Schwerpunkt „Am Limit. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz“
Wenn Schule zur Belastungsprobe wird
Häufig wird die Belastung von Erzieher*innen unterschätzt. Doch Dysthymie, eine anhaltende Niedergeschlagenheit und der Verlust an Lebensfreude, sind mehr als ein Jobrisiko.
Seit 35 Jahren bin ich als Erzieherin in einer Grundschule tätig und habe hautnah die vielfältigen psychischen Belastungen erlebt, die mit diesem Beruf einhergehen. Stress, Lärm, Zeitdruck und ein Mangel an Anerkennung sind Faktoren, die sich direkt auf meine Gesundheit auswirkten.
In der erweiterten Förderung und Betreuung (eFöB) stoßen wir oft auf ungünstige und unfaire Bedingungen für die uns anvertrauten Kinder. Dies kann zu einer emotionalen Erpressbarkeit führen, der man sich aus freien Stücken oder sozioökonomischen Notwendigkeiten heraus stellt. Die tägliche emotionale Arbeit ist kräftezehrend und kann zu Erschöpfung führen. Uns fehlen ergonomische Möbel, Überstunden sind die Regel, und Anerkennung bleibt oft aus. Viele Schulleitungen nehmen uns kaum wahr. Kürzlich verkündete zum Beispiel meine Schulleitung, dass sie für die Lehrkräfte neue Bürostühle anschaffen würde, während wir Erzieher*innen auf winzigen Stühlen sitzen, die für Erstklässler*innen gedacht sind.
»Unsichtbare« Held*innen des Ganztags
Im Unterricht gelten wir als unverzichtbare Stütze. Wir sollen die Klassen bei allen Aktivitäten begleiten und ihnen helfen, den Stoff zu verstehen. Die Zeiten für unsere mittelbare pädagogische Arbeit sind zu knapp bemessen und teilweise aus unterrichtsorganisatorischen Gründen so gesplittet, dass sie nicht effektiv nutzbar sind. Die Kommunikation mit Eltern gestaltet sich oft als Herausforderung, da sie hohe Erwartungen an uns haben und dabei die großen Gruppengrößen von teilweise über 25 Kindern übersehen. Sie setzen voraus, dass Hausaufgaben perfekt erledigt sind und persönliche Gegenstände nicht verloren gehen, während wir gleichzeitig einen pädagogisch durchdachten Aufenthalt im Freien und kreative Angebote im Innenbereich anbieten sollen.
Lärm und überall dieser Lärm. Aufsichten auf dem Hof, Essenbegleitung der Kinder, das Geschrei auf den Fluren und überschwänglicher Jubel im Gruppenraum. Als Erzieherin habe ich die Lärmbelastung nonstop. In meiner Zeit als Vollzeitkraft kam ich mindestens an drei von fünf Tagen völlig erschöpft zu Hause an. Ich stand den ganzen Tag so unter Strom, dass ich Sehstörungen und Tinnitus bekam, hatte Durchschlafprobleme und wachte mitten in der Nacht auf. Mein Hausarzt diagnostizierte unter anderem somatoforme Störungen.
Die Überlastungsspirale aufbrechen
Eine erste Entlastung fand ich bei lieben Kolleg*innen, die das gleiche Schicksal teilten. Die zahllosen Gespräche waren wohltuend und hilfreich. Eine vom Hausarzt empfohlene Verhaltenstherapie vertrieb das damalige Grau und die psychosomatische Reha-Maßnahme stellte meine Gesundheit weitestgehend wieder her. Mir wurde empfohlen, einen Grad der Behinderung zu beantragen. Seitdem bin ich unter anderem von Hofaufsichten freigestellt. Unterstützung erhielt ich dabei von der örtlichen Schwerbehindertenvertretung und dem Personalrat.
Als Erzieherin wünsche ich mir unter anderem zwei wesentliche Veränderungen, die unsere Arbeitsbedingungen und das Wohlbefinden verbessern würden. Mein erster Wunsch ist es, ein Budget für Vertretungspersonal zu etablieren (Personalkostenbudget), das die Entlastung meiner Kolleg*innen ermöglicht und so die Kontinuität und Qualität unserer pädagogischen Arbeit gewährleistet. Zudem erhoffe ich mir eine Überarbeitung der Dienstvereinbarung (DV mpA), die eine klare Definition unserer Aufgaben und Kompetenzen beinhaltet und die Zeiten für mittelbare pädagogische Arbeit erhöht.
*Der Name wurde geändert und ist der Redaktion bekannt.