Berufliche Bildung
Wer Zukunft will, muss ausbilden
Berlin bleibt Schlusslicht bei der betrieblichen Ausbildung. Eine gesetzliche Ausbildungsumlage könnte das ändern – wenn sie nicht erneut am Widerstand der Wirtschaft scheitert.
Zwischen 2009 und 2019 boomte die Berliner Wirtschaft. Was nicht boomte war die duale Ausbildung, im Gegenteil, seit 2009 sank die Zahl von Auszubildenden in Berlin um mehr als 30 Prozent. In keinem anderen Bundesland suchen Jahr für Jahr so viele junge Menschen erfolglos nach einem Ausbildungsplatz, in keinem anderen Bundesland bilden so wenig Betriebe aus. Höchste Zeit also, endlich etwas zu tun!
Nach der Abgeordnetenhauswahl 2021 hatten die damalige rot-grün-rote Koalition vereinbart, eine Ausbildungsumlage einzuführen. Doch nach der Neuwahl 2023 änderte sich die Koalition. Dank des massiven Drucks vor allem von Gewerkschaften und Jugendverbänden, verschwand die Ausbildungsumlage nicht (wie so oft) in der Schublade. Die SPD setzte im Koalitionsvertrag mit der CDU durch, dass eine gesetzliche Ausbildungsumlage kommt, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren 2.000 zusätzliche Ausbildungsverträge abgeschlossen würden. Unter Beteiligung von Wirtschaft und Gewerkschaften wurde ein Bündnis für Ausbildung geschaffen, das letztlich den Zeitraum und die Zahlen konkretisierte, am 31. Dezember 2023 waren 32.853 Menschen in einer dualen Ausbildung, dementsprechend ist die Zielzahl zum 31. Dezember 2025 nun 34.853.
Verhandeln, verschieben, verhindern
Bei der Bündnissitzung Ende Mai wurde das »Halbzeitergebnis« (31. Dezember 2024) verkündet, ein Plus von knapp 700 Ausbildungsverträgen. Ob in der »zweiten Halbzeit« die Zielzahl 2.000 erreicht wird, ist sehr zweifelhaft. Es ist daher wenig überraschend, dass die Berliner Wirtschaftsverbände ein propagandistisches Feuerwerk gezündet haben, die Ausbildungsumlage oder, wie sie es nennen, »Zwangsabgabe« zu verhindern.
Die Forderung nach einer gesetzlichen Ausbildungsumlage steht seit langem auf der Agenda nicht nur gewerkschaftlicher Berufsbildungspolitik. In der Wirtschaftskrise in den 1970er Jahren sank die Zahl der Ausbildungsplätze dramatisch. Die damalige Bundesregierung reagierte 1976 mit dem »Ausbildungsplatzförderungsgesetz«, das unter anderem eine von den Unternehmen zu zahlende Ausbildungsumlage vorsah. Im Jahr 1980 kippte das Bundesverfassungsgericht die Umlage jedoch, da die Zustimmung der Bundesländer im Bundesrat fehlte. 2004 startete die rot-grüne Bundesregierung erneut einen gesetzlichen Vorstoß, der jedoch wieder keine Mehrheit im Bundesrat fand.
Parallel zu den gesetzlichen Regelungen machten sich einige Branchen auf den Weg, tarifliche Umlagen einzuführen, hauptsächlich im Handwerk. Den Anfang machte 1975 die Bauwirtschaft, in der damals ein eklatanter Fachkräftemangel herrschte. Mit der Einführung der Umlage wurden die Kosten in Teilen auf die gesamte Branche verteilt. Durch die allgemeinverbindliche tarifliche Umlage in der Bauwirtschaft stieg die Ausbildungsquote von ihrem Tiefpunkt (1,8 Prozent) bis Beginn der 80er Jahre wieder auf ein nachhaltiges Niveau (5 Prozent) und trägt seitdem maßgeblich dazu bei, dieses Niveau selbst in Krisenzeiten zu halten. Ein Teil der Umlage wurde in die Qualität der Ausbildung durch den Aufbau überbetrieblicher Ausbildungszentren investiert. In Berlin ist der Lehrbauhof in Tempelhof-Schöneberg seit Jahren ein Baustein für eine gute Ausbildung.
Auf Branchenebene gibt es zudem seit 2020 eine gesetzliche Branchenumlage für die Pflege.
Aus Sicht des DGB und der Mitgliedsgewerkschaften ist klar, dass tarifliche Branchenvereinbarungen die bessere Lösung wären. Leider fehlt dazu bei den meisten Arbeitgeberverbänden die notwendige Bereitschaft, daher bedarf es einer gesetzlichen Lösung.
Die Ausbildungsumlage heißt Umlage, weil beide, ausbildende (circa zehn Prozent) und nicht ausbildende Betriebe (circa 90 Prozent) die Kosten einer betrieblichen Ausbildung übernehmen. Dieses Prinzip heißt Solidarität und nach unseren Erfahrungen hilft das ziemlich oft weiter!
Die scharfe öffentliche Auseinandersetzung zeigt aber auch, dass die Ausbildungsumlage solidarische Unterstützung über die Gewerkschaften hinaus braucht. Wichtig ist auch die Unterstützung von denjenigen, die davon profitieren. Das sind neben den ausbildenden Betrieben die jungen Menschen, die eine betriebliche Ausbildung anstreben, aber keinen Ausbildungsplatz finden.