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Tendenzen

Unabhängigkeit sichern

Die Senatsbildungsverwaltung plant eine Stabsstelle zur Kontrolle der Berliner Landeszentrale für politische Bildung.

Foto: IMAGO

Im April dieses Jahres wurde die Arbeit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung in einer Sitzung des Bildungsausschusses des Abgeordnetenhauses thematisiert. Die Anhörung erzeugte bei eingeladenen Expert*innen Besorgnis. Die CDU-Fraktion kritisierte, dass die Berliner Landeszentrale zu umfassend in ihrer Arbeit Minderheiten ansprechen würde. Dabei wurde die politische Erwachsenenbildung jahrelang und parteiübergreifend aufgefordert, breite Bevölkerungsschichten zu erreichen. 

 

Die Unabhängigkeit ist gefährdet 

 

In diesem Sinne hat sich in Berlin die Landeszentrale seit geraumer Zeit schon auf den Weg gemacht und innovative Formate entwickelt. So gibt es beispielsweise Projekte, die mit niedrigschwelligen Herangehensweisen und an frequentierten Orten durchgeführt werden. Klassische Angebote der politischen Bildung finden weiterhin und umfassend statt. Die hohe Bedeutsamkeit aufsuchender, sozialräumlicher Angebote ist das Zugehen von Politik und politischer Bildung auf die Menschen, anstatt zu warten, bis und ob jemand kommt. Dies ist mittlerweile Konsens unter demokratischen Parteien, Politiker*innen, Stiftungen und Wissenschaftler*innen. Die Berliner Landeszentrale ist in diesem Bereich einer der bundesweit beispielgebenden Akteur*innen mit Vorbildcharakter. Die Expert*innen des Feldes positionierten sich hier deutlich und bewerteten die Aktivitäten der Landeszentrale positiv.

Das war aber wohl nicht das gewünschte Ergebnis: Anfang Juli führte die Hausleitung der Bildungsverwaltung eine Pressekonferenz durch und kündigte die Einrichtung einer Stabstelle an. Diese soll bei der Hausleitung angesiedelt und den Bereichen der politischen Bildung, also zuallererst der Landeszentrale, vorgesetzt sein. Ende August berichtete dann der Tagesspiegel von einer verwaltungsinternen Organisationsverfügung. Die erstaunte Fachöffentlichkeit musste so erfahren, dass künftig das Jahresprogramm der Landeszentrale, die Förderung einzelner Träger sowie die Erstellung von Materialien stets fachlich und inhaltlich mit den zwei Personen der Stabstelle abzustimmen und von ihnen mitzuzeichnen sei. Darüber hinaus soll die Landeszentrale auskunfts- und berichtspflichtig sein. Dabei sollen die beiden Stellen ohne öffentliche Ausschreibung direkt durch die Hausleitung besetzt werden. 

 

Expert*innen werden aktiv

 

Die Unabhängigkeit der Landeszentrale, frei und professionell auf gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren, wird damit eklatant in Frage gestellt. Diese Unabhängigkeit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung ist dagegen rechtlich im Erwachsenenbildungsgesetz eindeutig geregelt. Diese Entwicklung haben etliche Akteur*innen mit Sorge verfolgt. Der Berliner Landesverband der Deutschen Vereinigung für politische Bildung (DVPB) startete auf Initiative der Professor*innen Wolfgang Benz, Bernd Overwien und Sabine Achour eine Petition: »Regierungszugriff auf die politische Bildung in Berlin verhindern!« Innerhalb von wenigen Tagen schlossen sich dem mehr als 100 Erstunterzeichnende an. Darunter nicht nur Professor*innen aller großen Universitäten Berlins sowie bundesweit die Professor*innen der politischen Bildung in Deutschland, sondern auch etliche zivilgesellschaftliche Akteur*innen wie der Landesschüler*innenausschuss Berlin, die Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, die GEW und relevante Träger der politischen Bildung. Inzwischen ist die Petition von mehr als 24.000 Menschen unterschrieben worden. 

Die deutliche Botschaft der Petition wurde von Senatorin Günther-Wünsch im Plenum des Abgeordnetenhauses im September 2024 als Kampagne abgetan. Es ist aber die große Sorge der Fachöffentlichkeit der politischen Bildung, dass hier ohne Not der Grundkonsens der politischen Bildung der Bundesrepublik aufgekündigt wird. Die AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat mit lautem Klatschen ihrer Freude darüber Ausdruck verliehen.

dvpb-berlin.de Petition

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46