Schwerpunkt „Soziales unter Kürzungsdruck“
Von der Raupe zum Schmetterling
Ein Interview mit »RAUPE & SCHMETTERLING – Frauen in der Lebensmitte e.V.« über die Erfolge ihres Bildungs- und Beratungszentrums und die Herausforderungen der Finanzierung.
bbz: Frau Mennenga, können Sie uns etwas über die Gründung Ihres Vereins erzählen und welche Ziele Sie damals verfolgt haben?
Bernhild Mennenga: Anfang der 1980er Jahre, im Zuge der zweiten Frauenbewegung, gab es an Volkshochschulen Kurse zur beruflichen Orientierung für Frauen nach der Familienphase. Dadurch entstand der Wunsch nach einem Zentrum, um sich zu treffen und auszutauschen. Dieses Bedürfnis kam von den Frauen selbst, begleitet von den Dozentinnen der Kurse. Sie wollten aus der Unsichtbarkeit heraustreten und das haben sie mit viel Engagement erreicht. 1982 wurde der Verein gegründet, und ab 1983 begann er richtig zu wachsen. Anfangs war unser Verein stark selbsthilfeorientiert, doch heute sind wir ein Bildungs- und Beratungszentrum. Unser Ziel ist es, Frauen zu stärken, ihren eigenen Weg zu gehen und ökonomisch unabhängig zu sein. Wir bieten eine breite Palette von Kursen, Workshops und Beratungsangeboten an, von Rechtsinformationen durch Fachanwältinnen bis hin zu Workshops zur Berufsorientierung. Oft geben uns die Frauen die Rückmeldung, dass unsere Angebote ihnen geholfen haben, weiterzukommen.
Welche besonderen Qualifikationen und Kompetenzen bringen Ihre Teammitglieder in die Beratung ein?
Mennenga: Unser Team besteht aus Pädagoginnen, Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen. Außerdem arbeiten wir mit qualifizierten externen Beraterinnen zusammen. Besonders wichtig sind neben den Beratungskompetenzen aktuelle Rechtskenntnisse. Wir bieten eine regelmäßig aktualisierte Informationsreihe zum Download an, die Themen wie Bürgergeld, Arbeitslosengeld oder die Absicherung im Krankheitsfall abdecken. Ein wichtiges Thema seit den 2000er Jahren ist auch die Existenzgründung. Wir haben eine Broschüre dazu, die wir regelmäßig aktualisieren und online zur Verfügung stellen. Unsere Expertinnen, darunter auch Unternehmensberaterinnen, unterstützen Frauen dabei, eigene Unternehmen zu gründen oder sich selbstständig zu machen.
Arbeiten Ehrenamtliche bei Ihnen mit?
Mennenga: Ja, wir haben Ehrenamtliche, aber es wird zunehmend schwieriger, junge Leute dafür zu gewinnen. Viele Menschen sind in ihren Hauptberufen bereits stark gefordert und finden oft keine Zeit oder Energie. Während ältere Ehrenamtliche oft die Kapazitäten haben, sehen wir, dass jüngere Berufstätige kaum die Möglichkeit finden, sich zusätzlich zu engagieren. Meist sind unsere Ehrenamtlichen 50 plus. Hinzu kommt, dass Menschen in prekären Situationen oft sagen, dass sie sich nur vorstellen können, eine ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben, wenn sie eine Aufwandspauschale dafür bekommen. Seit Corona sind die Spenden jedoch stark zurückgegangen und wir haben überhaupt kein Geld, um Aufwandspauschalen zu bezahlen. So beißt sich die Katze in den Schwanz.
Für unsere Dozentinnen und externen Beraterinnen zahlen wir Honorare, aber die Sätze, die uns die Senatsverwaltung vorgibt, sind sehr gering. Beispielsweise zahlen wir unseren Fachanwältinnen für Sozial- und Arbeitsrecht seit Jahren nur 50 Euro. Es ist schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden, die für diesen Betrag arbeiten. Viele tun es aus Solidarität mit den Ratsuchenden und unserem Verein und weil sie unser Engagement unterstützen wollen. Doch die Generationen wechseln, und es wird schwerer, Nachwuchs zu finden, der bereit ist, für wenig Geld zu arbeiten.
Wie gehen Sie angesichts der Herausforderungen, mit denen gemeinnützige Organisationen konfrontiert sind, mit der Zuwendungsfinanzierung um?
