Klimakrise - was tun wir?
Umwelt und Klimawandel in der Schule
Claudia Huth und Jan Schönrock leiten Klimaschutz-AGs und berichten von ihren Erfahrungen mit den Schüler*innen.
Klimawandel, das ist ja ein sehr abstraktes Thema. Gibt es wirklich so viele Schüler*innen, die daran interessiert sind?
Claudia: Ja! Ich habe eine ganz engagierte Umwelt-AG mit fünf Mädchen, die haben sich den Schwerpunkt Mülltrennung und Müllvermeidung gesetzt.
Jan: Es besteht unter unseren Schüler*innen großes Interesse am Klimawandel. Unsere AG »MBO For Future« gibt es aber erst seit einem Jahr. Wir sind noch eine sehr kleine Gruppe und haben bisher fünf aktive Schüler*innen, vor allem Schülerinnen, die sich darüber Gedanken machen, wie wir die Schule nachhaltiger gestalten können. Mülltrennung ist auch bei uns ein Thema. Trotz des großen Interesses schaffen bisher nur wenige Schüler*innen den Schritt, zu sagen: »OK, ich binde mir jetzt etwas ans Bein und werde jede Woche mehrere Stunden in ein Projekt investieren.«
Erzählt mal ein bisschen über eure AGs!
Claudia: Die Umwelt-AG gibt es schon seit vielen Jahren an der Möwensee-Schule. Momentan besteht sie nur aus Schülerinnen aus meiner eigenen, einer fünften Klasse. Die Kinder sind jetzt schon seit zwei Jahren dabei und organisieren sich weitgehend selbst. Sie gehen in ihrer Freizeit zwei Mal die Woche durch alle Klassenräume. Sie sind sehr bekannt mit ihrem Klemmbrett. Wenn einige sie sehen, rennen sie schnell in ihre Klassen und gucken: Wie sieht der Müll aus? Wir sammeln alles an Papier, Zeitungen, Zeitschriften und benutzen den normalen Mülleimer gar nicht mehr. Jede Klasse hat eine Papiertonne, wir sammeln alles und es kommt dann in die großen Tonnen. Dann kommt eine Firma, die das recycelt, dafür bekommen wir ein bisschen Geld. Dieses Geld investieren wir in eine Preisverleihung für die Klassen, die den Müll am besten trennen. Die Preise werden öffentlich verliehen, auf dem Schulforum. Die Siegerklasse bekommt einen Pokal in Mülleimerform, der mit kleinen Geschenken gefüllt ist. Alle freuen sich, wenn sie den Pokal gewonnen haben.
Jan: Meine AG ist entstanden, weil sich mehrere Akteur*innen zusammengefunden haben. Es gab eine Schüler*inneninitiative, die sich für weniger Plastik an der Schule eingesetzt hat. Dazu haben sie eine Plakatkampagne gestartet. Das Quartiersmanagement hat gesagt, wir möchten gerne etwas für mehr Nachhaltigkeit im Kiez tun und dafür mit den Schulen zusammenarbeiten. Und dann gab es mich als Lehrer, der gesagt hat, das ist mein Thema, ich habe da Lust drauf. Wir haben in den ersten Wochen und Monaten eine Zukunftswerkstatt durchgeführt. Aus dieser Zukunftswerkstatt haben wir eine ganze Reihe Themen gesammelt, Mülltrennung, Solarenergie auf dem Schuldach, mehr Aufmerksamkeit für Plastikmüll schaffen, Plastikmüll an der Schule komplett abschaffen. Dann sind wir mit den Themen an die Schulöffentlichkeit gegangen und haben eine Umfrage gemacht: Was sind Themen, die euch wichtig sind?
Und was ist dabei herausgekommen?
Jan: Erstens: die plastikfreie Schule. Und zweitens: den Umweltschutz mehr in die Lehrpläne zu bringen, über Schüler*innenbeteiligung, auch über politische Teilhabe.
Wir haben aktuell offene und abgeschlossene Projekte. Auf dem Dach haben wir eine Solartermieanlage, die die Heizungsanlage der Schule mit unterstützt. Derzeit schreiben wir für die Schulöffentlichkeit aber auch für den Kiez ein nachhaltiges Kochbuch. Ein Kochbuch, in dem schon drinsteht, wo Müll anfällt, was man vermeiden kann, was man jahreszeitlich kochen kann.
