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bbz 09 / 2019

Tiefenentspannt – Wellness für Lehrer*

Ich war auf der Suche für Sie: Wie lerne ich die Wege der Achtsamkeit? Wie erreiche ich die richtige Work-Life Balance? Wie gehe ich tiefenentspannt und gelöst durchs Leben?

Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Ich war auf der Suche für Sie: Wie lerne ich die Wege der Achtsamkeit? Wie erreiche ich die richtige Work-Life Balance? Wie gehe ich tiefenentspannt und gelöst durchs Leben? Man kann als Lehrer natürlich auch jahrelang auf Reformen und bessere Rahmenbedingungen warten. Und jammern. Und klagen. Man kann aber auch unendlich viel selber tun, um sich den harten Alltag zu erleichtern.

So schreiben Agnes P. und Caritas F. aus Tuttlingen: »Danke für Ihre netten Anregungen! Wir leben jetzt viel mehr unsere Selbstfürsorge! Auf den Lehrertoiletten gibt es nun bunte Vorhänge und einen kleinen Springbrunnen. Seit wir eine Chi-Gong-Gruppe und überall Sitzbälle haben, begegnen wir unserer Schulleiterin und der Elternvertreterin viel gelöster und positiver.«

Erika St. (Franz-Josef-Strauß-Gymnasium in Sulzbach) empfiehlt Ausmalbücher. Die gibt es zu allen Themen, sogar zum Lehrerberuf. Früher haben damit nur kleine Kinder ihre Feinmotorik geübt und gelernt, nicht über den Rand zu malen. Jetzt colorieren auch Erwachsene mit edlen Buntstiften Vorgegebenes. »Das entspannt so schön auf langen Konferenzen! Und es ist irre kreativ, wenn man die Farben selber aussucht!«

Volker B. aus Zwickau löst seine Blockaden auf andere Art. Er hat im Klassenraum vier Punkte markiert. Das sind seine »Bodenanker«. Je nach Befindlichkeit sucht er während des Unterrichts einen davon auf, hört sich selbst beim Ein- und Ausatmen zu, und im Nu geht es ihm besser. Auf seinem »Kompetenzplatz« wird er sich wieder seiner Stärken bewusst, die er im Alltag oft allzu leicht vergisst. Auf das »Energiefeld« geht er, um kurz Kraft zu tanken. Er hat auch einen »Supervisionsplatz«. Dorthin flüchtet er, wenn er sich einer schulischen Situation nicht gewachsen fühlt, und überlegt, was ihm die Schüler mit ihrem störenden Verhalten gerade sagen sollen. Seine Vermutungen »kommuniziert« er danach der Klasse: »Hört mal, ich habe mir gerade Gedanken gemacht, warum ihr heute so laut seid.«

Lisa P. aus Berlin-Neukölln schwört auf Selbstcoaching-Kurse. »Um die Ecke wohnt ein Leichtigkeits-Coach. Der hat mir meine innere Schwere genommen. Die Anleitungen dazu kann man sogar im Internet bestellen. Für nur 27 Euro! Man kreuzt einfach seine Probleme an und bekommt sofort nach Zahlungseingang individuelle Übungen. ›Spirit to go‹ heißt das Programm. Seither steht auf meinem Schreibtisch ein großes Glücksglas. Da hinein werfe ich Zettelchen mit den positiven Erlebnissen, die ich manchmal habe. Wenn es mir schlecht geht, ziehe ich so einen Zettel – und alles wird gut!«

Gerlinde U. aus dem Sauerland hat ein intensives Achtsamkeitstraining hinter sich. »Früher waren Deutschkorrekturen für mich eine Qual! Jetzt setze ich mich ganz in Ruhe an den Schreibtisch, nehme bewusst die Rückenlehne wahr und atme in meine Füße hinein. Spüre genau nach: Sind meine Hände kälter als die Füße? Wie rascheln die verschiedenen Arbeitsblätter, wie riechen die einzelnen Hefte? Welche Farben haben die Umschläge? Wie fühlen sich heute meine Stifte an? Manchmal wechsle ich den Ort, um neue Perspektiven zu gewinnen. In Kirchen und alten Gemäldegalerien kann man unheimlich gut arbeiten. Oft hilft mir ein Blick auf die Jungfrau Maria, um innezuhalten und Abstand von den Klausuren zu gewinnen. Mit meinen Achtsamkeitsübungen lebe ich viel bewusster und stressfreier als früher!«

 

Brechen auch Sie mit alten Gewohnheiten! Kaufen Sie sich einen Abreißkalender mit positiven Gedanken für jeden Tag. Stecken Sie Kollegin Jutta einen Zettel in die Jackentasche: »Wie schön, dass du an unserer Schule bist!« Begegnen Sie Kollegen Kohnleitner (diesem Blödmann!) aufmerksam und wertschätzend, ohne abfällige Hintergedanken. Werfen Sie einen ganz neuen Blick auf ihn. Selbst seine Nasenhaare gewinnen, wenn Sie Ihre innere Einstellung ändern. Gehen Sie mal durch den Keller ins Schulgebäude, hüpfen Sie auf einem Bein durch den Flur, stellen Sie Ihren Lehrertisch in eine andere Ecke oder setzen Sie die Schüler wöchentlich um. Stehen Sie im Unterricht immer mal wieder auf und machen kleine Bauchtanzübungen. Die innere Mitte zu spüren, tut auch Männern unheimlich gut. Backen Sie Dinkelkekse für Ihre Kollegen. Stellen Sie Duftkerzen ins Lehrerzimmer. Verhängen Sie eine Woche lang die Fenster und entdecken Sie danach, wie schön und bunt diese Welt ist!

Klaus-Peter H. aus dem thüringischen Meuselwitz schwärmt von der Gummizelle an seiner Gesamtschule. »Die ist nicht nur optimal für aggressive Schüler. Seit ich regelmäßig in unseren ›Trainingsraum‹ gehe und das Zwiegespräch mit dem Punching-Ball suche, bin ich gern wieder Lehrer!«  

 

*Die Autorin weigert sich hartnäckig, ihre satirischen Texte gendern zu lassen. Beschwerden bitte direkt an sie.