Schwerpunkt „Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen unter Druck“
Von der guten Idee zum guten Konzept
Die Grundidee multiprofessioneller Teams in Kitas geht davon aus, dass Vielfalt im Team den Kindern, ihren Familien und dem pädagogischen Team selbst nützt.
Kolleg*innen mit besonderen beruflichen Kompetenzen und Lebenserfahrungen bereichern das Team: Sie können den Blick auf Vielfalt in der Kindergemeinschaft, in den Familien und im Sozialraum um weitere Perspektiven ergänzen. Demgegenüber wurde in der Diskussion zur Etablierung multiprofessioneller Teams auch die Angst vor der Abwertung des Berufsfelds laut, das seit Jahren engagiert mehr gesellschaftliche Anerkennung, Professionalisierung und Akademisierung fordert. Dieses Spannungsfeld multiprofessioneller Teams wird in diesem Artikel kindorientiert und mit der Brille der Qualitätsentwicklung beleuchtet.
An der Lebenswelt orientiert
Kinder verbringen heute einen großen Teil ihrer Zeit in pädagogischen Institutionen. Das hat viele Vorteile für Kinder und Familien. Zugleich bedeutet dies, dass Kinder weniger Zeit für Erfahrungen mit dem familiären Haushalt und den Berufen der Eltern, Verwandten oder Nachbar*innen haben. Mit der Idee multiprofessioneller Teams ist verbunden, Kindern genau solche Erfahrungen in der Kita zu bieten. Daher lohnt sich der Blick auf die Lebensrealität und die Erfahrungsmöglichkeiten der Kinder. Die Einschätzung dieser Erfahrungen und ihre Bewertung sind beeinflusst von unserer eigenen Perspektive. Welche Erfahrungen teilen wir und was können wir uns, ausgehend von unserer eigenen Biografie, überhaupt nicht vorstellen? Welche Werte leiten mich und wie empfinde ich deshalb das, was ich im Leben der Kinder beobachte? Welche Vorstellung habe ich davon, welche Kompetenzen Kinder in der Zukunft benötigen? In multiprofessionellen Teams können verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen und sich verbinden. Kolleg*innen mit besonderen Kompetenzen können die Erfahrungswelt von Kindern erweitern, ihre Fragen aufgreifen und ihnen Identifikationspersonen sein – auch mit ihrer eigenen Familienkultur.
Multiprofessionelle Teams unterstützen
In den letzten zehn Jahren lassen sich in Berlin Entwicklungen beobachten, die bezüglich der Personalsituation in Kitas zu mehr Heterogenität beitragen. Beispielsweise treffen die schrittweisen Verbesserungen des Personal- und Leitungsschlüssels auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie und eine teilweise hohe Fluktuation in Kita-Teams.
Von März 2021 bis November 2022 unterstützte das Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (BeKi) in einem Pilotprojekt fünf Kitas dabei, ihr multiprofessionelles Team weiterzuentwickeln. Die Pädagog*innen brachten ihre eigenen Fragestellungen in das Projekt ein, tauschten sich zu verschiedenen Strategien in der Arbeit als multiprofessionelles Team aus und erprobten an der eigenen Situation orientiert in ihren Kitas Methoden und Materialien. Die Projekterfahrungen werden in fünf Praxisheften aufbereitet und nach Fertigstellung allen Berliner Kitas zur Verfügung gestellt. Zwei Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt werden beispielhaft ausgeführt:
Quereinstieg bedeutet in Berlin aktuell überwiegend berufsbegleitende Ausbildung. Für die Einarbeitung und Anleitung brauchen pädagogische Fachkräfte Kompetenzen der Erwachsenenbildung: Anregung zur Reflexion statt: »Sagen, wie es richtig geht«, eine fehler- und lernfreundliche Kultur und schrittweises Einarbeiten in pädagogische Prozesse. Das gesamte Team kann aus der Reflexion über eigene Tätigkeiten, Überzeugungen und Werte einen Nutzen ziehen. Interessierte Fragen der neuen Kolleg*innen über etablierte Abläufe oder zum Bild vom Kind können blinde Flecken oder unhinterfragte Gewohnheiten aufdecken.
