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bbz 10 / 2015

Von Fristvertrag zu Fristvertrag

Der neue Entwurf des Wissenschaftszeit-vertrags-gesetzes bringt zwar Verbesserungen, die Forderungen und Wünsche der Betroffenen werden aber bei weitem nicht erfüllt.

In keiner anderen Branche haben Arbeitgeber so weitgehende rechtliche Möglichkeiten, lediglich befristet zu beschäftigen, wie in Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Sie brauchen dafür nicht einmal einen besonderen Grund. Für die Wissenschaft existiert schon viele Jahre ein Sonderarbeitsrecht, aktuell in Gestalt des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Bis zu sechs Jahre lang können WissenschaftlerInnen ohne Grund befristet beschäftigt werden, wenn sie noch nicht promoviert sind. Nach Abschluss der Promotion können die Betreffenden erneut bis zu sechs Jahre – in der Medizin bis zu neun Jahre – mit Fristverträgen ohne besonderen Grund abgespeist werden. Und dann? Kommt danach die Dauerstelle?

Das politische Ziel der damaligen rot-grünen Bundesregierung bei der Einführung der personenbezogenen Höchstgrenzen für Fristverträge im Jahr 2001 war es, die Befristungen in der Wissenschaft einzudämmen und auf die »Qualifizierungsphase« zu beschränken. Die Einrichtungen sollten damit einen Anreiz bekommen, die WissenschaftlerInnen anschließend unbefristet weiter zu beschäftigen. Gute Leute lässt man schließlich nicht einfach ziehen. Weit gefehlt! Ziel verfehlt! Kamen im Jahr 2005 auf eine unbefristet beschäftigte WissenschaftlerIn noch fünf befristete, sind es heute neun.

Das Gesetz hat nicht funktioniert

Statt sich Gedanken um eine langfristige Personalentwicklung zu machen, die auch jenseits der Lebenszeitprofessur eine dauerhafte Beschäftigung für WissenschaftlerInnen bietet, haben Hochschulen und Forschungseinrichtungen die Politik lieber weiter unter Druck gesetzt, die Befristungsmöglichkeiten noch auszuweiten. Im Jahr 2007 hatten sie dann Erfolg unter der schwarz-gelben Bundesregierung.

Mit dem neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz wurde die Drittmittelbeschäftigung zusätzlich als Befristungsgrund aufgenommen, das heißt, Verträge können befristet werden, wenn Stellen über Drittmittel finanziert sind. Seitdem können munter weiter Fristverträge abgeschlossen werden, auch wenn die betreffende Wissenschaftlerin ihre persönliche Höchstgrenze von sechs Jahren (Befristung ohne Grund) schon erreicht hat und in einem Drittmittelprojekt beschäftigt wird. Die Möglichkeit der »Drittmittelbefristung« wurde dann gleich noch auf Verwaltungs- und technisches Personal ausgedehnt, so dass auch hier die Zahl der Fristverträge deutlich gestiegen ist.

Das Gesetz selbst sieht bisher weder vor, dass die Fristverträge ohne Sachgrund tatsächlich eine Qualifizierung der betreffenden WissenschaftlerInnen ermöglichen müssen, noch enthält es einen Anspruch auf eine unbefristete Weiterbeschäftigung nach einer bestimmten Qualifizierungszeit.

Hochschulleitungen entgegnen an dieser Stelle gern, dass sie gar nicht anders können, als überwiegend befristet zu beschäftigen. Die Länder knappsten an der Grundfinanzierung und der Anteil der Drittmittel wachse von Jahr zu Jahr. Diese würden nun mal immer nur befristet vergeben. Ja – stimmt! Aber ein Wirtschaftsunternehmen lebt ausschließlich von Aufträgen und hat auch keine unbefristete Finanzierungsgarantie. Trotzdem gilt dort kein Sonderbefristungsrecht.

Nicht nur eine Kultur- sondern auch eine Strukturfrage

Die Befristungspraxis hat sicher auch etwas mit der gelebten Kultur in der Wissenschaft zu tun. Sätze wie, »Die Wissenschaft lebt von der Mobilität und dem Austausch (des Personals)«, »Wir dürfen uns im Interesse des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht mit Dauerstellen verstopfen«, »Mit unbefristeten Verträgen droht geistige Verkrustung« oder »Ich habe es auch geschafft« hört man immer noch – vorzugsweise aus dem Munde von auf Lebenszeit verbeamteten ProfessorInnen. Diese sind zwar zahlenmäßig in der absoluten Minderheit, haben aber letztlich das Sagen aufgrund ihrer gesetzlich zugesicherten Mehrheiten in den Gremien. Insofern ist es nicht nur eine Kultur- sondern auch eine Strukturfrage.

