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bbz 05 / 2019

Verbeamtung ist nicht die Lösung

Seit 2004 werden Lehrkräfte im Land Berlin nicht mehr verbeamtet. In der zuletzt wieder emotional geführten Debatte haben sich über Jahre viele Halb- und Unwahrheiten eingeschlichen. Zeit, einige sachliche Argumente einzubringen

Foto: Christian von Polentz / Transitfoto.de

Zunächst einmal zu den Fakten: Die auffälligsten Unterschiede zwischen den beiden Statusgruppen bestehen in der Sozialversicherung. Tarifbeschäftigte zahlen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und einen Eigenanteil an der Zusatzversorgung (VBL). Die Arbeitgeber zahlen einen Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungen und der Zusatzversorgung.

Beamt*innen sind in aller Regel privat versichert. Hier zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss, die sogenannte Beihilfe. Nicht für jede*n ist es attraktiv, privat krankenversichert zu sein. Die Beiträge hängen stark von eventuellen Vorerkrankungen und davon ab, in welchem Alter man die Versicherung abschließt. Während in der gesetzlichen Krankenversicherung Kinder und gegebenenfalls auch die Ehepartner*in mitversichert sind, müssen diese in der privaten Krankenversicherung zusätzlich bezahlt und versichert werden. Beamt*innen erhalten ihre Besoldung im Krankheitsfall dafür ungekürzt weiter.

Tarifbeschäftigte erhalten 6 Wochen lang ihr Entgelt vom Arbeitgeber und danach 78 Wochen Krankengeld von der Krankenkasse. Der Arbeitgeber zahlt hierzu einen Krankengeldzuschuss.
Durch eine Verbeamtung von Lehrkräften würde das System der Sozialversicherung auf Kosten der Sozialversicherungszahler*innen weiter geschwächt. Seit vielen Jahren schultern die Versicherten in den gesetzlichen Sozialversicherungen Aufgaben, die gesamtgesellschaftlich zu erbringen wären. So die Finanzierung der Renten für Langzeitarbeitslose, die Mütterrente, Kosten der Arbeitsförderung, Gesundheitskosten für Bedürftige, Leistungen der beruflichen Rehabilitation und manches mehr.

Besoldung folgt den Tarifabschlüssen

Vergleicht man die Besoldung und die Entgelte, macht es durch die unterschiedlichen Abgaben und Versicherungen nur Sinn, Nettobeträge gegenüber zu stellen. Es bleibt festzuhalten, dass das Nettoentgelt der Tarifbeschäftigten in den ersten Jahren deutlich höher ist und sich dann angleicht. Danach steigt das Netto der Beamt*innen gegenüber den Tarifbeschäftigten an. Klar ist: Beamt*innen haben auf die Lebenszeit gerechnet einen erheblichen materiellen Vorteil.

Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass die Besoldungserhöhungen der Beamt*innen den Tarifabschlüssen folgen und von den Tarifbeschäftigten erkämpft werden. Gibt es weniger Tarifbeschäftigte, die sich für Entgelterhöhungen einsetzen, werden auch die Besoldungserhöhungen und andere Verbesserungen geringer ausfallen. Die Verbeamtung von Lehrkräften würde zur Schwächung der Durchschlagskraft der Gewerkschaften und dadurch zu einer Schwächung der Lehrkräfte insgesamt führen. Für verbeamtete Lehrkräfte müssten meist schlechter bezahlte Professionen die zukünftigen Besoldungserhöhungen erstreiken.

Unstrittig sind Beamt*innen auf Grund der Kosten der Versorgung auf die Lebenszeit gerechnet erheblich teurer. Diese Kosten der Verbeamtung tragen die Steuerzahler*innen und damit auch diejenigen, die nicht verbeamtet sind.

Ohne große Berechnungen anzustellen, kann man sagen, dass Angestellte in der gesetzlichen Rentenversicherung auch unter Hinzurechnung der VBL nicht auf die Höhe der Pension der Beamt*innen kommen werden. Gleichzeitig werden durch eine Verbeamtung den Rentenversicherungen gut verdienende Beitragszahler*innen entzogen und die Rentenversicherung damit geschwächt.

Volle Hingabe zum Dienstherrn

Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist ihre rechtliche Stellung. Im Grundgesetz ist das Alimentationsprinzip verankert, das den Dienstherrn verpflichtet, Beamt*innen sowie deren Familien lebenslang angemessen zu alimentieren. Danach wird ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt gewährt. Das Alimentationsprinzip fußt auf dem Treueverhältnis, der Treuepflicht der Beamt*innen. Zu den Pflichten gehören: Die volle Hingabe zum Dienstherrn, zu steter Dienstleistung bereit sein müssen, bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben, sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Dienstes so verhalten, dass sie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, das ihr Beruf erfordert.

