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blz 1/2015

Weil sie es uns wert sind

Qualität ist eine Frage der Ausbildung: Was für die QuereinsteigerInnen geleistet werden muss

Stellen wir uns mal vor, wir müssten von heute auf morgen einen neuen Job als BusfahrerIn bei der BVG antreten; Vollzeit, versteht sich. Das kann ja nicht so schwer sein, denn einen PKW-Führerschein haben wir schließlich. Montags um 5 Uhr auf dem Betriebshof geht es los. Sechs Stunden allein im Bus, denn mitfahren kann wegen der Personalknappheit niemand von den KollegInnen. Kurze Einweisung und Tschüss. Wenigstens ein Schild »Ich lerne noch« durften wir uns ans Revers heften. Am Mittwoch ist dann erstmals Fahrschule.

Ich höre jetzt schon viele sagen, das ist doch ganz was anderes. Das kann man nicht vergleichen. Im Bus geht es um Menschenleben! In der Schule kann ich nichts kaputt machen. Nein?

Bei aller Diskussion um Unterrichtsversorgung, Bedarfsdeckung und Lehrkräftemangel ist die Frage der Qualität der Ausbildung der Lehrkräfte im Hintergrund geblieben. Hauptsache die Zahlen stimmen – 99,7 Prozent Ausstattung zum Schuljahresbeginn – toller Erfolg, Frau Scheeres!

Gut ausgebildete Lehrkräfte sind aber der Schlüssel zum Schulerfolg. Was bei der Reform der grund-ständigen Lehramtsausbildung durchaus eine entscheidende Rolle gespielt hat, wird beim Einsatz von QuereinsteigerInnen immer noch hintenangestellt. Dabei geht es nicht in erster Linie um die fachliche oder fachwissenschaftliche Ausbildung. Die haben QuereinsteigerInnen in der Regel in ihrem Studium erworben, zumal die Anforderungen an den Umfang der studierten Fächer deutlich erhöht wurden.

Die SchülerInnen haben keinen Bock – und jetzt?

Da »sitzen« aber plötzlich 30 pubertierende SchülerInnen, denen man das Fachliche nahe bringen soll und die eigentlich gar keinen Bock auf Mathe haben. Wie bereite ich eine Unterrichtsstunde vor? Was müssen die SchülerInnen überhaupt wissen? Wie bewerte ich das? Oder ganz »simpel«: Wie kriege ich die Gruppe überhaupt dazu, am Unterricht teilzunehmen?

Das pädagogische und didaktische Handwerkszeug von Lehrkräften holt man nicht aus einem Köfferchen. Es muss erlernt werden. Es war im Jahr 2005 eine richtige Entscheidung, dass QuereinsteigerInnen das Lehramtsreferendariat und die Staatsprüfung absolvieren müssen. Die GEW BERLIN hatte das damals vehement gefordert. Die Ausbildung muss aber ein deutlich stärkeres Gewicht gegenüber der Unterrichtsversorgung bekommen. Die kleinen Schritte, die die Senatsverwaltung im Sommer 2014 mit zwei MentorInnen-Stunden pro QuereinsteigerIn und der Erhöhung der Zahl der Ermäßigungsstunden für QuereinsteigerInnen in Grundschulen von sieben auf neun Stunden unternommen hat, reichen bei Weitem nicht aus.

QuereinsteigerInnen müssen besser auf ihre Tätigkeit als Lehrkraft vorbereitet werden. Für das berufsbegleitende Referendariat muss ihnen mehr Zeit zur Verfügung stehen.

Die GEW BERLIN hat dazu auf ihren Landesdelegiertenversammlungen im Jahr 2014 eine Reihe von Forderungen und Vorschlägen beschlossen. Bereits vor Beginn ihres Einsatzes in der Schule und dem eigentlichen Referendariat muss es für QuereinsteigerInnen einen mindestens dreiwöchigen Einführungskurs geben. Darin sollen Themen wie Rahmenlehrpläne, Schulrecht, Aufgaben und Stellung der Lehrkräfte, Grundlagen der Bewertung und Beurteilung und Umgang mit Heterogenität behandelt werden.

Qualität braucht ihre Zeit

Während des berufsbegleitenden Referendariats und eines möglichweise noch zuvor zu absolvierenden berufsbegleitenden Studiums sollten QuereinsteigerInnen nur in ihren studierten Fächern unterrichten, nicht zu Vertretungsunterricht herangezogen werden und keine Klassenleitung übertragen bekommen.

Der Umfang der Ermäßigung für das berufsbegleitende Referendariat muss erhöht werden. Zurzeit sind es lediglich sieben Unterrichtsstunden (in den Grundschulen neun). Die GEW BERLIN schlägt eine Staffelung der Unterrichtsverpflichtung in Abhängigkeit vom Ausbildungsstand vor. Im ersten Ausbildungshalbjahr soll die Unterrichtsverpflichtung auf die Hälfte der regulären reduziert werden, also um 13 und in der Grundschule um 14 Stunden. Weitere drei Stunden müssen für Hospitationen zur Verfügung stehen. So hätten QuereinsteigerInnen etwas mehr Zeit und Raum, um an den Schulen anzukommen.

Im zweiten Ausbildungshalbjahr soll die Ermäßigung 10 und in der Grundschule 11 Stunden betragen. Damit wären bei Vollzeit 16 Unterrichtsstunden und in der Grundschule 17 abzuleisten. Im dritten und letzten Ausbildungshalbjahr sollte die Ermäßigung noch (wie bisher) sieben und in der Grundschule acht Stunden betragen.

Sofern Lehrkräfte vor Beginn des Referendariats noch ein zweites Fach berufsbegleitend studieren müssen, ist die Unterrichtsverpflichtung für die gesamte Dauer des berufsbegleitenden Studiums auf die Hälfte der regulären Unterrichtsverpflichtung zu ermäßigen.

Darüber hinaus muss es wie bisher möglich sein, zusätzlich zur Ermäßigung auf Antrag in Teilzeit zu gehen. Die Untergrenze der zu leistenden Unterrichtsstunden muss auf 10 abgesenkt werden – wie im regulären Referendariat. Zurzeit werden Teilzeitanträge nur genehmigt, wenn mindestens 13 Unterrichtsstunden übrig bleiben. Die Schulen müssen für alle Lehrkräfte im berufsbegleitenden Referendariat jeweils zwei MentorInnen-Stunden erhalten; auch für diejenigen, die nach einem ersten Lehramtsabschluss im berufsbegleitenden Referendariat eingestellt werden. Das muss auch für jene gelten, die bereits vor August 2014 ihr berufsbegleitendes Referendariat begonnen haben.

Die MentorInnen-Stunden müssen in den Zumessungsrichtlinien verankert werden. Sie sind aus zusätzlichen Haushaltsmitteln zu finanzieren und dürfen nicht durch Kürzungen an anderen Stellen erbracht werden.

Das alles kostet natürlich Geld. Qualität ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Gute Schule beginnt bei einer guten Ausbildung der Lehrkräfte. Die SchülerInnen müssen uns das wert sein.

Dieser Artikel ist Teil des blz-Themenschwerpunkts „Quereinsteiger*innen“