bbz 07-08 / 2016
Weiße Fahnen bedeuten keinen Frieden
Die Situation in den Jugendämtern hat sich nicht verbessert. Noch immer müssen die KollegInnen zu viele Fälle bearbeiten und erhalten dafür einen zu niedrigen Lohn.
Mehr als 350 Berliner SozialpädagogInnen haben am 2. Juni zum wiederholten Male für eine bessere Personalausstattung der Regionalen Sozialen Dienste (RSD) demonstriert. Sie wurden dabei auch von KollegInnen der freien Träger der Jugendhilfe unterstützt. Zu der Demonstration hatten die GEW BERLIN, ver.di und der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) gemeinsam aufgerufen.
Seit Dezember 2013 kämpfen die KollegInnen für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Sie hängten weiße Bettlaken aus ihren Dienstzimmern, um ihre Kapitulation vor der unerträglichen Arbeitsbelastung sichtbar zu machen. Daraus entstand die Arbeitsgemeinschaft »weiße Fahnen«, die seitdem gewerkschaftsübergreifend agiert. Auch in der GEW gibt es eine Gruppe von KollegInnen, die maßgeblich in diesem Kampf mitmischen, ganz frei nach dem Motto »einmischen statt abzischen«.
So zogen sie am 2. Juni in Schwarz von der Finanzverwaltung bis zum Roten Rathaus. Auf diese Weise demonstrierten sie ihre Trauer darüber, dass sich seit 2013, trotz vieler Versprechen, nichts Entscheidendes geändert hat, was ihre Situation verbessern würde. Ganz im Gegenteil, die Lage verschlechtert sich weiter. Zu lediglich einer wichtigen Veränderung ist es gekommen: Auf den massiven Druck der KollegInnen und JugendstadträtInnen hin beschloss der Berliner Senat 2015 einen Maßnahmenplan aus Mitteln der wachsenden Stadt, der eine Fallzahlbegrenzung von 65 Fällen pro KollegIn bringen sollte.
Zur Erinnerung, die KollegInnen der RSD haben im Durchschnitt 80 bis 90 Fälle zu bearbeiten, manche KollegInnen berichten aber auch von über 100 zu bearbeitenden Fällen. Die neuen Stellen, die aus dem Maßnahmenplan geschaffen werden sollten, erhalten aufgrund der wachsenden Stadt lediglich den Status quo. Aber selbst der Status quo wird nicht erreicht, denn aufgrund der Arbeitsbelastung ist der Krankenstand sehr hoch und viele Planstellen sind nicht besetzt.
Alles andere als ein Traumjob
Es bleibt festzustellen, dass ein Arbeitsplatz im RSD nicht sehr attraktiv ist. Dazu trägt auch die schlechte Bezahlung der SozialpädagogInnen im Land Berlin bei. Im öffentlichen Dienst des Landes Berlin verdienen BerufseinsteigerInnen 289 Euro weniger als im öffentlichen Dienst der Kommunen. Die Gehaltsdifferenz kann bis auf 503 Euro anwachsen. Die KollegInnen bewegen sich in einem schwierigen Arbeitsfeld, das viel Professionalität verlangt, um für betroffene Kinder, Jugendliche und deren Familien die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten. Sie müssen vor allem wichtige Entscheidungen über die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen aus ihren Familien treffen, um das Kindeswohl zu sichern. Die hohe berufliche Verantwortung und die schlechte Bezahlung machen den Job im RSD nicht gerade zum Traumjob. Verbesserungen sind hier nur möglich, wenn im ersten Schritt endlich der Maßnahmenplan umgesetzt wird. Im nächsten Schritt muss die Fallzahl weiter begrenzt werden – die KollegInnen fordern 28 Fälle pro Vollzeitstelle; und die Arbeit muss endlich, wie in den Kommunen, auch monetär aufgewertet werden – hier fordern die KollegInnen die EG 10/A11.
Tom Erdmann, GEW-Vorsitzender, hatte recht, als er öffentlich auf der Demonstration den Senat dazu aufforderte, endlich für ausreichend qualifizierte SozialpädagogInnen im RSD zu sorgen. »Die Anzahl der Fälle muss begrenzt werden, damit sich die MitarbeiterInnen genügend Zeit für die Menschen nehmen können. Der Beruf muss attraktiver werden. Dazu gehört auch eine angemessene Bezahlung. Die Einkommensschere zwischen Berlin und den Kommunen muss geschlossen werden – und zwar umgehend!«, so Erdmann. Ein Regierender in Berlin sagte einmal: Die KollegInnen werden nicht ruhen, bis ihre Forderungen umgesetzt werden. Das ist auch gut so und dafür gehen die KollegInnen zur Not auch wieder demonstrieren, denn eine verantwortungsvolle Jugendarbeit scheint dem Berliner Senat nach wie vor nicht wichtig genug zu sein.