Vor allem der GEW und ihren Kampagnen zur Verbesserung der Arbeits- und Qualifizierungsbedingungen in der Wissenschaft, dem Templiner Manifest, dem Herrschinger Kodex und dem Köpenicker Appell ist es zu verdanken, dass im politischen Raum, aber auch in den Wissenschaftseinrichtungen selbst die Erkenntnis wächst, dass es so nicht weiter gehen kann. Zusätzlich haben diverse offizielle Studien und Berichte die erschreckenden Zahlen über die »Hire and Fire«-Praxis in der Wissenschaft in die öffentliche Diskussion gebracht.

Ein Ergebnis der politischen Auseinandersetzung ist der Entwurf der Novelle des WissZeitVG, den die Bundesregierung Anfang September vorgelegt hat. Die GEW hatte schon Monate zuvor einen eigenen Gesetzentwurf präsentiert, um den Druck auf die Politik zu erhöhen, endlich tätig zu werden.

Die Änderungen der Bundesregierung greifen zu kurz

Der Entwurf der Bundesregierung enthält eine Reihe positiver Änderungen, geht aber in vielen Punkten nicht weit genug. Am Grundprinzip des Befristungsrechts in der Wissenschaft wird festgehalten: Fristverträge ohne Sachgrund sind maximal sechs Jahre vor und nach der Promotion möglich. Die von der GEW geforderte unbefristete Perspektive von promovierten WissenschaftlerInnen, wenn diese ihr Qualifizierungsziel erreicht haben (sogenannter Tenure track), fehlt gänzlich.

Der Abschluss befristeter Verträge ohne Sachgrund mit wissenschaftlichem Personal soll nur noch möglich sein, wenn diese ausdrücklich zu ihrer eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung beschäftigt werden. Es fehlt aber eine klare Vorgabe, dass das im Arbeitsvertrag auch verankert wird und für die eigene Qualifizierung ein bestimmter Teil der Arbeitszeit verbindlich zur Verfügung stehen muss. Die Laufzeit der Fristverträge ohne Sachgrund muss künftig so bemessen sein, dass »sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist«. Eine Mindestvertragsdauer – zum Beispiel von drei Jahren, wie es die GEW fordert – enthält der Entwurf aber nicht.

Im Drittmittelbereich soll die Laufzeit der Verträge der Dauer der Mittelbewilligung entsprechen. Auch das greift zu kurz. Die Vertragsdauer muss an die Laufzeit der Projekte gekoppelt werden, weil in vielen Projekten die Mittel immer nur scheibchenweise bewilligt werden. Sehr positiv ist aber, dass nichtwissenschaftliches Personal, zum Beispiel in Verwaltung oder Technik, in Drittmittelprojekten nicht mehr nach diesem Gesetz befristet beschäftigt werden darf.

Studentische Beschäftigungszeiten sollen auch während des Masterstudiums nicht auf die 6 plus 6-Jahres-Höchstdauer für die wissenschaftliche Qualifizierung angerechnet werden. Das ist eine längst überfällige Klarstellung. Für die Arbeitsverträge mit studentischen Beschäftigten wird aber ein eigenständiger Befristungsgrund geschaffen. Sie sollen maximal vier Jahre lang möglich sein. Hier gibt es noch erheblichen Klärungsbedarf.

Bestimmte Zeiten der Unterbrechung eines Arbeitsverhältnisses, wie Mutterschutz, Elternzeit oder eine Beurlaubung zu wissenschaftlichen Zwecken, führen schon bisher zu einer Verlängerung des Arbeitsvertrags. Diese Verlängerung wird nicht auf die Höchstdauer von 6 plus 6 Jahren angerechnet.

Allerdings galt das bisher nur beim selben Arbeitgeber. Nun sollen diese Zeiten auch bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht angerechnet werden. Das Ganze soll aber weiter nicht für Beschäftigte im Drittmittelbereich gelten.

Kleine Trippelschritte

Mit den vorgeschlagenen Änderungen geht die Bundesregierung nur kleine Trippelschritte zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die befristete Beschäftigung von WissenschaftlerInnen. Am Kern des Problems rüttelt sie nicht. Es gibt nach wie vor keine rechtliche Verpflichtung für Hochschulen und Forschungseinrichtungen, hochqualifizierte WissenschaftlerInnen unbefristet zu beschäftigen.

Deshalb müssen wir den Druck auf die Politik deutlich erhöhen. Die bundesweite Aktionswoche der GEW Anfang November ist die Gelegenheit sich einzumischen, Flagge zu zeigen und die Öffentlichkeit auf die Missstände hinzuweisen. Wer nicht länger nur vom »Traumjob Wissenschaft« träumen möchte, sollte jetzt aktiv werden!


Ausführliche Infos zum Entwurf des WissZeitVG und den GEW-Forderungen immer aktuell unter www.gew.de/wissenschaft/wissenschaftszeitvertragsgesetz


Dieser Artikel ist Teil des bbz-Themenschwerpunkts „Das promovierte Prekariat“