Schwerpunkt "Rechte Strategien"
Spielend zum »Sieg«
Wie Rechtsextreme versuchen, im Gaming Fuß zu fassen.
Jede zweite Person in Deutschland spielt digitale Spiele. Auf den großen Plattformen rund ums Gaming tummeln sich neben diversen weltoffenen, solidarischen Communitys jedoch auch kleine Gruppen mit sexistischen, rassistischen oder klar rechtsextremen Positionen
Eintauchen in andere Welten
Bücher und Filme ermöglichen es, in eine andere Welt einzutauchen. Beim Spielen können wir diese Welten sogar relativ eigenständig und teils gemeinsam mit anderen entdecken. Digitale Spiele bieten uns mehr Freiheiten und konfrontieren uns mit sozialen Dilemmata, kniffligen Rätseln oder strategisch herausfordernden Kämpfen. Wichtig ist vielen der soziale Aspekt des Spielens: Sie spielen kooperativ mit anderen oder messen sich mit diesen, ähnlich wie im Sport. Dabei bauen Spieler*innen auch vielfältige Fertigkeiten, wie räumliches Denken, aus. Es ist also kaum verwunderlich, dass 76 Prozent der Jugendlichen laut der JIM-Jugendstudie (2023) mindestens einmal in der Woche digitale Spiele spielen.
Viele Spieler*innen tauschen sich online auf diversen Plattformen, wie Steam, Twitch, Discord oder Youtube, über ihr Hobby aus. In einzelnen der insgesamt sehr vielfältigen Communitys um einzelne Spiele, Spiele-Genres oder Streamer*innen finden sich vermehrt toxische Inhalte, die andere abwerten oder verletzen. Angesichts der weiten Verbreitung verwundert es nicht, dass unter den Millionen von Spieler*innen in Deutschland auch Personen sind, die online ihre menschenverachtenden Positionen teilen. Leider bleiben viele solcher sexistischen, rassistischen oder auch antisemitischen Kommentare noch oft ohne klare Gegenrede oder werden trotz einer Meldung des Inhalts lange nicht gelöscht.
Provokantes und lautes Auftreten
Rechtsextreme machen nur einen sehr kleinen Teil der großen, diversen Spieler*innen-Communitys aus. Jedoch präsentieren sie sich auf den Plattformen teils sehr provokant und lautstark. Es lassen sich relativ einfach Accounts und Gruppen mit Symbolen oder Namen mit Bezug zum Nationalsozialismus finden. Rechtsextreme verpacken ihre Inhalte aber auch in Codes und scheinbar harmlosen Memes. Mit mehrdeutigen und vermeintlich unterhaltsamen Inhalten versuchen sie, Debatten im digitalen Raum zu verschieben und machen sich dabei die Reichweite, Anonymität und eine bereits vorhandene Toxizität in einzelnen Communitys zunutze.
Ein wichtiges Anliegen für Rechtsextreme ist die Aktivierung und Vernetzung mit anderen Rechtsextremen. Viele Spiele-Plattformen bieten zahlreiche Möglichkeiten zum Austausch, die sich auch Rechtsextreme zu Nutze machen. Mit dezidiert rechtsextremen Spielen sollen die Personen dazu motiviert werden, ihre Ideologie nach außen zu tragen und zu handeln. Zudem geht es Rechtsextremen darum, mit ihrer Propaganda gesellschaftliche Debatten zu verschieben und neue Personen zu rekrutieren. Mit ihrem Auftreten sprechen sie vor allem Jugendliche an. Gerade identitätssuchenden Jugendlichen möchten sie mit ihren Inhalten »Zugehörigkeit« suggerieren, sowie vermeintlich »positive« Rollenbilder, wie das eines starken Kriegers, und schlichte Erklärungsmodelle anbieten.
Es gibt bereits seit den 1980ern rechtsextreme digitale Spiele. Für Aufsehen sorgte in den letzten Jahren ein Spieleentwicklerstudio mit Verbindungen zur Identitären Bewegung. Das Studio entwickelte unter anderem das inzwischen indizierte Spiel »Heimat Defender Rebellion«, das vom rechtsextremen Verein Ein Prozent herausgegeben wurde. Inzwischen gibt es bereits einen Nachfolger.
