Recht & Tarif
Sportliche Meilensteine und ein Berliner Weltmeister
Bei den Gay Games in Mexiko konnte ein GEW-Kollege dank des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes erneut mehrere Titel im Tanzsport erringen.
Im November 2023 fanden zum elften Mal die Gay Games statt, dieses Mal in Guadalajara, der größten Stadt des mexikanischen Bundesstaates Jalisco. An diesem weltweit beachteten Großereignis nahmen mehr als 4.000 Athlet*innen der LGBTQ+ Community, Künstler*innen und Musiker*innen aus der ganzen Welt teil. Es handelt sich daher um die größte internationale Sport- und Kulturveranstaltung, welche überwiegend, aber nicht nur, von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Personen organisiert wird. Selbstverständlich durften da auch einige Berliner*innen nicht fehlen.
Die meisten Aktiven identifizieren sich mit der LGBTQ+ Gemeinschaft, dennoch stehen die Spiele allen offen. Die Wettkämpfe reichen teilweise bis zu olympischem Niveau und sind mit über 30 Sportarten breit aufgestellt. Vom Wasserspringen, Schwimmen und verschiedenen Teamsportarten bis hin zum Tanzen und Skateboarding findet sich etwas für jeden Geschmack.
Sport für Vielfalt
Die Idee stammt aus den USA. 1982 fanden die ersten Gay Games in San Francisco statt. Damals wie heute basieren sie auf der Idee der Verständigung, der Förderung von Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion durch Sport und Kultur. Sie werden alle vier Jahre ausgetragen und zu den Gastgeberinnen zählten Städte wie Vancouver, Amsterdam, Chicago und Paris.
Guadalajara gilt inzwischen als eine der queeren Metropolen Lateinamerikas. In den letzten Jahrzehnten hat sich dort eine Szene und Akzeptanz entwickelt, die San Francisco oder New York City ähneln soll. LGBTQ+ Personen aus ganz Mexiko sehen die Stadt als Anziehungspunkt, nicht zuletzt da es eine liberale Großstadt ist, die in einem Bundesstaat liegt, der Gesetze zu Hassverbrechen verabschiedet hat und in welchem gleichgeschlechtliche Ehen seit 2016 legal sind.
Aus sportlicher Sicht war die Veranstaltung daher auch ein großer Erfolg. Leider konnten der Ablauf und die Organisation dieser Großveranstaltung nicht immer mit den Leistungen der Athlet*innen mithalten. Statt ihrem Ruf als queere Metropole gerecht zu werden, fanden die meisten Ereignisse weitestgehend unbeachtet und auch unbeworben im Stadtbild statt. Kaum Anzeichen fanden sich in Guadalajara, dass ein internationales Sportereignis stattfindet. Veranstaltungen wurden an den Stadtrand gelegt und kein Rainbow Village wurde eingerichtet.
Berliner Tanzpaare errangen Erfolge
Jedenfalls konnten sich die Berliner Leistungstänzer*innen auf den Sport fokussieren. In einem zu einem Tanztheater umgebauten Tanzsaal fanden die Wettbewerbe in einem würdigen Rahmen statt und Spitzenleistungen folgten. Die Berlinerinnen Tania und Ines Dimitrova wurden neue Weltmeisterinnen im Showdance der Frauenpaare. Das erfolgreichste Männerpaar dieser Gay Games wurden die Berliner Thomas Bensch und Simone Biagini.Sie zeigten sich in Guadalajara in Top-Form und konnten ihre WM-Titel von 2018 in der Kombination und den Lateintänzen verteidigen und einen ersten Titel in den Standardtänzen hinzufügen.
Mit dem Erringen der Weltmeistertitel wurden nicht nur die persönlichen jahrelangen Anstrengungen der Athlet*innen belohnt. Auch der Einsatz der GEW-Landesrechtsschutzstelle wurde einmal auf eine andere Weise mit Erfolg belohnt. Die Teilnahme unseres Mitglieds Simone Biagini stand nämlich zunächst auf der Kippe und hätte fast aufgrund »schulorganisatorischer Gründe« nicht stattfinden sollen.
Obwohl bekannt war, dass unser Mitglied neben seiner Tätigkeit als Lehrer außerdem ein in der nationalen und internationalen Equality-Tanzszene profilierter Leistungssportler in verschiedenen Disziplinen des Tanzsports und mehrfacher Titelträger ist, wäre er fast nicht gefahren. Zunächst wurde nämlich der gemäß § 28 TV-L beantragte unbezahlte Sonderurlaub abgelehnt, obwohl eine offizielle Berufung zum Leistungskader im Rahmen der Gay Games XI in Guadalajara als Vertreter des Deutschen Verbandes für Equality-Tanzsport vorlag. Jahre an Vorbereitung und finanzielle Aufwendungen in erheblicher Höhe wären beinahe an bürokratischem Unwillen gescheitert. Eine »zwingende Veranlassung« wurde nicht gesehen. Ein »dienstliches Interesse« bestehe ebenfalls nicht.