Wir haben aber auch einen Schulgarten, den wir mitbetreuen, da gibt es ganz viele Anknüpfungspunkte an das Thema Klimawandel, beispielsweise Bienendiversität. Mülltrennung war vor Corona ein großes Thema.
Claudia, du hast schon von der Mülltrennung berichtet. Etwas, was die Kinder sehr unmittelbar erleben. Gehst du auch auf das globale, abstrakte Problem Klimawandel ein?
Claudia: Ja, und das mache nicht nur ich. Wir haben großartige Kolleg*innen, die den Klimawandel im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts behandeln und auch mit den Kindern zu Aktionen gehen. Dann nehmen sie natürlich auch immer die Umwelt-AG mit.
Wo seht ihr Unterschiede von Inhalt und Methode der AG-Arbeit an Grundschulen und an Oberschulen?
Claudia: Wir machen ganz ähnliche Dinge. Die längste Zeit meines Erzieherinnenlebens habe ich an einer Oberschule verbracht, und alles, was ich jetzt hier mache, das habe ich mitgenommen, das haben wir vor 20 Jahren schon an der Oberschule gemacht.
Jan: Was ihr den Kleinen mitgebt, das bringen die mit zu uns. Darauf können wir aufbauen. Mülltrennung war schon mal ein Thema, aber jetzt kommen die komplizierteren Fragen. Wo kommt jetzt eigentlich mein Kaugummi hin? Da findet ja auch ein Generationsaustausch statt. Die Methode ist bei uns abstrakter, bei euch vielleicht noch ein bisschen konkreter, und so ergänzt sich das.
Habt ihr das Gefühl, dass ihr bei den Kindern eine Haltungsänderung erreicht durch eure Arbeit?
Jan: Ja, gleiches Beispiel: Ein Schüler sagt »ich habe ein Papier von meinem Riegel, wo kommt das jetzt eigentlich hin?« Also nicht mehr, »die Mülleimer sind eh egal«, sondern »ich muss mich damit auseinandersetzen«. Wir haben verschiedene sehr markante Sprüche in der Schule plakatiert: »Weniger ist mehr« und »Weniger ins Meer« nebeneinander. Und dann überlegen sie schon, ist ja falsch geschrieben? »Robbenbabies in die Klassenzimmer«, warum sollen Robbenbabies in die Klassenzimmer? Klar wir haben es griffig gemacht. Aber es geht immer wieder darum, dass die Schüler*innen anfangen weiter zu hinterfragen.
Claudia: Wenn meine Kinder merken, dass in einigen Klassen die Mülltrennung gar nicht gut läuft, dann machen sie in diesen Klassen auch Schulungen. Sie sind durch die Mensa gegangen und haben angekreidet: Warum kommt das Obst in Plastiktüten? Die Tüten sind ganz schnell verschwunden. Und sie erziehen ihre Eltern, denn sie lernen hier etwas in der Schule, was zu Hause gar nicht gelebt wird, zu Hause wird nicht getrennt. Dann sage ich: »ihr macht das zu Hause vor.«
Setzt ihr euch mit Fridays for Future auseinander? Spielt das eine Rolle für eure AG-Arbeit und gibt es Kinder von euren Schulen, die sich an den Protesten beteiligen?
Claudia: Wenig. Als diese Bewegung aufkam, gab es ältere Klassenstufen, die dahingegangen sind, um reinzuschnuppern. Unsere Grundschulkinder wundern sich eher darüber, dass man freitags nicht in die Schule geht. Die Nawi-Lehrer*innen haben eine Wandzeitung über Fridays for Future erstellt. Sie sind mit einigen Kindern hingegangen und haben auch die Schüler*innen interviewt, die regelmäßiger demonstrieren. Vielleicht wird da ein Grundstock für weiteres Engagement gelegt.
Jan: Fridays for Future ist bei uns wenig Thema, muss ich ehrlich sagen. Wir haben vereinzelt Schüler*innen die sich da gerade am Anfang engagiert haben, auch jetzt, aber die kann man an einer Hand abzählen. Am Anfang der großen Demonstrationen gab es durchaus Aktionen, wo ganze Schulklassen gesagt haben: »Heute nehmen wir nicht am Unterricht teil«, und im Rahmen der Möglichkeiten haben die Lehrkräfte das dann entsprechend wahrgenommen.
