Gesund bleiben
Supervision entlastet
Soziale Arbeit bedeutet mit herausfordernden Situationen und emotionalen Belastungen umzugehen. Supervisionen helfen beim gesund bleiben und müssten regelmäßig und außerordentlich ermöglicht werden.
Es ist eine besondere Herausforderung, im Rahmen meiner Tätigkeit als Familienhelfer über Gesundheitsrisiken zu schreiben. Zum einen, da es um die Menschen geht, mit denen ich regelmäßig arbeite. Zum anderen, weil es um die Grenzen meiner eigenen Befindlichkeit und des eigenen sozialpädagogischen Handelns geht. In meiner Tätigkeit suche ich Eltern auf, die mit ihren Kindern in schweren Lebenssituationen stecken. Als Familienhelfer arbeite ich mit den Familien an deren täglichen Herausforderungen: an Tagesstrukturen, Kommunikation untereinander und mit anderen Institutionen wie Kita, Schule und Jobcenter, an Perspektivlosigkeit und Perspektiventwicklung. Es geht vor allem darum, dass die Eltern die Verantwortung für ihre Kinder erkennen und wahrnehmen, um deren Wohl und Entwicklung sicherzustellen. Ich komme dabei immer wieder an meine Grenzen. Das bedeutet Stress! Ich muss meine Komfortzone in der Arbeit mit herausfordernden Familien regelmäßig verlassen, um mit jenen arbeiten zu können. Sei es, dass ich in unvorhersehbare Situationen komme und nicht weiß, was mich erwartet, sei es, dass ich eine konfrontative Gesprächsführung hinsichtlich des Kinderschutzes brauche. Dieser Umstand bedeutet häufig ein emotionales Gesundheitsrisiko in Bezug auf Situationen außerhalb meiner Komfortzone. Trügerisch ist, dass dies nicht immer auf der unmittelbaren Bewusstseinsebene stattfindet. Zweifelsohne trifft dies auch auf viele andere Tätigkeiten in sozialen Berufen zu.
Konflikte sind Teil der Arbeit
Ein Rahmen, um jene Risiken zu thematisieren, sind regelmäßige Supervisionen. Eine Supervision ist eine Form der professionell geleiteten Beratung, unter anderem im Hinblick auf Gedanken, Gefühle und Verhalten. Um den Appell vorwegzunehmen: Um ihrer Fürsorge nachzukommen, sollten alle Arbeitgeber*innen in der sozialen Arbeit ihren Mitarbeiter*innen Supervisionen zugänglich machen, regelmäßige aber auch außerordentliche, die an den besonderen Bedarf der Mitarbeiter*innen anknüpfen. Eine Supervision dient der eigenen Entlastung und damit auch als Prävention um gesund zu bleiben. Sie trägt zur Qualitätssicherung der Arbeit bei. In der Supervision haben Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, über ihre Schwierigkeiten und Gefühle zu sprechen. Dabei sind die Familien, mit denen gearbeitet wird, geschützt, da anonym und in einem vertraulichen Raum gesprochen wird. Gleichzeitig bin ich als Arbeitnehmer*in geschützt, da eine Supervision auch gegenüber den Arbeitgeber*innen ein sicherer und anonymer Raum sein soll, um frei reden zu können. Anonym können Familienhelfer*innen folglich über die Familien und eigene Grenzen, Gesundheitsrisiken oder -befürchtungen sprechen.
Was können Gesundheitsrisiken für Hilfen zur Erziehung sein? Es sind vor allem emotionale Belastungen, die zu Gesundheitsrisiken führen können. Bisweilen kommen aber auch körperliche Risiken vor. Emotional belastende Situationen können sein: das Aushalten von Lebenssituationen im Kinderschutz, der Umgang mit unwahren Konstrukten in den Gesprächen mit Eltern und Jugendlichen, das Abwiegen an der Grenze von Leistungsbereich und Kinderschutz, der Umgang mit herausfordernden Lebensgeschichten und frühen Bindungsverlusten, die das eigene sozialpädagogische Handeln an Grenzen bringen. Was bei den Familienhelfer*innen zurückbleiben kann, ist die Frustration über die Begrenztheit der eigenen Handlungsmöglichkeit.
Eine besondere Herausforderung sind Gesprächsführungen mit Eltern, wenn jene im sogenannten »Kampfmodus« sind. Mithin kann es zu unberechenbaren Situationen kommen. Die zu unterstützenden Familien haben oft stark instabile Phasen, gute und schlechte Wochen. In schlechten Wochen erleben Familienhelfer*innen oftmals Konfliktszenen in den zentralen Lebensräumen mit. In jenen Wochen sind dann spontane Krisengespräche und akute Risikoeinschätzungen erforderlich. Durch die aufsuchende Arbeit treten Familienhelfer*innen auch in mit Aggressionen und traumatischen Lebensgeschichten aufgeladene Räume. Die sozialpädagogische Arbeit mit dem Unverständlichen, etwa bei Kindesmisshandlungen und -vernachlässigungen, wird zu einer emotionalen Herausforderung. Eine weitere emotionale Belastung hat weniger mit den Familien als mit den Helfenden zu tun. Sie kann durch die Erweiterung des sogenannten Doppelmandats zu einem Tripelmandat aufkommen. Familien- und Einzelfallhelfer*innen sind zum einen Kontrolle, zum anderen vertrauensvolle Ansprechpartner*innen für die Familien, Kinder und Jugendlichen. Diesen Umstand meint das Doppelmandat. Mit Trippelmandat ist darüber hinaus die eigene ethische Haltung der Helfenden gemeint. Vor allem für Einzelfallhelfer*innen kann es zwischen der ethischen Haltung und dem Kontrollmandat gegenüber staatlichen Institutionen zu inneren Konflikten kommen.
Aus den mir bekannten Supervisionen kenne ich neben jenen weitaus häufigeren emotional belastenden Situationen auch Beschreibungen von körperlichen Übergriffen und physischen Gesundheitsrisiken. Zu physischen Gesundheitsrisiken kann es mitunter durch starke hygienische Vernachlässigungen in den Wohnungen kommen, die dann ein spezielles Wissen für das weitere Handeln, auch bezüglich des Eigenschutzes bei den Helfenden, erfordern.
Die Supervisionen haben gezeigt, dass mit jeder Familie besonders gearbeitet werden muss. Darüber hinaus sind die einzelnen Familienmitglieder und deren Beziehungen in ihrer Lebenswelt sowohl eigen als auch systemisch zu betrachten. Diese Umstände machen die Arbeit von Familienhelfenden sehr komplex und herausfordernd. Neben regelmäßigen Supervisionen sollten Familienhelfer*innen fortwährend ihre eigenen Grenzen wahrnehmen. Durch das Bewusstsein jener Grenzen ist es zudem einfacher, außerhalb der eigenen Komfortzone zu arbeiten. Somit tragen Selbstreflexionen und Selbstfürsorge, zum Beispiel durch berufliche Coachings, zur eigenen beruflichen Gesundheit bei. Auch sich in verschiedenen Gesprächsführungen und -methoden zu schulen und diese zu üben, um entspannter in herausfordernde Situationen zu gehen, kann zur Gesundheitsförderung beitragen. Auch hier sind neben der Eigenverantwortung der Arbeitnehmer*innen die Arbeitgeber*innen gefragt.