Schwerpunkt „Am Limit. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz“
Von Überlastungsanzeigen bis Gesundheitsmanagement
Die Personalräte setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung der pädagogischen Berufe ein. Eine zentrale Aufgabe ist dabei der Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Der Schulalltag gestaltet sich zunehmend herausfordernder. Unterschiedliche Berufsgruppen, die im besten Fall in multiprofessionellen Teams zusammenarbeiten können, ergänzen sich in der pädagogischen Arbeit. Dabei müssen alle Beschäftigten ein hohes Maß an Fachwissen, pädagogischer Kompetenz und Engagement beweisen. Oftmals können Kolleg*innen aber gar nicht so arbeiten, wie sie es eigentlich mal gelernt haben. Theoretisch erarbeitetes Wissen muss immer wieder für die Praxis angepasst werden.
Die Bedürfnisse von Schüler*innen, die Erwartungshaltung der Erziehungsberechtigten, die Ansprüche des Systems Schule sowie die Anforderungen durch Führungskräfte sind komplex und vielfältig. Unsere professionellen Ansprüche und individuellen Bedürfnisse sollten mit diesen Herausforderungen in Einklang zu bringen sein.
Belastungen sind hoch
Große Klassen und Ganztagsgruppen, vollgestopfte oder fehlende Räume, ungenügende Arbeitsmittel, ein hohes Arbeitsaufkommen sowie fehlende Rückzugsmöglichkeiten führen häufig zu Überforderung, Zeitmangel und psychischer Belastung. Der Idealismus pädagogisch Arbeitender kann dies nicht dauerhaft wegzaubern. Letztendlich können sich so die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz Schule negativ auf die Gesundheit auswirken.
Die Beschäftigtenvertretungen unterstützen Kolleg*innen mit Rat und Tat. Die rechtlichen Grundlagen für das Handeln der Personalräte sind dabei im Berliner Personalvertretungsgesetz (PersVG) definiert. Personalratsmitglieder beraten bei der Erstellung von Überlastungsanzeigen und begleiten bei Präventionsgesprächen. Manchmal hilft es schon, zuzuhören oder auch Kontakt zu ratsuchenden Beschäftigten zu halten. Medizinisch können wir natürlich nicht helfen, gegebenenfalls aber flankierend unterstützen und Kolleg*innen an die Betriebspsychologin oder die Betriebsärztin vermitteln.
Gegen Mängel vorgehen
Der Personalrat ist verpflichtet, »bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die übrigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen und sich für die Durchführung der Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung in der Dienststelle einzusetzen.« In der Praxis nehmen Personalräte an den Sicherheitsbegehungen an Schulen teil und drängen gegenüber Schulaufsicht und Schulamt darauf, die festgestellten Mängel abzustellen. Personalräte arbeiten aktiv im Arbeitssicherheitsausschuss sowie im Ausschuss für Gesundheitsmanagement der Regionen mit, um sicherzustellen, dass die Verantwortlichen die nötigen baulichen oder organisatorischen Maßnahmen ergreifen und umsetzen.
Wie kann der Personalrat in dem vom PersVG abgesteckten Rahmen auf die Verringerung der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz hinwirken? Aus meiner Sicht muss er dabei jeden Baustein im Gesamtsystem des Arbeitsschutzes im Blick haben. In diesem System baut ein Stein auf dem anderen auf. Würden alle Gesetze im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutz eingehalten werden, wäre die psychische Belastung am Arbeitsplatz wesentlich geringer. Denn auch wenn Lehrkräfte nach einem besonderen Arbeitszeitmodell arbeiten, gelten die Schutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes auch für sie. Ruheräume für Schwangere und Stillende, wie sie die Arbeitsstättenverordnung vorsieht, sucht man an vielen Schulen vergeblich.
Ein großer Teil der Arbeit der Personalräte besteht darin, über die Einhaltung der Rechtsvorschriften zu wachen. »Muss ich das wirklich tun? Darf mein Schulleiter das machen?« Zu solchen Fragen berät der Personalrat Kolleg*innen, informiert über Gesetze und Verwaltungsvorschriften und drängt auf die Umsetzung.