Mennenga: Die Zuwendungsfinanzierung ist nicht einfach, wir müssen jedes Jahr einen Antrag stellen, und es besteht immer die Möglichkeit, dass es keine Finanzierung gibt. Wir sind da nach über 40 Jahren etwas gelassener, da wir einen guten Ruf in der Stadt haben und unsere Arbeit manchmal sogar im Koalitionsvertrag erwähnt wird, was uns ein bisschen schützt. Als eine Kollegin in Rente ging und wir neue Bewerbungsgespräche führten, merkten wir jedoch, wie verunsichert junge Frauen auf die befristete Finanzierung reagierten. Viele entschieden sich für einen festen Arbeitsvertrag bei einem anderen Arbeitgeber. Trotzdem haben wir bisher immer passende und gute Kolleginnen gefunden. Aber bei Zuwendungsfinanzierung braucht man schon starke Nerven.
Welche Rolle spielen die ESF-Mittel (Europäischer Sozialfonds) für Ihren Verein?
Mennenga: Wir haben ein Projekt, das über die ESF-Mittel finanziert wird, doch der administrative Aufwand ist so hoch, dass es für einen kleinen Verein kaum noch tragbar ist. Ich wünsche mir hier mehr Unterstützung von der Senatsverwaltung, damit auch kleine Vereine, die nicht zu den großen Wohlfahrtsverbänden gehören, auf diese Gelder zugreifen können. Sonst müssen immer mehr kleine Vereine aufgeben, weil sie die administrativen Hürden nicht bewältigen können.
Im Koalitionsvertrag hat der Senat eine Stärkung der Fraueninfrastruktur angekündigt. Haben Sie schon konkrete Maßnahmen bemerkt?
Mennenga: Ja, letztes Jahr haben wir die Zusage für eine zusätzliche Stelle im Bereich »Arbeit und Erkrankung« erhalten, die wir dann im März 2024 besetzen konnten. Wir haben dieses Angebot im Jahr 2003 neben unserer Sozialberatung aufgebaut, weil wir bemerkten, dass neue Themen wie steigende Arbeitsbelastung und psychische Belastungen immer mehr in den Vordergrund rücken. Anfangs hatten wir keine Finanzierung und leisteten die benötigten Stunden ehrenamtlich oder konnten sie aus Spenden und Stiftungsgeldern aufstocken. Die Nachfrage war enorm, und wir haben viele Jahre lang in jedem Antrag geschrieben, dass wir mehr Stunden und Personal benötigen. Schließlich erhielten wir eine Anschubfinanzierung von Aktion Mensch, die uns ermöglichte, den Bereich auszubauen. Nach zwei Jahren Finanzierung durch Aktion Mensch übernahm der Senat dieses Angebot in seine Finanzierung.
Was sind Ihre größten Herausforderungen bei der Finanzierung?
Mennenga: Eine angemessene Vergütung unserer Honorarmitarbeiterinnen sowie eine deutlich bessere Einstufung der Leitungspositionen. Beides muss mit einer Erhöhung unseres Budgets einhergehen. Wir kämpfen seit Jahren für eine bessere Einstufung der Leitungspositionen. Die Einstufung im TV-L ist für die Aufgaben, die meine Kolleginnen übernehmen, nicht besonders attraktiv, besonders für jüngere Bewerberinnen. Mit Sorge blicken wir auf das Jahr 2026 beziehungsweise auf das nächste Jahr, wenn wir die Anträge neu stellen müssen. Es ist bereits bekannt, dass 2,3 Millionen Euro im Gleichstellungshaushalt eingespart werden sollen. Aber wir bleiben kämpferisch und werden uns die Butter nicht vom Brot nehmen lassen.
Wäre eine verstetigte Finanzierung eine Lösung für diese Probleme?
Mennenga: Ja und nein. Eine feste Finanzierung bedeutet auch, dass man regelmäßig neue Verhandlungen führen muss. Wir haben lange dafür gekämpft, nach TV-L bezahlt zu werden und dass die Tariferhöhungen übernommen werden. Das haben wir 2016 endlich durchgesetzt. Vorher gab es Projekte, die noch auf dem Stand von 2003 finanziert wurden. Doch die Lebenshaltungskosten steigen ständig. Mieten, Gehälter, alles wird teurer. Wir haben viele Wünsche, aber ich glaube, gerade in unserem Bereich ist es notwendiger denn je, dass diese Probleme langfristig angegangen werden.
Webseite und Programm 2024-2025 des »RAUPE & SCHMETTERLING – Frauen in der Lebensmitte e.V.«