Zum Inhalt springen

Standpunkt

Wir sind nicht neutral

Die jüngsten Wahlergebnisse zeigen, dass Demokratiebildung einer klaren Haltung gegen Rechtsextremismus bedarf.

Foto: Wolfgang Borrs

Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, bei denen die AfD auf dem ersten oder nur knapp zweiten Platz landete, zeigen: Menschenfeindliche Positionen haben immer mehr Zulauf, die Banalisierung sowie Normalisierung des Rechtsextremismus schreiten voran. Und die Wahlergebnisse machen auf erschreckende Weise deutlich, dass Rechtsextremismus ein massives Jugendproblem ist. In Thüringen wählten 37, in Sachsen und in Brandenburg jeweils 30 Prozent der Erstwähler*innen die AfD. Bei den noch Jüngeren verstärkt sich der Trend teils sogar noch. Bei den U18-Wahlen kam die AfD in Thüringen auf über 37 und in Sachsen auf über 35 Prozent. In Brandenburg, wo bereits 16-jährige mitwählten, gaben ihr über 29 Prozent bei der U16-Wahl ihre Stimme. Das ist der dramatischste Rechtsruck unter jungen Menschen, den die Bundesrepublik seit 1949 erlebt hat.

Als bundesweites Präventionsnetzwerk gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit erleben wir tagtäglich, wie Rechtspopulismus und -extremismus, übrigens nicht nur über die sozialen Medien, immer tiefer in die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen eindringen. Warum fühlen sich so viele junge Menschen von Rechtsextremist*innen angesprochen? Was suchen sie dort? 

Monokausale Erklärungen verbieten sich. Aus der Präventions- und Radikalisierungsforschung wissen wir: Jugendliche sind verunsichert, wenn sie kein Vertrauen haben, dass ihre Zukunft gut gelingen wird. Sie entwickeln Ängste, verlieren die Orientierung – und machen sich auf die Suche nach Angeboten, die Sicherheit und Stärke versprechen. Rechtsextreme Parteien machen sich diese Bedürfnisse zunutze und ködern junge Menschen mit dem Versprechen, dass sie in ihren Kreisen »wieder wer sein können« und einfache Lösungen auf verunsichernde, komplexe Fragen finden. 

Es gibt kein Patentrezept, wie es gelingen kann, dass nicht Menschenhass, sondern demokratische, solidarische Lösungen die Jugendlichen überzeugen und resilient gegen Hass machen. Doch sicher ist, wir werden die existentiellen Bedürfnisse und emotionalen Befindlichkeiten der Jugendlichen, die Ursachen ihrer Ängste stärker beachten müssen: Die Langzeitfolgen der Pandemie, Kriege in der Ukraine, Israel und Gaza, demografischer Wandel, Klimakrise und ökonomische Unsicherheit gehören dazu.

Im Schulalltag sollten Jugendliche ihre sozialen Fähigkeiten entwickeln, Selbstwirksamkeitserfahrungen machen, ihr Selbstwertgefühl stärken und Solidarität als etwas Wertvolles erleben können. Stimmen, die bezweifeln, ob Schule wirklich ein »Wohlfühlort« sein soll, müssen wir zurufen: Ja! Eine Schule, die nur Wissen vermitteln will und Emotionen ausblendet, arbeitet Rechtsextremist*innen zu. Schule hat die Aufgabe, demokratische Werte und kritisches Denken zu fördern. Demokratiebildung bedeutet entsprechend dem Schulgesetz, eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus zeigen. Deshalb sind wir nicht neutral. 

Kontakt
Ann-Kathrin Mützel
Geschäftsführerin und Pressesprecherin
Telefon:  030 / 219993-46