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bbz 01 / 2016

Viel Neues in der Lehrkräftebildung

Studium und Referendariat sind jetzt für alle gleich lang, ISS und Gymnasium werden zusammengelegt und noch einiges mehr.

Nach einer langen politischen Diskussion, die die GEW BERLIN intensiv begleitete, trat im Februar 2014 das neue Lehrkräftebildungsgesetz in Berlin in Kraft. Nicht nur der Name »Lehrkräftebildungsgesetz« trägt die Handschrift der GEW. Zahlreiche inhaltliche Vorschläge und Forderungen der GEW zum Gesetz und zu den darauf basierenden Verordnungen wurden aufgegriffen.
Seit diesem Semester absolvieren alle angehenden Lehrkräfte ein gleich langes Studium von sechs Semes-tern Bachelor- und vier Semestern Masterphase, einschließlich eines Praxissemesters. Das anschließende Referendariat dauert für alle einheitlich 18 Monate.
Das bisher gängige Prinzip »kleine Kinder, kleine Ausbildung der Lehrkräfte« gehört der Vergangenheit an. Damit ist eine entscheidende Voraussetzung geschaffen, um auch das »kleine Geld« für Lehrkräfte an Grundschulen endlich wirksam anzugehen.
Die Neuordnung der Lehrämter ist ein weiterer entscheidender Reformschritt. Anstelle der bisher sehr differenzierten Ausbildungsgänge für alle möglichen Schularten sind drei neue Lehrämter getreten: für Grundschule, für Integrierte Sekundarschule (ISS) und Gymnasien sowie Berufsbildende Schule. Ein eigenständiges Lehramt für Sonderschulen beziehungsweise Sonderpädagogik gibt es nicht mehr. Dafür können alle Studierenden anstelle eines Faches zwei sonderpädagogische Fachrichtungen wählen. Lehrkräfte für die Grundschule werden in drei Fächern ausgebildet, wobei Mathematik und Deutsch verpflichtend sind, außer wenn anstelle eines Faches Sonderpädagogik gewählt wird.
Die Einführung eines eigenständigen Lehramtes für die Grundschule hat die GEW kritisch gesehen, weil damit nicht mehr der komplette Sek I-Bereich abgedeckt wird. Vor dem Hintergrund der allseits geforderten Stärkung der mathematischen und sprachlichen Grundbildung hatten unsere Argumente letztlich keine Chance.

Gemeinsames Lehramt ISS und Gymnasium

Besonders umstritten war die Bildung eines gemeinsamen Lehramtes ISS/Gymnasium. Damit sollen Lehrkräfte befähigt werden, in Sek I und Sek II gleichermaßen unterrichten zu können – eine notwendige Konsequenz aus der Schulstrukturreform und der Einführung der ISS. Die Zusammenfassung der bisher getrennten Ausbildung war auch deshalb dringend geboten, weil immer weniger Studierende das Lehramt »LehrerIn mit fachwissenschaftlicher Ausbildung in zwei Fächern« wählten und der Nachwuchs für die ISS fehlte.
Die CDU in Berlin betrachtete das als weiteren Schritt zur Abschaffung der Gymnasien und zog alle Register, um es zu verhindern. Die neuen Studiengänge konnten deswegen mit einem Jahr Verzögerung erst jetzt zum Wintersemester 2015/16 beginnen. Am Ende steht ein fauler politischer Kompromiss, dessen praktische Folgen heute noch nicht verlässlich bewertet werden können. Das Studium im neuen Lehramt ISS/Gymnasium erfolgt danach in zwei differenzierten Masterstudiengängen, die sich hinsichtlich der Schwerpunktsetzung in Fachlichkeit und Bildungswissenschaften unterscheiden. Damit wird das Ziel, die Lehrkräfte für beide Schularten auf hohem Niveau fachwissenschaftlich und fachdidaktisch auszubilden und der generell immer heterogener werdenden SchülerInnenschaft Rechnung zu tragen, konterkariert. Erste Rückmeldungen aus den Universitäten bestätigen leider auch die Befürchtung der GEW, dass sich die meisten Studierenden wie bisher für den Masterstudiengang mit Schwerpunkt Gymnasien entscheiden. Positiv ist aber, dass im anschließenden Referendariat im Lehramt ISS/Gymnasium keine getrennte Ausbildung stattfindet. Insofern ist die Differenzierung im Masterstudium nicht nur überflüssig und kapazitätsraubend, sondern vor allem für die Studierenden wenig zielführend.
Neben der Einführung eines Praxissemesters für alle Studierenden müssen die Studiengänge verpflichtende Anteile in inklusiver Bildung und Sprachförderung mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) enthalten sowie Qualifikationen in Gender, gesellschaftlicher Vielfalt und interkultureller Bildungsarbeit vermitteln. Ob der Umfang jeweils ausreichend ist, sei hier dahingestellt.
Neu gestaltet wurden auch die Voraussetzungen für die Weiterbildung der Lehrkräfte. Damit wurde endlich dem Umstand Rechnung getragen, dass das Lehramtsstudium nicht mehr mit einer Staatsprüfung endet. Daher sind auch für berufsbegleitende Weiterbildungen zum Erwerb der Unterrichtsbefähigung in einem weiteren Fach oder einer anderen Lehramtsbefähigung keine zusätzlichen staatlichen Prüfungen mehr erforderlich.
Unverständlich ist allerdings, dass Lehrkräfte mit dem bisherigen Abschluss »LehrerInnen mit fachwissenschaftlicher Ausbildung in zwei Fächern« keine Möglichkeit haben, über eine berufsbegleitende Weiterbildung das neue Lehramt ISS/Gymnasium zu erwerben. Hier muss nachgebessert werden.

