt. Sie müssen Bildungsurlaub nehmen oder die Stunden vor- oder nacharbeiten.
In unseren Ausbildungseinrichtungen starteten wir von Tag eins an voll angerechnet auf den Personalschlüssel, aber lediglich mit einer Ahnung, was uns erwarten würde. Ich begann in einer Gruppe unter Dreijähriger und wusste wortwörtlich nicht wo vorne und hinten ist; nämlich an der Windel. Das spezielle pädagogische Konzept der Gruppe, wie ich kurze Gespräche mit den Eltern auf Deutsch und Englisch führe, was Kinder in Ruhesituationen brauchen und vieles mehr lernte ich in der Praxis und lesend in der Pause. Systematisch war das nicht und extrem herausfordernd.
Formal werden wir in unseren Praxisstellen durch Mentor*innen betreut und unterstützt. Für die monatlich vorgesehenen Gespräche findet sich neben den Anforderungen des Alltags allerdings schwer Platz. Ich fühle mich als Lernende, deren Erfahrungen und Wissen täglich wächst, doch sehen mich die meisten Eltern von Beginn an als Expertin für Erziehung, Entwicklungspsychologie und Pädagogik.
In meinem Ausbildungsjahrgang bereiten einige Auszubildende seit dem ersten Lehrjahr Entwicklungsgespräche vor und führen diese durch, ohne vorher die Theorie gelernt zu haben oder sich in geschütztem Rahmen auszuprobieren. Auch die herausfordernde Eingewöhnung von neuen Kindern muss oft von Anfang an gemeistert werden. Andere Anfänger*innen äußerten ihrer Kita gegenüber Bedenken, allein den Früh- oder Spätdienst übernehmen zu müssen – teilweise ungehört, woraufhin sie zurecht kündigten.
Aus meiner Perspektive ist es ein Nachteil, dass wir uns aufgrund des Angestelltenverhältnisses auf ein Tätigkeitsfeld beschränken müssen, in meinem Fall die Kita. Somit kommen wir berufsbegleitenden Auszubildenden nicht in den Genuss, die facettenreiche Breite des Ausbildungsganges zum*zur Erzieher*in kennenzulernen. Der Blick über den Tellerrand in andere sozialpädagogische Bereiche wie Jugendhilfe oder Heilpädagogik bleibt uns verwehrt.