Sonderurlaub für Sportveranstaltungen
Erst die Intervention des GEW-Landesrechtsschutzes führte zu einem Umdenken und letztlich zu einer Genehmigung des Sonderurlaubs. Zunächst gelang die Klarstellung, dass die Frage der »zwingenden Veranlassung« keine relevante rechtliche Größe sei und auch, dass Sonderurlaub keinem dienstlichen Interesse dienen müsse. Weiterhin konnte sogar dargestellt werden, dass es sich bei den Gay Games um eine Veranstaltung gemäß § 4 der Berliner Sonderurlaubsverordnung handelt. Sonderurlaub kann demnach für die Teilnahme an Sportveranstaltungen, die im von der Senatssportverwaltung anerkannten besonderen Interesse des Landes Berlin liegen, sogar unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden, soweit die Ausübung der Tätigkeit außerhalb der Dienstzeit nicht möglich ist und dienstliche Belange nicht entgegenstehen.
Eine derartig große Veranstaltung wie die Gay Games haben natürlich auch eine Repräsentationswirkung und es entspricht daher dem besonderen Interesse des Landes Berlin, positiv von der Außenwirkung zu profitieren. Im Zweifel ist eine Stellungnahme der Senatsverwaltung für Inneres und Sport einzuholen.
Interessant dürfte in dem Zusammenhang noch sein, dass eine Versagung aufgrund »dienstlicher Belange« ebenfalls nicht in Betracht kam. Die Ablehnung beruhte im Wesentlichen darauf, dass ein einzelner Lehrer nicht für die Dauer von zwei Wochen zu ersetzen sei. Dies wäre nachteilig für die Schulorganisation und die Schüler*innen. Dies ist indessen immer bei dem Wegfall einer Lehrkraft so. Jeder Sonderurlaub ließe sich so ablehnen, was letztlich zum Leerlaufen der Norm führen würde und im Übrigen auch eine fehlerhafte, rechtsmissbräuchliche Ermessensausübung darstellen dürfte.
2026 wird es entspannter
Dass zudem in Berlin eine Verschärfung des Problems aufgrund des Lehrkräftemangels als Dauerzustand vorliegt, ändert ebenfalls nichts daran. Für ein Systemversagen des Landes, ausreichend Lehrkräfte zu besetzen, kann letztlich nicht der Einzelne verantwortlich gemacht werden. Den mit der Gewährung von Sonderurlaub verbundenen Verwaltungsmehraufwand hält beispielsweise das LAG Schleswig-Holstein in einem Urteil vom 4. Dezember 1996 auch für zumutbar (2 Sa 423/96). Auch das BAG hält die Argumentation, dass aufgrund eines Sonderurlaubs eine Stelle gegebenenfalls nachzubesetzen wäre, ebenfalls nicht für einen alleinigen wichtigen Grund, den Antrag zu verneinen (Urteil vom 12. Januar 1989 – 8 AZR 251/88).
Für die nächsten Gay Games können wir die Senatsverwaltung allerdings beruhigen. Die Unterrichtsversorgung wird von der Titelverteidigung nicht beeinträchtigt werden. Denn die Gay Games XII im spanischen Valencia finden 2026 während der Berliner Sommerferien statt.
Sonderurlaub
Nach § 28 TV-L können Arbeitnehmer*innen bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten.
§ 29 TV-L regelt bezahlte Arbeitsbefreiung bei vorübergehender Verhinderung, zur Erfüllung von staatsbürgerlichen oder gewerkschaftlichen Pflichten und in sonstigen dringenden Fällen. Auch Verpflichtungen nach dem Berufsbildungsgesetz und für die Tätigkeit der Sozialversicherungsträger fallen darunter.
Die Verordnung über den Urlaub der Beamten und Richter aus besonderen Anlässen (Sonderurlaubsverordnung Berlin – SurlVO) gilt sinngemäß auch für Arbeitnehmer*innen (Richtlinien über den Urlaub der Arbeitnehmer aus besonderen Anlässen). In § 4 Absatz 1 Nr. 5 heißt es, dass Beamten unter anderem für die Teilnahme an Sportveranstaltungen, die im von der für den Sport zuständigen Senatsverwaltung anerkannten besonderen Interesse des Landes Berlin liegen, Urlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden kann, soweit die Ausübung der Tätigkeit außerhalb der Dienstzeit nicht möglich ist und dienstliche Belange nicht entgegenstehen.