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Tendenzen

Verbrechen der deutschen Wehrmacht in Griechenland

Eine Lücke klafft im kollektiven Gedächtnis der Deutschen. 
Die Arbeit mit dem Dokumentarfilm »Der Balkon« kann helfen, sie zu schließen.

Foto: DER BALKON Chrysanthos Konstantinidis

Vor 80 Jahren, am 6. April 1941, marschierte die deutsche Wehrmacht in Griechenland ein. Sie blieb bis 1944. Über die Ausplünderung des Landes, Massaker an Zivilist*innen und die Vernichtung ganzer Dörfer während dieser Zeit ist in Deutschland kaum etwas bekannt. In den Schulbüchern oder anderem Unterrichtsmaterial zum 2. Weltkrieg findet man wenig oder nichts dazu. Schuld und Verantwortung gegenüber Griechenland wurden länger verdrängt als die gegenüber anderen von Deutschland okkupierten Ländern. Dem entspricht eine weitgehende Erinnerungslücke im kollektiven Gedächtnis der deutschen Gesellschaft.

Der Film »Der Balkon« von Chrysanthos Konstantinidis über die Wehrmachtsverbrechen im griechischen Dorf Lyngiades kann dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Das Dorf Lyngiades in Nord-Griechenland wird wegen seiner wunderbaren Aussicht der »Balkon« genannt. Doch die Idylle war Schauplatz eines Massakers. Am 3. Oktober 1943 ermordeten die deutschen Besatzer 82 Dorfbewohner*innen, überwiegend Kinder und alte Leute, und zerstörten fast alle Häuser. Konstantinidis lässt in seinem Film die Opfer und deren Nachfahren die Geschichte dieses Massakers erzählen. Ihr Leiden steht exemplarisch für die Geschichte von 99 griechischen »Märtyrer*innendörfern«, wie seit 1998 Gedenkorte bezeichnet werden, in denen von 1941 bis 1944 während der Jahre der deutschen Besatzung schwere Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung verübt wurden.

Der Regisseur des Dokumentarfilms stammt selbst aus Lyngiades. Die Hintergründe des Verbrechens recherchierte vor drei Jahrzehnten Professor Christoph Schminck-Gustavus. Jetzt führt er durch den Film. In diesem hören die Nachgeborenen vor Ort, oft zum ersten Mal, Erinnerungen von Überlebenden, die von Schminck-Gustavus 1989 auf Tonband aufgenommen worden sind. Es sind Dokumente der Trauer vor dem Hintergrund eines kollektiven Traumas.

Was heute getan werden kann

Der Verein »Respekt für Griechenland e.V.« versucht, die Debatte über die deutsche Kriegsschuld und die berechtigten Forderung Griechenlands in die deutsche Gesellschaft und Politik zu tragen. So werden Filmvorführungen in verschiedenen Kinos und auch anderen öffentlichen Räumen jeweils mit Diskussionen unterstützt, die einen hohen Aufklärungswert haben. Um den Film auch in Schulen zeigen zu können, hat der Regisseur die Langfassung in sehr gelungener Weise auf 43 Minuten gekürzt. Durch diesen Film können die Schüler*innen verstehen, was eigentlich in Griechenland passiert ist. Mit den Fragen nach der Verantwortung, was man jetzt tun könne und warum bisher von der politischen Seite so wenig geschehen sei, weist der Film aber auch in die Gegenwart.

Die Kurzfassung des Films »Der Balkon« ist bereits in einigen Schulen von Rheinland-Pfalz gezeigt worden. Die Resonanz war durchweg positiv. Die beteiligten Lehrer*innen halten den Film für geeignet, um die Verbrechen der Wehrmacht im 2. Weltkrieg zu behandeln.

In Berlin ist der Film in den Schulen bisher noch nicht eingesetzt worden. »Respekt für Griechenland e.V.« sucht Kolleg*innen, die mit diesem Film arbeiten wollen, sei es im Geschichtsunterricht bei der Behandlung des Themas 2. Weltkrieg oder im Ethikunterricht. Geeignet ist der Film auch für einen Projekttag. Das umfangreiche Begleitmaterial erleichtert den Lehrer*innen die Vorbereitung auf den Unterricht, ist aber auch für die selbstständige Arbeit von Schüler*innengruppen geeignet. Das hat der Probelauf in Rheinland-Pfalz gezeigt. Es gibt auch die Möglichkeit, Kontakt zu einem der Märtyrer*innendörfer aufzunehmen. In den Dörfern gibt es großes Interesse daran, in ihrem Leid überhaupt wahrgenommen zu werden, damit man in Deutschland etwas davon erfahre.

»Respekt für Griechenland e.V.« bittet nach der Arbeit mit dem Film um eine kurze mündliche oder schriftliche Rückmeldung. Es ist geplant, nach einer Erprobungsphase den Film auch dem Medienzentrum und der Landeszentrale für politische Bildung anzubieten.     

»Der Balkon – Wehrmachtsverbrechen in Griechenland. Die Vernichtung des Dorfes Lyngiades am 
3. Oktober 1943.« von Chrysanthos Konstantinidis (2018)

Kolleg*innen, die interessiert daran sind, den Film einzusetzen, können sich an die Autorin 
dieses Artikels wenden: bieg.brentzel(at)gmx(dot)de

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46