Mit Biss und Weitsicht
Die Personalratsarbeit stößt dabei oft auf ein Problem in der Schulstruktur. Denn nach dem PersVG hat der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung der Arbeitsplätze. Die Senatsverwaltung für Bildung, die dem Personalrat gegenübersteht, zeichnet allerdings nur für die inneren Schulangelegenheiten verantwortlich. Die äußeren Schulangelegenheiten, zu denen auch die bauliche Dimension der Arbeitsplätze zählt, werden hingegen von den Bezirken verwaltet. Diese sind aber nicht der Arbeitgeber. Die Möglichkeiten des Personalrats, bauliche Verbesserungen wie einen effektiven Schallschutz einzufordern, können also nur über den Umweg des Arbeitgebers beim Schulträger eingefordert werden. Dies ist oftmals ein dickes Brett, das Personalräte mit Biss und Weitsicht bohren müssen.
In der Rahmendienstvereinbarung Gesundheit, die 2020 zwischen der Senatsverwaltung für Finanzen und dem Hauptpersonalrat geschlossen wurde, heißt es: »Ziel ist es, Arbeitsbedingungen, Kommunikationsstrukturen, Teamstrukturen und Arbeitsprozesse zu schaffen, die auf das physische und psychische Wohlbefinden aller Beschäftigten sowie auf eine gesundheitsförderliche Organisationsentwicklung der Dienststellen ausgerichtet sind. Dazu müssen Gesundheitsgefährdungen, einschließlich physischer und psychischer Faktoren, die zu gesundheitsgefährdenden Belastungen am Arbeitsplatz führen können, erkannt, verhütet und abgebaut werden. Gesundheitsförderliches Führungsverhalten ist dabei von großer Bedeutung.« Das ist ein hehres Ziel. Als Ausgangspunkt sind zumindest wesentliche Strukturen erkannt und benannt.
Pilotprojekt für psychische Gefährdungsbeurteilungen
Gesundheitsgefährdungen werden durch Gefährdungsbeurteilungen, die nach dem Arbeitsschutzgesetz für den Arbeitsplatz an jeder Schule von der Schulleiter*in zu erstellen sind, identifiziert. Seit 2013 sollen explizit auch psychische Belastungen bei der Arbeit ermittelt werden. Sind Gefährdungen vorhanden, müssen Maßnahmen ergriffen und dadurch Gefährdungen abgestellt oder minimiert werden.
Nach den berlinweiten regionalen Mitarbeitendenbefragungen in den 2010er Jahren startete die Senatsverwaltung 2023 ein Pilotprojekt zur psychischen Gefährdungsbeurteilung in den Regionen Pankow und Lichtenberg. Mit der Maßgabe der freiwilligen Teilnahme nahmen insgesamt vier Schulen mittels eines schulinternen Workshops teil. Ziel ist die Ermittlung der bestehenden psychischen Belastungen. Ob dieser sehr zeitaufwändige Prozess auf Dauer von den Schulen und den handelnden Personen unter den aktuellen Bedingungen zielführend und für die Schulgemeinschaft umsetzbar gestaltet werden kann, bleibt abzuwarten. Die Senatsverwaltung muss in Zusammenarbeit mit den Beschäftigtenvertretungen Bedingungen schaffen, unter denen sich deutlich mehr Schulen dieser Thematik stellen können.
Gesundheitsförderliches Schulklima
Für die Prävention ist die Schaffung eines gesundheitsförderlichen Schulklimas notwendig. Dazu gehören ein respektvolles und partizipatives Miteinander aller Beteiligten, ein gut ausgestatteter Arbeitsplatz sowie ein angemessenes Arbeitspensum. Zur Unterstützung von Beschäftigten in belastenden Situationen gehören niedrigschwellige Angebote zur Stressbewältigung, die Beratung in Krisensituationen sowie die Entwicklung von Kompetenzen zur Selbstfürsorge. Ziel sind zufriedene Beschäftigte, die sich gesund ihren Herausforderungen im Schulalltag stellen können.