Viele Fragen bei den Studierenden

Die neuen Studiengänge haben jetzt im Wintersemester 2015/16 begonnen. Erfahrungen liegen hier also noch keine vor. Beim Referendariat hat Berlin aber nicht abgewartet, bis die ersten aus der Uni kommen, sondern bereits seit August 2014 alle mit den bisherigen Lehramtsabschlüssen einem der drei neuen Lehrämter zugeordnet. Das führt nach wie vor zu vielen Fragen bei den Studierenden, insbesondere denjenigen mit Sonderpädagogik sowie in den alten Lehrämtern für die Sek I und die »Studienratslaufbahn«. Das betrifft die Einsatzschulen im Referendariat und vor allem die Anerkennung der neuen Abschlüsse und die spätere Bezahlung im Beruf. Die Senatsbildungsverwaltung muss hier deutlich mehr informieren und aufklären, damit die StudienabsolventInnen auch in Berlin bleiben. Besonders gravierend ist das bereits bei den SonderpädagogInnen. Zum letzten Einstellungstermin fürs Referendariat hat fast die Hälfte aller Be-werberInnen den Platz in Berlin nicht angenommen.
Hier wirkt sich auch aus, dass es für die neuen Lehrämter in Berlin noch keine laufbahnrechtliche Zuordnung gibt. Es ist nicht geregelt, wie die Bezahlung später sein wird. Wer sich also jetzt für den neuen Masterstudiengang Grundschule mit Sonderpädagogik entschieden hat, weiß nicht, ob hinterher nach Entgeltgruppe 11 oder 13 bezahlt wird.
Im Lehramt ISS/Gymnasium erfolgt die Ausbildung im Referendariat in vielen Fällen in ISS ohne Oberstufe. Die betreffenden ReferendarInnen müssen aber auch in der gymnasialen Oberstufe ausgebildet werden und dort mindestens eine der beiden Prüfungsstunden absolvieren. Zurzeit erfolgt der parallele Einsatz in einer Schule mit Oberstufe in einem der beiden Fächer häufig erst im letzten Halbjahr. Das ist viel zu spät, um sich mit neuer Lerngruppe und neuem Kollegium ausreichend auf die Prüfung vorzubereiten. Spätestens ab dem zweiten Ausbildungshalbjahr sollte auch in der Oberstufe unterrichtet werden können.
Die angehenden Grundschullehrkräfte müssen ihr Referendariat in drei statt zwei Fächern absolvieren und haben damit ohnehin schon eine höhere zeitliche Belastung als alle anderen. Daher muss wenigstens die Zahl der verpflichtenden Unterrichtsbesuche reduziert werden, von derzeit insgesamt 15 auf 10, wie für alle anderen ReferendarInnen auch.
Bei allen Problemen, die es noch gibt und sicher weiter geben wird, sind mit dem neuen Lehrkräftebildungsgesetz die richtigen Weichen gestellt worden, um die LehrerInnen in Berlin für die steigenden Anforderungen des Schulalltags auszubilden.


Dieser Artikel ist Teil des bbz-Themenschwerpunkts „Das neue Gesetz zur Lehrkräftebildung“