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Gewerkschaft

Wer eingestellt wird, bestimmt der Verfassungsschutz

Während es in Berlin mühsam erkämpfte Erfolge bei der Aufarbeitung des »Radikalenerlasses« und politischer Berufsverbote gibt, wird in Brandenburg diese Praxis wieder eingeführt.

Foto: IMAGO

Die in diesem April vom Brandenburger Landtag beschlossene Novellierung des Beamtengesetzes sieht eine flächendeckende Regelanfrage beim Verfassungsschutz (VS) vor, den sogenannten »Verfassungstreue-Check«. Dabei sollen die Erkenntnisse des Checks für eine Einstellung entscheidend sein und geben damit dem Geheimdienst weitreichenden politischen Einfluss. Bei »extremismusverdächtigen« Beamt*innen, die bereits im Dienst sind, sollen zukünftig Entlassungen ohne weiteres Verfahren bereits auf Landratsebene verfügt werden können.

Was heute als »Verfassungstreue-Check« bezeichnet wird, hieß vor 50 Jahren noch »Radikalenerlass«. Auf dessen Grundlage gab es auf Bundes- und Länderebene zwischen 1971 bis 1986 3,5 Millionen Überprüfungen von Bewerber*innen des öffentlichen Dienstes. Davon waren 25.000 bis 35.000 verdächtige Bewerber*innen und es gab 11.000 Berufsverbotsverfahren. Diese führten dazu, dass etwa 2.250 Bewerber*innen nicht eingestellt und 256 Beamt*innen entlassen wurden.

 

Aufarbeitung sieht anders aus

 

Nach einer intensiven Vorarbeit der GEW BERLIN, insbesondere der AG Berufsverbote, fasste das Berliner Abgeordnetenhaus Anfang September 2021 den Beschluss: »Folgen des Radikalenerlasses in West-Berlin anerkennen« (siehe Artikel »Aufarbeitung nach 50 Jahren«, bbz 1-2/2022).

Dieser beinhaltete vor allem die Zusage für eine staatlich finanzierte wissenschaftliche Aufarbeitung der regionalen Folgen des Radikalenerlasses. Das hatte es zuvor nur in Baden-Württemberg (2020) gegeben, während in Niedersachsen (2016) lediglich eine umfangreiche Dokumentation und in Hamburg (2018) eine Ausstellung beschlossen worden waren.

Der Prozess der Aufarbeitung des Radikalenerlasses in Berlin begann durch die AG Berufsverbote der GEW BERLIN mit der Erstellung der Ausstellung »Berufsverbote und politische Disziplinierung in West-Berlin« (2022). Die seit Jahresbeginn von zwei Zeithistoriker*innen der FU und der HU begonnene Forschungsarbeit hat aus unserer Sicht einen hohen Stellenwert. Einerseits, weil ein jahrzehntelang verdrängtes Kapitel massiver Demokratiebeschädigung bearbeitet wird, um Konsequenzen für zukünftiges staatliches Handeln zu befördern, beispielsweise eine materielle Wiedergutmachung und vollständige Rehabilitierung der ehemals Betroffenen. Andererseits, um Bezüge zu den gegenwärtigen Bestrebungen nach neuen »Extremisten«- beziehungsweise »Radikalen«-Erlassen herzustellen.

Unter dem Vorwand, Pflöcke gegen die gegenwärtige gefährliche Rechtsentwicklung zu setzen, wird ein wissenschaftlich unhaltbarer Extremismusbegriff verwendet: die Gleichsetzung von Links und Rechts. Aktivist*innen aus der »Letzten Generation«, die die Straßen blockieren, sind danach gleichermaßen extremistisch-kriminell wie gewalttätige Jungnazis oder völkisch-rassistisch hetzende Höcke-Faschisten. Dabei sollen die nicht überprüfbaren Einschätzungen des Verfassungsschutzes Grundlage von Laufbahnentscheidungen sein; eines Verfassungsschutzes, dem wiederholt rechte Unterwanderung nachgewiesen worden ist.

Ja, der Kampf gegen Rechts muss deutlich konsequenter als bisher geführt werden. Unser Grundgesetz, das Straf- und Disziplinarrecht, die Berliner Verfassung oder auch Schul- und Hochschulgesetze bieten eine gute Grundlage, sie müssen nur konsequent angewendet werden.

Nein, die Ausweitung unkontrollierter Überwachung durch den Verfassungsschutz oder auch der Demokratieabbau durch Einschränkungen der Meinungsfreiheit, sind keine Lösung.

 

Zur AG Berufsverbote der GEW BERLIN siehe www.gew-berlin.de/arbeitsgruppen/ag-berufsverbote

 

 

Aktuelle Berufsverbote

Auf der Seite www.berufsverbote.de finden sich weitere aktuelle Infos zur Aufarbeitung vergangener Berufsverbote und zu aktuellen Fällen, die es immer noch gibt. In Hessen kämpft etwa der Lehrer Luca Schäfer aktuell gegen ein Urteil, das faktisch ein Berufsverbot bedeutet. Die LDV der GEW BERLIN hat am 4.6.2024 eine Solidaritätserklärung mit Luca verabschiedet.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46