Im Umkehrschluss bedeuten diese schwülstigen Formulierungen, dass Beamt*innen keine Möglichkeit haben, für die Höhe ihrer Besoldung oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu streiken. Diese werden per Gesetz oder Verordnung festgelegt. Die dem Status immanenten Prinzipien haben mit meinem Verständnis einer gewerkschaftlichen Rolle in unserer Gesellschaft wenig bis gar nichts gemein, weil die Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Beamt*innen vom Wohl und Wehe des Dienstherrn abhängt und nicht von der Durchsetzungsfähigkeit einer Gewerkschaft. Dies wurde nicht zuletzt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dessen Begründung zum Beamtenstreikrecht vom 12. Juni 2018 mehr als deutlich. Die Durchsetzung der Eingruppierung in die E13/A13 für Grundschullehrkräfte wäre allein mit Beamt*innen nicht möglich gewesen.

Über 7.000 Lehrkräfte blieben außen vor

Wenn in Berlin die Verbeamtung für Lehrkräfte eingeführt würde, kämen nur bestimmte Gruppen für die Verbeamtung in Frage. Nicht verbeamtet würden alle jene, die nicht die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zur Verbeamtung erfüllen. Das sind grundsätzlich unter anderem die Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung (LovL), Pädagogische Unterrichtshilfen, Lehrkräfte für Fachpraxis und die Lehrkräfte unterer Klassen (Luks), die erst seit 2016 im Dienst sind. Selbstredend würden weder Erzieher*innen noch andere Beschäftigte an Schulen im Sozial- und Erziehungsdienst verbeamtet. Die Verbeamtung würde die Beschäftigten an staatlichen Schulen weiter aufspalten und widerspricht unseren Vorstellungen von einheitlichen Arbeitsbedingen und einem einheitlichen Dienstrecht in multiprofessionellen Teams.

Genau so wenig könnten diejenigen verbeamtet werden, die nicht über die persönlichen Voraussetzungen verfügen. Es wird auch in Zukunft eine Höchstaltersgrenze zur Verbeamtung geben. Nach dem Willen des Senats soll das Höchstalter das 45. Lebensjahr werden. Damit würden alle, die über dieser Grenze liegen, nicht verbeamtet. Zu den persönlichen Voraussetzungen gehören aber auch die gesundheitlichen Voraussetzungen. In der Regel werden die älteren und kranken oder übergewichtigen Kolleg*innen auf der Strecke bleiben. Sie werden nicht verbeamtetet, weil sie im Alimentationsprinzip ein zu hohes Risiko darstellen. Wenn bei der Einstellung absehbar ist, dass der zukünftige Beamte oder die Beamtin vor Erreichen der Altersgrenze dauerhaft dienstunfähig wird, ist eine Verbeamtung ausgeschlossen.

Die Verbeamtung löst nicht das Fachkräfteproblem

Der Lehrer*innenmangel ist ein bundesweites und kein Berliner Problem. Die Bedarfe konnten in vielen Bundesländern nicht oder nur mit Quereinsteiger*innen gedeckt werden. Dabei spielte es keine Rolle, ob in dem Bundesland verbeamtet wird oder nicht. Die von Bildungssenatorin Sandra Scheeres genannten Zahlen zur Abwanderung oder Kündigung von Lehrkräften sagen nichts über deren Motivation aus. Es gibt keine Untersuchung, die erfassen würde, wer warum das Land verlässt. Die Zahlen zu Kündigungen sind genauso wenig aussagekräftig. Auch hier wird die Motivation nicht erfasst. Aus der Beratung kennen wir die unterschiedlichsten Motivationen, Berlin zu verlassen. Hierzu gehören neben familiären Gründen selbstredend steigende Mieten und Lebenshaltungskosten und diverse persönliche Gründe.

Dem Fachkräftemangel kann durch eine Steigerung der Attraktivität des Lehrer*innenberufes begegnet werden. Am ehesten kann das gelingen, wenn Tarifbeschäftigte sich im Rahmen ihrer tariflichen Möglichkeiten für Verbesserungen einsetzen. Hierzu bietet der Tarifvertrag diverse Möglichkeiten, über Zulagen die Einkommen anzuheben. Auch wenn sich die Arbeitszeit nicht so ohne Weiteres tariflich ändern lässt, bieten andere Felder Handlungsoptionen. Unsere Tarifkommission diskutiert diese Themen seit geraumer Zeit. Im Koalitionsvertrag hat sich die Koalition grundsätzlich für den Vorrang von Angestelltenverhältnissen vor Beamtenverhältnissen ausgesprochen. Eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus für eine Verbeamtung von Lehrkräften sehe ich zurzeit nicht.

Als Fazit bleibt für mich festzuhalten: Die Verbeamtung von Lehrkräften schwächt die Durchsetzungskraft der GEW BERLIN in Tariffragen. Die Verbeamtung würde eine große Gruppe unter ein antiquiertes Dienstrecht stellen und die Möglichkeiten, auf die Arbeitsbedingungen Einfluss zu nehmen, verschlechtern. Die Verbeamtung führt zu einer sozialpolitischen Endsolidarisierung und einem weiteren Verschieben von gesamtgesellschaftlicher Kosten auf die schlechter Verdienenden. Die Verbeamtung von Lehrkräften führt zu einer Spaltung der Beschäftigten an den staatlichen Schulen in weitere Gruppen mit unterschiedlichen Arbeits- und Einkommensbedingungen. Der Mangel an Fachkräften wird durch eine Verbeamtung nicht gelöst.