Ihr ermöglicht den Schüler*innen die Teilnahme an Demonstrationen während der Schulzeit?
Jan: Ja. Inzwischen ist die Beteiligung aber geringer. Ich glaube, das liegt daran, dass die Schüler*innen erstmal im Kleinen anfangen wollen. Die Schule ist ein überschaubarer Rahmen, wo sie schneller handeln und schneller Ergebnisse erzielen können.
Seid ihr mit den Eltern im Austausch über eure Arbeit? Kommt da was zurück, eher Sympathie, eher Skepsis? Müssen die Eltern mit der Wahl der Arbeitsgruppen einverstanden sein?
Claudia: Die Eltern bekommen mit, dass wir Papier sammeln. Sie sind dann auch bereit, zu Hause ein bisschen mitzugucken, dass Altpapier für die Schule gesammelt und hier abgeliefert wird. Da wir gebundener Ganztag sind und die AG sich während der Schulzeit trifft, müssen die Eltern der Teilnahme an der AG nicht ausdrücklich zustimmen.
Jan: Die Schüler*innen, die an der AG teilnehmen, sind zehnte Klasse und älter, das heißt sie entscheiden selbst, dass sie das machen. Da findet wenig Austausch mit den Eltern statt.
Wie seid ihr im Kiez verankert? Was kommt bei den Bewohner*innen in der Gegend an?
Jan: Wir arbeiten mit dem Quartiersmanagement zusammen, das uns auch an verschiedenen Stellen Geld zur Verfügung stellt und eben Platz für Öffentlichkeitsarbeit. Zum Beispiel können wir Plakate im Büro des Quartiersmanagements aufhängen. Eine Mitarbeiterin von Kein Abseits e.V. unterstützt die AG ganz direkt. Im Zweifelsfall erreichen wir über diesen Kanal mehr Eltern, als wenn ich sie anspreche oder anrufe.
Das Schaufenster des Quartiersmanagements ist ein Anlaufpunkt, ein Ort, an dem Bürger*innen vorbeilaufen und sagen, »Aha, hier findet was statt«. Beim Neujahrsempfang des Quartiersmanagements hatten wir einen Stand. Unsere AG gehört zum Kiez.
Was habt ihr für ein Gefühl, wie stark sind Klimawandel und Umweltschutz in den Kollegien präsent?
Claudia: Ignoranten gibt’s ja immer, man nimmt nicht alle mit. Aber Umwelterziehung ist seit vielen Jahren ein Standard in unserem Schulprogramm und wird auch entsprechend evaluiert. Wenn ich in die Klassenräume schaue, ganz viele Klassenlehrer*innen haben mit den Kindern über Mülltrennung gesprochen und über den Mülleimern Anschauungsbeispiele aufgehängt. Ich denke, es ist etabliert.
Jan: Grundsätzlich findet das Thema großen Zuspruch, also viele finden Umwelt, Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind wichtige Themen, die unbedingt auch in der Schule stattfinden müssen.
Welche Impulse gibt euch persönlich die AG-Arbeit?
Jan: Ich bin Lehrer geworden, weil ich einen kleinen Beitrag dazu leisten möchte, dass die Welt ein bisschen offener, ein bisschen schöner wird – im langen Plan. Dabei muss ich die Kinder an die Hand nehmen und muss ihnen alle Möglichkeiten geben, die sie haben und die Möglichkeiten auch aufzeigen. Ich glaube, dass die AG-Arbeit das sehr gut kann, und dass ich den Kindern den Freiraum und die Kraft geben kann – Zukunftskompetenzen. Was ist mir eigentlich möglich? Wie kann ich mit meinem kreativen Charme dafür sorgen, dass am Ende vielleicht eine Solaranlage auf dem Dach steht? Das möchte ich den Kindern mitgeben, das habe ich im letzten Jahr schon erlebt und ich hoffe, dass erlebe ich noch in den nächsten Jahren. Das macht mir viel Spaß.
Claudia: Mich inspiriert die AG-Arbeit. Man erzieht die Kinder ein Stück weit mit und man ist selbst auch Vorbild und erinnert sich selbst immer wieder daran. Auch im Privaten, ich habe angefangen Waschmittel und Geschirrspülmittel selbst herzustellen. Das geht problemlos, das wollen wir auch im nächsten Schuljahr starten, in der Schule, in den Freizeitstunden.