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Schule

Theorie und Praxis an einem Ort

Auf einem Schulcampus könnten die drei Ausbildungsphasen der Lehrkräftebildung zusammen gedacht werden.

Foto: Adobe Stock

Wer Lehrkräfte qualifiziert auf ihren Beruf vorbereiten will, braucht eine gute Aus- und Fortbildung sowie eine strukturierte Verzahnung der ersten, zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung. Hierzu gehören neben einer guten finanziellen und personellen Ausstattung zeitgemäße Bildungsinhalte, wie zum Beispiel Inklusion und Digitalisierung, und angesichts wenig Zeit und Ressourcen eine klare Absprache, wann und wie welche Themen in den drei Phasen der Lehrkräftebildung aufgegriffen und verzahnt werden. Ein Schulcampus zur Ausbildung von Lehrkräften könnte diese Phasen besser verzahnen. Als Ort lokaler Zusammenführung der verschiedenen Ausbildungsphasen könnte so die Qualität der Lehramtsausbildung deutlich verbessert werden.

Auf einem möglichen Schulcampus muss eine Neudiskussion von Inhalten und pädagogischer didaktischer Umsetzung sowie eine verstärkte Praxisorientierung phasenübergreifend erfolgen.

 

Praxisorientierung phasenübergreifend gestalten

 

Dabei spielen bei der Umstrukturierung zu einem Schulcampus die inzwischen an fast allen lehrkräftebildenden Universitäten eingerichteten Zentren für Lehrer*innenbildung eine wichtige Rolle. Von ihnen ausgehend müssen neben den fachlichen Inhalten auch die Grundlagen für zentrale Bildungsthemen wie Inklusion, Heterogenität, Demokratieerziehung und Digitalisierung gelegt werden, die dann in der zweiten und dritten Phase vertiefend aufgegriffen werden. Ebenso muss der Schulcampus, auf den Lehrer*innenzentren aufbauend, die zentrale Schaltstelle sein, um schulartübergreifende Kooperation und Vernetzung herzustellen. Die Planungsgruppe eines solchen Campus hat den Auftrag zu erfüllen, eine Stärken-Schwächen-Analyse der bisherigen lehramtsbezogenen Angebote aller Phasen durchzuführen und Empfehlungen für die Optimierung der Lehrer*innenausbildung unter kooperierender und übergreifender bildungswissenschaftlicher und struktureller Aspekte der drei Phasen der Lehrer*innenbildung auszusprechen.

Es bedarf auch einer Neuqualifizierung der Lehrenden, um sicher zu sein, neue bildungspolitische Themen und inklusive Elemente zu verankern, um einen stärkeren Praxisbezug herzustellen und um auf die Kooperation zwischen Hochschule, Studienseminar, Schule und Fortbildung vorzubereiten. Eine reine »Versetzung« der Lehrenden an den neuen Wirkungsort Schulcampus reicht nicht aus. Ebenso bedarf es einer Abstimmung zwischen den Fachwissenschaften, den Bildungswissenschaften und den Fachdidaktiken. Die bisherige randständige Rolle der Fachdidaktiken muss geändert werden. Sie müssen eine führende Rolle bei der Zusammenarbeit zwischen Fachwissenschaften, Fachdidaktik, Allgemeiner Didaktik und den Bildungswissenschaften einnehmen.

 

Gleichwertigkeit aller Lehrämter

 

Im Sinne der verstärkten Kooperation und der gemeinsamen Aufgabe, gemeinsame Grundlagen für wichtige bildungspolitische Themen zu legen, sollten sich Studierende nicht zu früh auf ein Lehramt festlegen. Es muss eine klare Botschaft vermittelt werden, dass Themen wie Heterogenität, Inklusion, Digitalisierung, Themen für alle Lehrämter sind. Mit einer längeren Grundlegungsphase mit mindestens zwei Praktika an verschiedenen Schulformen könnten sich Studierende bewusster für ein bestimmtes Lehramt entscheiden und im späteren Berufsleben eine stärkere Zufriedenheit erreichen.

Daraus ergibt sich dann auch, dass für alle Lehrämter eine einheitlich lange Studiendauer gilt. Die Herausforderungen der praktischen, didaktischen und wissenschaftlichen Grundlegungen sind an allen Schulformen gleich herausfordernd und fordern in allen Bereichen eine gute Ausbildung. Ebenso würde dadurch auch der Kooperationsansatz durch gleichwertige Laufbahnen gestärkt werden, gerade auf einem Schul-campus, wenn er denn nicht nur ein Ort lokaler Zusammenführung verschiedener Ausbildungsphasen bleibt, sondern eine Chance für eine qualitativ bessere Lehrer*innenbildung in Zeiten zunehmender Herausforderungen für Lehrkräfte.