Digitale Spiele zu erstellen, kostet meist viel Zeit und Geld, gerade wenn die Grafik und die Spielmechanik für die Breite ansprechend sein soll. In ihrer einfachen Aufbereitung und mit den rechtsextremen Inhalten sprechen rechtsextreme Spiele daher oft eher bereits radikalisierte Personen an und bleiben somit ein Randphänomen.
Auf der Plattform Roblox können Kinder und Erwachsene mithilfe eines Baukastens jedoch schlichte Spielwelten selbst zusammenstellen und mit anderen teilen. So war es für Rechtsextreme einfach, auf der Plattform auch Spiele zu entwerfen, bei denen Terroranschläge, wie der Anschlag in Halle, nachgespielt werden konnten. Nach einiger Zeit verschwanden die Spiele wieder, jedoch dauert es häufig lange, bis die Plattformbetreiber*innen auf Meldungen über entsprechende Inhalte reagieren.
Eine weitere Möglichkeit, rechtsextreme Inhalte in digitale Spiele zu integrieren, sind Modifikationen, kurz »Mods«. Mit Mods können Spieler*innen die Spielwelt und die Mechaniken eines Spiels verändern. Rechtsextreme nutzen Mods, um beispielsweise nationalsozialistische Symbole und Akteur*innen als spielbare Fraktion in ein Spiel zu integrieren. Da Mods meist kostenlos, schnell online herunterladbar und in beliebte Spiele integrierbar sind, können sie potenziell eine breitere Zielgruppe erreichen.
Auch Gamifizierung, also das Einbeziehen von Spielelementen in anderen Kontexten, zum Beispiel das Erstellen von Rankings und Vergeben von Abzeichen im Unterricht, ist eine Strategie, die in den letzten Jahren von rechtsextremen Gruppen genutzt wurde, um ihre Mitglieder zum Handeln zu motivieren.
Präventiv und intervenierend handeln
Um zu verhindern, dass Rechtsextreme mit ihrer Propaganda erfolgreich sind, ist es wichtig, dass Spieler*innen rechtsextreme Inhalte erkennen und einordnen können. Bildungsangebote zu aktuellen Entwicklungen des Rechtsextremismus für Jugendliche sind hierfür ein wichtiger Baustein. Zu Beginn des Jahres wurde vom Violence Prevention Network die Broschüre »Starterkit gegen Rechtsextremismus im Kontext digitaler Spiele« mit drei digitalen Übungen für den Einsatz in der Arbeit mit Jugendlichen herausgebracht. Die Übungen regen zum Austausch über Auswirkungen toxischer Communitys sowie über Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit rechtsextremen Inhalten an.
Darüber hinaus kann ein medienpädagogisch begleiteter Einsatz von digitalen Spielen in der Bildungsarbeit Teilnehmer*innen Tools an die Hand geben, anhand derer sie ihre Erfahrungen im Gaming strukturiert reflektieren können. Um solche Räume anbieten zu können, benötigen Fachkräfte jedoch Offenheit und Sicherheit beim Aufgreifen der Thematik. In den letzten Jahren sind daher erste Fortbildungsangebote, wie der Online-Kurs »Gaming und Rechtsextremismus«, entstanden. Hier können sich Fachkräfte in fünf multimedialen Modulen selbstständig mit dem Themenfeld vertraut machen.
Neben der wichtigen Arbeit an Schulen und in Jugendeinrichtungen vor Ort gibt es inzwischen auch erste Angebote zum Outreach im digitalen Raum. So werden beispielsweise Beratungs- und Bildungsangebote auf den Plattformen erprobt und Spieler*innen aktiver einbezogen. Darüber hinaus braucht es eine konsequente Löschung und Verfolgung rechtsextremer Online-Inhalte.
Mit Angeboten zur politischen und Medienbildung, einem offenen Ohr für die Erfahrungen und Bedarfe der Jugendlichen im digitalen Raum und gestärkten, aktiven Communitys wird es Rechtsextremen schwerer fallen, im Gaming weiter Fuß zu fassen.
»Gaming und Rechtsextremismus«
Mehr zum Online-Kurs, einführende Texte und Übungen für die pädagogische Praxis aus dem Projekt finden sich hier:
www.gaming-rechtsextremismus.de
»RE:GAIN«
Eindrücke aus dem Projekt »RE:GAIN« zu Interventionen online finden Sie hier