Teammitglieder, die (noch) keine pädagogischen Fachkräfte sind, können die Kita-Kultur bereichern. Sie bringen Wissen und Kompetenzen aus anderen Berufskontexten und Lebensbereichen mit, die sie in die pädagogische Arbeit mit den Kindern einfließen lassen können. Damit verändern sie auch das Zusammenspiel im Team: Der Blick auf besondere Kompetenzen befördert wiederum, erfahrene Fachkräfte zu fragen, welche besonderen Kompetenzen sie in die pädagogische Arbeit einbringen wollen und können.
Aus Rückmeldungen der Projektkitas wissen wir, dass sie durch das Pilotprojekt ihre knappen Zeitressourcen prioritär für Teamentwicklung und die Schaffung einer gemeinsamen pädagogischen Basis nutzten. Das ist gut investierte Zeit, die aber ohne das Projekt kaum dafür genutzt worden wäre. Es braucht im System der geteilten Verantwortung gezielte Unterstützung multiprofessioneller Teams durch den Träger und das Land. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Träger die vom Land Berlin finanzierte »Zeit für Anleitung« tatsächlich beantragt und sicherstellt, dass diese zusätzlichen Mittel zielgemäß eingesetzt werden.
Zeit für Team- und Qualitätsentwicklung lohnt sich
Die gezielte, systematische Unterstützung von Kitas bei der Weiterentwicklung multiprofessioneller Teams braucht auch die in Berlin erfolgreich etablierten Instrumente der Qualitätsentwicklung wie die Konzeptionsentwicklung und die interne Evaluation. Die meisten Kitas überarbeiten ihre Konzeption regelmäßig in einzelnen Abschnitten oder komplett, wie die vierte Kita-Befragung durch das BeKi ergab. Sie ist die Grundlage der pädagogischen Arbeit, ein wichtiges Instrument der Profilentwicklung und zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen. Mit der internen Evaluation verbinden Kita-Teams einen sehr hohen Nutzen: Sie stärkt die Zusammenarbeit im Team, die Aufgaben der Pädagog*innen werden klarer, das professionelle Selbstverständnis wird gestärkt und das Team konkretisiert sein gemeinsames Verständnis vom evaluierten Aufgabenbereich beziehungsweise Thema.
Anknüpfend an die zuvor skizzierten Projekterfahrungen wird deutlich, dass sich Zeit für Team- und Qualitätsentwicklung lohnt. Von einzelnen Kita-Leiter*innen hören wir allerdings, dass ihnen aufgrund der Quereinsteiger*innen im Team die Basis für die interne Evaluation fehle oder das Team keine Lust habe, immer wieder die gleichen Grundlagen zu besprechen. Dieser Frust ist verständlich. Zum Abschluss möchte ich hier für einen Perspektivwechsel in diesen Kitas werben: Zeit für Team- und Qualitätsentwicklung lohnt sich, weil damit die Quereinsteiger*innen die Grundlagen der pädagogischen Arbeit verstehen können und das ganze Team sich dieser selbst versichern kann. Die Übernahme besonderer Rollen in der internen Evaluation kann erfahrene Fachkräfte motivieren. Eine externe Begleitung oder die Fachberatung können zur vertiefenden Reflexion anregen und die Kita vom zeitlichen Aufwand der Vorbereitung entlasten. Von der Weiterentwicklung der Arbeit im multiprofessionellen Team profitieren Kinder, Familien und das Team. Das ist kein Selbstläufer, aber mit Unterstützung gibt es dafür passende Instrumente und Konzepte.
Zur Projektseite »Multiprofessionelle Teams« des BeKi:
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