Dabei wird die Qualität in allen drei Phasen durch vier Aspekte bestimmt: Die Inhalte, die Grundlage für Lehr-Lernprozesse sind; der Lehr-Lern-Prozess selbst, also vor allem die Gestaltung des konkreten Lernens und der Lehrveranstaltungen; die Institution, der Schulcampus, der die organisatorischen und baulichen Rahmenbedingungen für die Ausbildung schafft; und das Handeln der Lehrenden und Studierenden in deren Zusammenwirken.

Gerade bei dem vierten Punkt, dem Handeln der Lehrenden und Lernenden ist es wichtig, die Verantwortung der Studierenden für ihren Lernprozess zu vergrößern und dementsprechend die neue Rolle der Lehrenden in den Mittelpunkt zu stellen, nämlich die Veränderung der Lehrendenrolle vom Instrukteur zum Lernbegleiter, dessen Aufgabe darin besteht, das selbstorganisierte und aktive Lernen (im Team) zu fördern. Die dabei stattfindenden Lernprozesse rücken in den Mittelpunkt. Natürlich kann es dabei durchaus sein, dass das Hochschulstudium zunächst auf eine wissenschaftlich basierte Urteilsfähigkeit zielt, aber ein klarer Konsens muss sein, dass die Lehramtsausbildung aller drei Phasen auf ein selbstständiges Lernen abzielt mit einer explizit darauf gründenden Handlungsfähigkeit.

Qualität von Lehrer*innenbildung manifestiert sich in einem stetigen Wechselspiel von Theorie und Praxis mit unterschiedlichen Anteilen zu unterschiedlichen Zeiten, aber immer mit beiden Anteilen, gerne organisiert unter dem gemeinsamen Dach eines Schulcampus. Hier wird sich am Ende die Qualität der Zusammenarbeit auf dem Campus darin beweisen, ob es gelungen ist, wissenschaftlichen und darauf bezogenen praktischen Umsetzungsmöglichkeiten in einem guten Gleichgewicht gerecht geworden zu sein. Soll dies in einem Schulcampus erreicht werden, braucht es verschiedene Qualitätsmerkmale. Ebenso sollten zeitnah – schon bei der Planung – Evaluationsschritte berücksichtigt werden, die klären, wie weit und gut man auf dem Weg zum gemeinsamen Schulcampus vorangeschritten ist. Hierbei gibt es zahlreiche Möglichkeiten: Von der Leitbildformulierung über Zielvereinbarungen und Qualitätszirkel bis hin zu Stärken-Schwächen-Analysen und Lernender Organisation. Indikatoren in den Bereichen der Qualität, Effizienz und Effektivität können dabei helfen.

 

Verzahnung mit den Schulen

 

Nicht vergessen werden darf im Rahmen eines Schulcampus neben der Kooperation der drei Ausbildungsphasen eine bessere und engere Verzahnung mit den Schulen zu erreichen, um die Praxisqualität der Ausbildung zu verbessern. So müsste es auf der personellen Ebene beispielsweise gemeinsame Absprachen über Praktikumsziele, Ansprüche der Schule geben. Schulen sind somit ein weiteres wichtiges Element in der Planung eines Schulcampus. Sie sind von großer Bedeutung in den Praxisphasen des Studiums, die sehr wichtig sind im Sinne einer individuellen Eignungsprüfung für den zukünftigen Beruf, der Verminderung des so oft genannten Praxisschocks, einer Verzahnung von Theorie und Praxis und um Rückmeldungen aus der Praxis für die Theorie mitzunehmen.

Aus dem Studienqualitätsmonitoring (SQM) des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung DZHW der Universität Koblenz geht hervor, dass der Berufs- und Praxisbezug der angebotenen Lehrveranstaltungen von 90 Prozent der Lehramtsstudierenden als besonders wichtig angesehen wird. Genau dies muss eine wichtige Zielsetzung in der Planungstätigkeit eines kooperativen Schulcampus werden. Letztendlich wird die Frage einer stärkeren Kooperation insgesamt immer unter dem Diskurs stehen: Lohnt es sich zu kooperieren oder nicht? Allein durch eine gesetzliche Verordnung des Zusammenlegens auf einem Campus ist keine gute Kooperation gesichert, vor allem bei so vielen Akteuren aus verschiedenen Bildungswelten. Aktuelle empirische Ergebnisse zeigen sogar eher ein ernüchterndes Bild, was zum Beispiel die Kooperation zwischen erster und zweiter Phase betrifft, obwohl es schon lange laute Rufe nach einer stärkeren Kooperation gibt. Gehen wir es also endlich an!         

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46