Gewerkschaft
Wenig bekannt, aber entscheidend: die Landesdelegiertenversammlung
Obwohl die LDV die wichtigsten Entscheidungen der GEW BERLIN trifft, weiß mehr als die Hälfte der Mitglieder nicht, wofür sie zuständig ist. Wie kann sich das ändern?
Die Aktionen und Aktivitäten der GEW BERLIN leben vom Engagement vieler Ehrenamtlicher. So sind bei Streiks die meisten Teilnehmenden an der Demonstration GEW-Mitglieder. Natürlich gibt es auch Mitglieder, die am Streiktag zu Hause bleiben, Streikgeld erhalten und so – ganz ohne eigenes Engagement – von den Vorteilen ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft profitieren. Da ein Streik im Bildungsbereich für die Arbeitgeber*innen in der Regel keinen finanziellen Schaden verursacht, kommt es für die GEW aber nicht nur auf eine hohe Streikbeteiligung an, sondern auch auf eine starke Präsenz auf der Straße, um mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Für streikende Gewerkschaftsmitglieder ist es wichtig zu wissen, wer innerhalb der GEW für den Streik verantwortlich ist und wie die Forderungen zustande kommen. Wer bereits eine Funktion in der GEW innehatte, kennt sicher Fragen wie: »Warum fordert die GEW nicht XY?« oder »Kannst DU dich bei der Senatorin für Z einsetzen?« Obwohl die Entscheidungsstrukturen und Zuständigkeiten grundsätzlich transparent sind, sind sie vielen Mitgliedern dennoch nicht bekannt. Das bestätigt auch eine aktuelle Mitgliederbefragung unter GEW-Mitgliedern: 61 Prozent der Befragten wussten nicht, welche Aufgaben die Landesdelegiertenversammlung (LDV) hat.
»Mach das! Da bekommst du vier Tage im Jahr frei«
Als engagiertes Mitglied hat mich dieses Ergebnis einerseits verblüfft, andererseits muss ich zugeben, dass ich selbst in zwei Vereinen Mitglied bin, ohne dort aktiv zu sein oder an Mitgliederversammlungen teilzunehmen. Als klassische »Karteileiche« zahle ich lediglich meinen Beitrag und nutze gelegentlich die Vorteile der Mitgliedschaft. Bei der GEW ist das jedoch anders. Sie war für mich von Anfang an eine politische Heimat, in der ich aktiv mitwirken und Verantwortung übernehmen wollte. Dadurch habe ich mich zwangsläufig mit den Strukturen auseinandergesetzt und erkannt, dass die politischen Forderungen der GEW BERLIN auf der LDV beschlossen werden – genau dort wollte ich hin!
Aus dieser Motivation heraus habe ich die Strukturen der GEW nach und nach kennengelernt. Die Delegierten für die LDV werden in den Mitgliederversammlungen (MV) gewählt – für mich als Lehrerin also in dem Bezirk, in dem ich arbeite. Also ab zur MV! Dort trifft man auf viele erfahrene GEW-Aktive, und es wird oft in Abkürzungen gesprochen. Als sich niemand für die letzten offenen Plätze meldete, wurde der Posten meinem Sitznachbarn angeboten. »Mach das! Da bekommst du vier Tage im Jahr frei«, hieß es. Hoffentlich lassen sich nur wenige allein wegen dieser Aussicht aufstellen – gewählt werden sie dennoch ziemlich sicher, denn es gibt genügend Plätze.
Herausforderungen der LDV
Die LDV ist mit über 400 Delegierten nicht nur das wichtigste, sondern auch das größte Gremium der GEW BERLIN. Diese Größe bringt einige Herausforderungen mit sich: Wer sich während der Sitzung zu Wort meldet, muss auf der Bühne vor einem großen Publikum sprechen – möglicherweise ein Grund, warum nicht alle Mandate besetzt sind. Laut Mitgliederbefragung trauen sich weniger als ein Fünftel ein Mandat nicht zu, während 42 Prozent den hohen Zeitaufwand als Hauptgrund gegen eine Kandidatur nennen.
Ein weiteres Problem ist die Sitzungsdauer: Die LDV tagt in der Regel zweimal im Jahr für jeweils zwei Tage. Beschäftigte im Öffentlichen Dienst können sich dafür vom Dienst freistellen lassen. Gut drei Viertel der Delegierten nehmen dieses Recht in Anspruch. Dennoch gab nur eine knappe Mehrheit der Delegierten an, an jedem Sitzungstag vollständig teilzunehmen. Besonders bemerkenswert ist dies vor dem Hintergrund, dass 73 Prozent zwischen zwei und acht Stunden in die Vorbereitung investieren – fünf Prozent sogar mehr als acht Stunden.
Als langjähriges Mitglied der LDV und Teil der Antragsberatungskommission haben mich die Ergebnisse der Mitgliederbefragung kaum überrascht. Seit Jahren beobachte ich, dass während der LDV ganze Tische leer bleiben oder sich im Laufe der Sitzung leeren – besonders in den Mitgliedergruppen, die nicht im Schuldienst arbeiten.
Auf der Herbst-LDV 2024 wurde ein Organisationsentwicklungsprozess beschlossen. Als zentrales Gremium der GEW BERLIN sollte die LDV nicht nur in diesen Prozess eingebunden werden, sondern auch ihre eigene Struktur kritisch hinterfragen. Die Ergebnisse der Befragung liefern dafür genügend Anhaltspunkte (siehe Grafiken).